Jobcenter muss Kosten für elektronisches Wörterbuch erstatten

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Das Sozialgericht Oldenburg hat das Jobcenter mit Urteil v. 16.11.21 (Az.: S 37 AS 1268/19) zur Übernahme der Kosten für ein elektronisches Wörterbuch verurteilt.

Der Fall

Die Klägerin ist Schülerin an einer berufsbildenden Schule und bezieht gemeinsam mit ihrer Mutter und den Geschwistern aufstockend Leistungen nach dem SGB II ("Hartz4"). Für den Sprachunterricht des folgenden Schuljahres wurde die Schülerin von der Schule dazu aufgefordert sich ein elektronisches Wörterbuch der Firma Casio zum Preis von 138,90 € anzuschaffen.

Die Klägerin beantragte nach der Anschaffung des Gerätes beim Jobcenter die Erstattung der Kosten dieses Wörterbuches. Das Jobcenter lehnte den Antrag jedoch ab. Zur Begründung führte das Jobcenter aus, dass das Wörterbuch dem persönlichen Schulbedarf zuzurechnen sei. Die Kosten seien daher von der Beklagten durch die bereits bewilligten Bildung- und Teilhabeleistungen abgedeckt.

Wörterbuch als Mehrbedarf

Dies sah das Sozialgericht Oldenburg anders und verurteilte das Jobcenter zur Übernahme der Kosten für das elektronische Wörterbuch. Nach Auffassung des Gerichtes würden die Kosten für die Anschaffung eines solchen elektronischen Wörterbuches weder von den Leistungen erfasst, die vom Jobcenter für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf erbracht würden (Bildung und Teilhabe) noch seien sie vom Regelbedarf abgedeckt.

Das Sozialgericht Oldenburg führte daher weitergehend aus, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Kosten für die Anschaffung von Schulbüchern zwar grundsätzlich vom Regelbedarf umfasst seien, bei der Ermittlung des Regelbedarfes von SGB II-Leistungsempfängern sei jedoch der Bedarf für die Beschaffung von Schulbüchern nicht in strukturell realitätsgerechter Weise zutreffend erfasst worden. Bei dieser Regelbedarfsermittlung habe der Gesetzgeber vielmehr Kosten für die Anschaffung von Schulbüchern lediglich in einer Höhe von 2,55 € pro Monat (= 30,60 € jährlich) berücksichtigt. Damit sei der Bedarf für die Beschaffung von Schulbüchern zumindest in Ländern, die – wie Niedersachsen – keine Lehrmittelfreiheit garantieren würden, nicht abzudecken. Die Kosten für die Beschaffung von Schulbüchern sei deshalb ein Mehrbedarf (§ 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II), der Leistungsempfängern nach dem SGB II zusätzlich zu den sonstigen Leistungen zu gewähren sei, so die Oldenburger Sozialrichter.

(§ 21 Abs. 6 SGB II: Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. 2 Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.)

Elektronisches Wörterbuch wie ein Schulbuch

Das Sozialgericht begründete weiter, dass anders als sonstige technische Geräte (wie zum Beispiel Tabletts oder Laptops) das elektronische Wörterbuch bezüglich des Kostenersatzes wie ein Schulbuch zu behandeln sei. Das digitale Wörterbuch nehme eine unmittelbar schulbuchersetzende Funktion ein, weil bei diesem Gerät die Funktion der Übersetzung im Vordergrund stehe und es die Inhalte mehrerer Wörterbücher in den Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch, Latein und Deutsch enthalten würde. Das elektronische Wörterbuch verfüge nicht über die Möglichkeit, es mit einem PC zu verbinden oder das Internet zu nutzen. Darin unterscheide sich dieses Gerät von Tabletts oder Laptops, die selbst nicht als schulbuchersetzend angesehen werden könnten, so die Oldenburger Sozialrichter.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Sozialgericht die Berufung gegen seine Entscheidung zum Landessozialgericht ausdrücklich zugelassen.

Fazit

Die Entscheidung des SG Oldenburg ist zu begrüßen. Wenn sich Jugendliche für eine Berufsausbildung entscheiden und eine berufsbildende Schule besuchen, sollte dies auch unterstützt werden. Denn der Abschluss einer Ausbildung führt dazu, dass der Jugendliche erfolgreich in Arbeit vermittelt werden kann und dementsprechend auch keine Sozialleistungen mehr beziehen muss. Die einmalige Kostenübernahme für ein elektronisches Wörterbuch ist daher im Gegensatz zum dauerhaften SGB II Leistungsbezug gut hinzunehmen.

Die Autorin ist als Fachanwältin für Sozialrecht im Bereich der Gewährung von Sozialleistungen bundesweit tätig.


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