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„Junior Sachbearbeiter“ gesucht: Diskriminierung wegen des Alters?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Bereits bei der Formulierung einer Stellenanzeige kann ein Arbeitgeber erhebliche Fehler machen. Wird etwa nur ein Mann, ein Deutscher oder ein Berufseinsteiger für die zu besetzende Stelle gesucht, muss sich der Arbeitgeber darauf gefasst machen, dass abgelehnte Bewerber, also unter anderem Frauen, Ausländer oder Arbeitssuchende mit jahrelanger Berufserfahrung, eine Entschädigung wegen Diskriminierung verlangen. Kreative Arbeitgeber lassen sich daher immer wieder neue Formulierungen einfallen – zumeist jedoch mit eher weniger Erfolg.

36-Jähriger zu alt für die Stelle?

Ein Reiseinformationsportal suchte mittels Stellenanzeige einen „Junior Sachbearbeiter“, der die Kreditorenbuchhaltung übernehmen sollte. Der Bewerber sollte „gerade frisch gebacken aus einer kaufmännischen Ausbildung“ kommen und dadurch „erste Erfahrungen im Bereich Rechnungswesen“ gesammelt haben.

Ein 36-jähriger Industriekaufmann mit mehr als 10 Jahren Berufserfahrung als Buchhalter bewarb sich auf die Stelle – allerdings erhielt er kurz darauf eine Absage. Aufgrund des Durchschnittsalters im Unternehmen – das bei 27 Jahren lag – und der Formulierung der Stellenanzeige meinte der Arbeitssuchende, wegen seines Alters diskriminiert worden zu sein. Er zog daher vor Gericht und verlangte eine Entschädigungszahlung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Der Arbeitgeber erklärte, dass niemand wegen seines Alters diskriminiert werde. Auch ältere Quereinsteiger könnten schließlich frischgebacken aus einer Ausbildung kommen. Er unterscheide bei Neueinstellungen lediglich zwischen unerfahrenen „Junior Sachbearbeitern“ und routinierten „Senior Sachbearbeitern“ – für eine Anstellung als Junior Sachbearbeiter verfüge der Bewerber jedoch über zu viel Berufserfahrung. Es bestehe außerdem die Gefahr, dass er sich nicht unterordnen könne oder nicht ausgelastet sei. Auch seien seine Gehaltsvorstellungen überzogen.

Arbeitgeber muss Entschädigung zahlen

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist der 36-Jährige wegen seines Alters benachteiligt worden – der Arbeitgeber musste daher eine Entschädigung gemäß § 15 II AGG in Höhe von 2750 Euro zahlen.

Nur Berufseinsteiger gewollt?

Nicht jede Absage stellt bereits eine Benachteiligung dar, die eine Entschädigung i. S. d. AGG rechtfertigt. Voraussetzung dafür ist insbesondere, dass der Bewerber wegen eines Grundes nach § 1 AGG benachteiligt wurde, also z. B. wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts oder des Alters.

Hierbei genügt es allerdings, dass der Grund nach § 1 AGG mitursächlich für die Diskriminierung war. Er muss aber nicht das alleinige Motiv oder das Hauptmotiv darstellen.

Vorliegend hat der Arbeitgeber nach einem frischgebackenen Absolventen einer kaufmännischen Ausbildung gesucht, der lediglich im Rahmen der Lehre etwas Berufserfahrung gesammelt hat. Diese Kriterien knüpfen ans Alter an, denn ältere Personen kommen in aller Regel nicht mehr frischgebacken aus einer Ausbildung und haben normalerweise bereits einige Jahre Berufserfahrung gesammelt. Die vom Arbeitgeber gewählte Formulierung in der Stellenanzeige könnte ältere Arbeitssuchende von einer Bewerbung abhalten und ließ daher eine Diskriminierung wegen des Alters nach § 22 AGG vermuten. Diese Vermutung konnte der Arbeitgeber nicht widerlegen.

Rechtfertigung für Benachteiligung?

