Ist Untersuchungshaft in Deutschland Isolationshaft?

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Ist Untersuchungshaft in Deutschland Isolationshaft?


In den Medien liest man immer wieder Meldungen über Boris Becker Julian Assange oder auch Alexei Nawalny und deren schlechte Haftbedingungen.

Meist liest man dann Stichworte wie Isolationshaft, menschenunwürdige Unterbringung oder schikanöse Behandlungen.


Ist das wirklich so?

Wie sehen aber die Haftbedingungen bei uns in Deutschland aus? Sind bei uns die Haftbedingungen besser oder schlechter?

Untersuchungshaft ist in Deutschland immer Isolationshaft. Im Normalfall ist der Untersuchungsgefangene 23 Stunden am Tag auf seiner Zelle eingeschlossen. 7 Tage die Woche. Täglich nur eine Stunde hat er Anspruch auf den sogenannten Hofgang.

Hofgang bedeutet in Deutschland meistens im Kreis gehen in einem kleinen und nicht gerade einladenden Innenhof, der von hohen Mauern umgeben ist. Dieser Hofgang findet meist morgens um 8:00 Uhr  und unabhängig von den Wetterbedingungen statt.

Wer morgens also nicht um 7:00 Uhr aufstehen, sondern ausschlafen will oder nicht bei strömenden Regen eine Stunde im Kreis gehen will und auch keine Lust hat im Winter bei klirrender Kälte sich eine Stunde im Freien aufzuhalten, ist 24 Stunden am Tag in seiner Zelle eingesperrt.


Wie sieht so eine Zelle aus?

In Deutschland wo  nahezu alles gesetzlich geregelt ist, gibt es keinerlei Gesetze oder Regelungen wie so eine Zelle auszusehen hat. Angesichts dessen, dass möglicherweise jemand hier jahrelang eingesperrt ist, aus unserer Sicht ein Unding.

Die Qualität von Zellen können in Deutschland sehr unterschiedlich sein.

In neueren Gefängnissen haben Sie den look und die Anmutung von Jugendherbergen. Leicht zu reinigende Industriefußboden, räumlich abgetrennte Toilette, Bett, Tisch und Stuhl im Ikea Design. Doppelsteckdose zum Betreiben eines Radios, Fernsehers beziehungsweise eines Wasserkochers. Großes Fenster auf Bauchhöhe mit Blickmöglichkeit nach draußen. Eigentlich ganz ok. Wenn man nicht eingesperrt wäre.

Es gibt aber auch Gefängnisse, die stammen noch aus dem 19. Jahrhundert und genauso sehen auch die Zellen aus.

3 Holzbretter fest montiert an die Zellenwände als Ersatz für Bett, Tisch und Stuhl. Kein Fenster, stattdessen nur ein schmaler Lichtschacht. In 2 Metern Höhe, der keinen Blick nach draußen erlaubt. Keine abgetrennte Toilette sondern eine Kloschüssel steht mitten im Raum. Alles weniger schön.

Egal aber ob alter oder neuer Knast, die Zellengröße ist überall zwischen 8 bis  10 Quadratmeter groß bzw. klein. Zieht man von dieser Grundfläche den Platzbedarf von Toilette, Bett Tisch und Stuhl ab, verbleiben circa 2 bis zweieinhalb Quadratmeter auf die man sich in dieser Zelle frei bewegen kann.

Im Vergleich. Ein Landwirt der das Biosiegel für seine Kühe haben will, muss ihnen eine größere Fläche zum frei bewegen geben.

Einzelunterbringung?

In Untersuchungshaft hat man grundsätzlich den Anspruch und das Recht auf eine Einzelunterbringung. Dies folgt aus der Unschuldsvermutung für Untersuchungsgefangene.

Denn der zeitweilige Rückzug vor seinen Mitmenschen in einer psychisch schweren Situationen gehört zum Kernbereich der Persönlichkeit. Die Einzelunterbringung hat hier die Aufgabe, soweit
 möglich, die Privatsphäre des Gefangenen zu schonen und soll auch Gewalttätigkeiten und den Auswirkungen der Subkultur vorbeugen.

Dennoch erleben wir es immer wieder, dass die JVA dieses Recht auf Einzelunterbringung verletzen und 2 oder mehr Untersuchungshäftlinge in eine Zelle stecken.

Diese Art der Unterbringung ist meistens sehr belastend, da man keinerlei Privatsphäre mehr hat.

Der Eine kann nicht schlafen, weil der andere nachts laut schnarcht. Einer will die Nacht zum Tag machen und schaut Fernsehen während der andere dadurch nicht schlafen kann. Einer ist Raucher während der andere Nichtraucher ist.

Auch zum Thema Sauberkeit und Reinigung der Zelle, kann es sehr unterschiedliche Vorstellungen geben. Was für einen sauber ist, kann für den anderen verdreckt sein.

Konflikte sind hier vorprogrammiert. Auch weil man sich auf dieser kleinen Fläche nicht aus dem Weg gehen kann. Das Leben mit einem Zellengenossen kann hier zur Hölle werden. Wir halten solch eine Unterbringung von Untersuchungsgefangenen für menschenunwürdig und rechtswidrig.

Als Begründung für diese gemeinschaftliche Unterbringung nennen Gefängnisse immer die hohen Gefangenenzahlen, Platznot, Personalmangel oder auch bauliche Zwänge.

Ein solches Vorgehen halten wir aber für menschenunwürdig und daher rechtswidrig, da alleine der Staat bzw. die JVA es in der Hand hat, Untersuchungsgefangene aufzunehmen oder wegen Überbelegung an eine andere (nicht überfüllte) JVA zu verlegen, die nötigen baulichen Veränderungen vorzunehmen oder den Vollzug mit ausreichend Personal auszustatten.

Auch hier würden wir empfehlen sich gegen eine solche Behandlung bzw. Unterbringung zu wehren und Rechtsmittel einzulegen.


Weitere Infos finden Sie unter:

GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht

Foto(s): GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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