Jahressteuergesetz 2024: Wichtige Änderungen bei der Verlustverrechnung
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Jahressteuergesetz 2024: Änderungen bei der Verlustverrechnung
Mit dem Jahressteuergesetz 2024 wurden wesentliche Änderungen bei der Verlustverrechnung beschlossen, die Steuerpflichtigen und Unternehmen größere Flexibilität bieten sollen. Im Zentrum steht die Verlängerung des Verlustrücktragszeitraums und die Anpassung der Verlustverrechnungssätze. Doch welche Steuerbescheide profitieren von den neuen Regelungen, und gibt es Möglichkeiten zur Anpassung bereits bestandskräftiger Bescheide?
Verlängerung des Verlustrücktragszeitraums
Eine der wichtigsten Neuerungen betrifft den Verlustrücktrag: Ab dem Veranlagungszeitraum 2024 kann dieser für Verluste bis zu drei Jahre rückwirkend geltend gemacht werden, statt wie bisher nur ein Jahr. Das bedeutet, dass Verluste aus dem Jahr 2024 nun auf die Jahre 2021, 2022 und 2023 zurückgetragen werden können. Diese Verlängerung bietet Unternehmen und Steuerpflichtigen mehr Spielraum, um Verluste in wirtschaftlich schwierigeren Jahren steuerlich geltend zu machen.
Zusätzlich bleiben die erhöhten Verlustrücktragsgrenzen bestehen: Für die Veranlagungszeiträume 2024 und 2025 gelten weiterhin Höchstbeträge von 10 Millionen Euro (bzw. 20 Millionen Euro bei Zusammenveranlagung), bevor die Grenze ab 2026 wieder auf 5 bzw. 10 Millionen Euro sinkt.
Anpassung der Verlustvorträge
Auch die Verlustvorträge wurden vorübergehend angepasst. Für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 wird der anrechenbare Verlustanteil von 60 % auf 75 % des Gesamtbetrags der Einkünfte erhöht. Dies gilt für den über dem Sockelbetrag von 1 Million Euro (2 Millionen Euro bei Zusammenveranlagung) liegenden Verlustvortrag. Ab 2028 wird die Grenze wieder auf 60 % gesenkt.
Rückwirkende Anwendung und bestandskräftige Bescheide
Von der neuen Regelung profitieren insbesondere Steuerpflichtige, deren Steuerbescheide für die Veranlagungsjahre 2021 bis 2023 noch nicht bestandskräftig sind. Diese Bescheide können mit den neuen Verlustrücktragsmöglichkeiten angepasst werden, wodurch Verluste aus 2024 in diese Jahre einfließen könnten.
Für bereits bestandskräftige Bescheide sieht das Jahressteuergesetz hingegen keine automatische Anpassung vor. Eine rückwirkende Anwendung ist in der Regel nicht möglich, da bestandskräftige Bescheide nicht ohne Weiteres geändert werden dürfen. Dennoch gibt es unter bestimmten Voraussetzungen Möglichkeiten zur Korrektur. Die Abgabenordnung bietet hierfür spezielle Regelungen, etwa in Fällen von offensichtlichen Fehlern (§ 129 AO) oder neuen Tatsachen (§ 173 AO), die zu einer Änderung des Bescheids führen können. Solche Fälle sind jedoch relativ selten und an strenge Voraussetzungen gebunden.
Verlustverrechnung bei Kapitalerträgen: Keine Änderung durch den Gesetzgeber
Die Änderungen bei der Verlustverrechnung durch das Jahressteuergesetz 2024 gelten grundsätzlich für die allgemeinen Einkünfte und betreffen keine spezifischen Regelungen für Kapitalerträge. Kapitalerträge unterliegen in Deutschland seit 2009 der Abgeltungsteuer mit einem festen Steuersatz von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer). Die Verlustverrechnung bei Kapitalerträgen ist dabei gesondert geregelt und strenger beschränkt.