So war die Diskriminierung durch nichts gerechtfertigt. Zwar hatte der Arbeitgeber darauf hingewiesen, seine Unternehmenshierarchie aufrechterhalten zu wollen, bei der er deutlich zwischen unerfahrenen (Junior Sachbearbeitern) und erfahrenen (Senior Sachbearbeitern) Beschäftigten unterscheide. Das jedoch stellte nach Ansicht der Richter eine bloße Behauptung dar – mehr nicht. Auch blieb bis zuletzt unklar, warum etwa die Unterscheidung der Sachbearbeiter nur bei Neueinstellungen eine Rolle spielte.

Im Übrigen kann es durchaus passieren, dass ein erfahrener Beschäftigter als Junior Sachbearbeiter nicht ausgelastet ist bzw. die Rangordnung nicht akzeptiert. Aber auch diese Argumente ließen die Richter nicht gelten – bloße Befürchtungen oder Vermutungen können keine Benachteiligungen rechtfertigen.

Gab es andere Gründe für die Absage?

Auch konnte der Arbeitgeber nicht darlegen, dass andere Gründe als die in § 1 AGG zu der Absage geführt haben. Keine Diskriminierung nach dem AGG läge z. B. vor bei der Entscheidung, die betreffende Stelle nun doch nicht zu besetzen, dem Erhalt der Bewerbungsunterlagen nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens oder dem Fehlen von relevanten Qualifikationen.

Oft führen Arbeitgeber auch bestimmte Verfahren durch, um den passenden Beschäftigten zu finden. So werden die Bewerbungen z. B. auf bestimmte Inhalte gesichtet – fehlen sie, werden die Unterlagen aussortiert. Das Alter, Geschlecht oder sonstige Gründe nach § 1 AGG spielen hier also ebenfalls keine Rolle. Der Arbeitgeber muss dann aber nachweisen können, dass dieses Verfahren im betreffenden Fall angewendet und konsequent zu Ende geführt wurde. Ausnahmen darf es also beispielsweise keine geben.

So konnte der Arbeitgeber im vorliegenden Fall allerdings nicht nachweisen, dass er sämtliche bei ihm eingegangene Bewerbungen gleichermaßen auf Gehaltsvorstellungen und Überqualifikationen hin überprüft und dementsprechend aussortiert hatte. Im Übrigen waren auch diese beiden Kriterien nicht frei von einer Diskriminierung, denn auch sie waren mit dem Alter des Bewerbers verknüpft. So steigen die Gehaltsvorstellungen mit der gesammelten Berufserfahrung – und diese wiederum vergrößert sich grundsätzlich mit dem Alter.

Für die Stelle objektiv nicht geeignet?

Gemäß § 3 I AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn der abgelehnte Bewerber im Gegensatz zu anderen Bewerbern in einer vergleichbaren Situation z. B. wegen seines Alters oder Geschlechts weniger günstig behandelt wird. Eine vergleichbare Situation lag nach bisheriger Ansicht der Arbeitsrichter aber nur vor, wenn der Bewerber objektiv für die Stelle geeignet war, also z. B. die nötigen fachlichen Qualifikationen besaß. Seit einem wichtigen Urteil des BAG (BAG, Urteil v. 19.05.2016, Az.: 8 AZR 470/14) spielt das Kriterium „objektive Eignung“ bei der Frage, ob ein Entschädigungsanspruch nach dem AGG besteht, damit keine Rolle mehr.

Somit war vorliegend irrelevant, ob der Bewerber aufgrund seiner Überqualifikation für die Stelle ungeeignet war. Er hatte dennoch Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 II AGG.

Fazit: Arbeitgeber sollten aufpassen, welche Formulierungen sie in Stellenanzeigen verwenden. Begriffe wie „frischgebackener Absolvent“, „Berufseinsteiger“, „Young Professional“ oder Ähnliches sollten beispielsweise vermieden werden. Schließlich implizieren sie eine Diskriminierung von älteren Bewerbern, die deswegen unter Umständen eine Entschädigung verlangen können.

(BAG, Urteil v. 15.12.2016, Az.: 8 AZR 454/15)

(VOI)

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