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Kachelmann vs. bild.de: Wann darf was über Strafverfahren berichtet werden?

  • 2 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

[image]Im Juni 2010 hatte bild.de anlässlich des damals noch laufenden Strafverfahrens gegen Jörg Kachelmann über dessen Sexualpraktiken berichtet. Inzwischen ist der Moderator vom Vorwurf der Vergewaltigung rechtskräftig freigesprochen. Der intime Einblicke in sein Liebesleben gewährende Bericht hatte jedoch ein juristisches Nachspiel. Kachelmann hatte auf Unterlassung geklagt, weil bild.de sein Persönlichkeitsrecht verletzt habe. Jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) den Rechtsstreit beendet.

Normalerweise ist der Ausgang einer Unterlassungsklage in solchen Fällen klar. Die Intimsphäre - also die verborgenen Gedanken, Gefühle und das Sexualverhalten - ist auch bei Personen im Rampenlicht Tabuzone. Was intim ist, darf nicht ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden. Das gilt auch für die Medien.

Informationen stammten aus Vernehmungsprotokoll

Interessant war der Fall jedoch aufgrund der Informationsquelle, die bild.de mittelbar genutzt hatte. Zunächst hatte die Nachrichtenseite sich auf das Nachrichtenmagazin Focus bezogen. Focus wiederum hatte für seine Berichterstattung die Aussage Kachelmanns beim Untersuchungsrichter zur Grundlage genommen. Dieses Vernehmungsprotokoll wurde später öffentlich in der Hauptverhandlung verlesen.

Nach dem Urteil des BGH steht fest: Die Berichterstattung von bild.de war zwar rechtswidrig, weil sie das Persönlichkeitsrecht verletzt hat. Anders als das Oberlandesgericht Köln zuvor hat der BGH jedoch einen Anspruch auf Unterlassung verneint. Denn nach der öffentlichen Protokollverlesung war eine aktuelle Prozessberichterstattung zulässig. Der BGH stellt damit klar, dass über öffentlich gewordene Verfahrensinhalte grundsätzlich auch über intime Details und über den Gerichtssaal hinaus berichtet werden darf. Kachelmann erwägt nun einen Gang vors Bundesverfassungsgericht.

Unschuldsvermutung geht vor

Auf der anderen Seite hat der BGH aber auch die Grenzen der Verdachtsberichterstattung betont. Aufgrund der Unschuldsvermutung sei dem Betroffenen immer erst Gelegenheit zur konkreten Stellungnahme zu geben und ein Mindestbestand an Beweistatsachen zu recherchieren. Die zur Last gelegte Tat muss von einiger Schwere sein, was im Übrigen auch Auswirkung auf die notwendige Recherchearbeit hat. Über die Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung entscheidet außerdem, inwieweit der Betroffene selbst die Öffentlichkeit sucht. Neugier und Sensationslust allein können demnach eine Berichterstattung nicht rechtfertigen. Der Verdacht muss im Bericht stets klar erkennbar sein, sodass eine Vorverurteilung verboten ist. Neben belastenden sind in jedem Fall auch entlastende Umstände zu nennen.

(BGH, Urteil v. 19.03.2013, Az.: VI ZR 93/12)

(GUE)

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