Hier sind die relevanten Punkte zur Verlustverrechnung bei Kapitalerträgen:
1. Beschränkte Verlustverrechnung für Kapitalerträge: Kapitalverluste können nur mit Gewinnen aus anderen Kapitalerträgen verrechnet werden, nicht aber mit anderen Einkunftsarten wie Einkünften aus Gewerbebetrieb oder aus nichtselbstständiger Arbeit. Ein Verlustausgleich ist nur innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen erlaubt.
2. Verlustverrechnungstöpfe: Für Kapitalerträge gibt es in der Steuerpraxis zwei getrennte Verlustverrechnungstöpfe:
Aktienverlusstopf: Verluste aus Aktienverkäufen dürfen nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet werden.
Sonstige Kapitalerträge: Verluste aus anderen Kapitalanlagen (z. B. Anleihen, Fonds, Termingeschäften und Optionen) können mit anderen Kapitalerträgen außer Aktiengewinnen verrechnet werden.
3. Verlustrücktrag und -vortrag bei Kapitalerträgen: Anders als bei den allgemeinen Einkunftsarten erlaubt das Steuerrecht keinen Verlustrücktrag oder -vortrag für Verluste aus Kapitalvermögen. Das bedeutet, dass Verluste aus Kapitalanlagen nur innerhalb desselben Steuerjahres ausgeglichen werden können. Nicht verrechnete Verluste werden automatisch ins nächste Jahr übertragen, um sie mit künftigen Gewinnen aus Kapitalvermögen zu verrechnen.
4. Verlustverrechnung bei Termingeschäften: Für Verluste aus Termingeschäften wie Derivaten gilt seit 2021 eine besonders strikte Regelung. Solche Verluste können jährlich nur bis zu 20.000 Euro steuerlich verrechnet werden. Nicht genutzte Verluste können ins nächste Jahr vorgetragen werden, jedoch bleibt die 20.000-Euro-Grenze bestehen.
Diese äußert restriktive Praxis wurde durch den Bundesfinanzhof bereits mehrfach kritisiert. Die aktuelle Diskussion wird in diesem Artikel weiter vertieft:
Verlustbeschränkung bei Termingeschäften: BFH hält aktuelle Regelung für grundgesetzwidrig
Fazit
Das Jahressteuergesetz 2024 erleichtert die Verlustverrechnung für viele Steuerpflichtige, besonders durch die Verlängerung des Rücktragszeitraums. Während offene Steuerbescheide rückwirkend von den neuen Regelungen profitieren, bleibt für bestandskräftige Bescheide die Möglichkeit zur Anpassung auf Sonderfälle beschränkt. Steuerpflichtige sollten prüfen, ob in ihrem Fall eine nachträgliche Korrektur möglich ist, und gegebenenfalls professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Diese Änderungen sind besonders relevant für Unternehmen und Steuerpflichtige mit Verlusten, die aus den vergangenen Jahren keine ausreichende Verrechnungsmöglichkeit hatten.
Die Verlängerung des Verlustrücktragszeitraums durch das Jahressteuergesetz 2024 betrifft nur die allgemeinen Einkünfte und hat keine Auswirkungen auf die restriktive Verlustverrechnung bei Kapitalerträgen. Steuerpflichtige mit Kapitalerträgen müssen die bestehenden Verlustverrechnungsbeschränkungen beachten und können Verluste nur innerhalb des Kapitalvermögens und ohne Rücktrag geltend machen. Aufgrund der Bedenken des Bundesfinanzhofs gegen diese Praxis und die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht sollten Betroffene, die unter die Verlustbeschränkung fallen, fristgemäß Einspruch gegen den Steuerbescheid einlegen, um eine mögliche Änderung Rechtsprechungsänderung durch das Bundesverfassungsgericht nutzen zu können.
Rechtsanwalt Markus Mehlig vertritt bundesweit Anleger mit Schwerpunkt im Bank- und Kapitalmarktrecht, insbesondere zur Fragen und Streitigkeiten bei der Verlustbeschränkung. Gerne steht er auch Ihnen im Rahmen eines kostenlosen Erstgesprächs zur Verfügung.
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