Kaskoschaden: Zusage vom Versicherungsvertreter – Muss die Versicherung zahlen?

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Ein Unfall ist schnell passiert und der Ärger groß. Gut, wer eine Kaskoversicherung hat. Doch was, wenn der Schaden eigentlich von der Versicherung ausgeschlossen ist, der Versicherungsvertreter aber trotzdem eine Leistungszusage macht? Viele Versicherungsnehmer wiegen sich dann in falscher Sicherheit. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Saarbrücken zeigt, dass auf solche Zusagen nicht immer Verlass ist und wann eine Versicherung trotz anfänglich positiver Signale die Zahlung verweigern darf.

Der Fall: Totalschaden auf der Rennstrecke trotz vermeintlicher Zusage

Im konkreten Fall (OLG Saarbrücken, Urt. v. 12.02.2025 - 5 U 119/23) ging es um einen Vollkaskoschaden an einem geleasten BMW M2. Der Sohn des Geschäftsführers der klagenden Firma verursachte bei einer sogenannten "Touristenfahrt" auf der Nordschleife des Nürburgrings einen Totalschaden. Brisant: Der Geschäftsführer hatte noch am Unfalltag, aber bevor er den konkreten Schaden meldete, per E-Mail bei seinem Versicherungsagenten angefragt, ob eine Touristenfahrt auf dem Nürburgring vollkaskoversichert sei. Die Antwort des Agenten kam prompt per E-Mail: „Ja ist versichert“. Erst danach meldete der Geschäftsführer den Unfall. Später teilte der Agent noch mit, eine Kollegin werde den Schaden bearbeiten und abrechnen, sobald alle Unterlagen vorlägen. Die Versicherung beauftragte auch einen Gutachter. Trotzdem lehnte die Versicherung die Regulierung schließlich ab und berief sich auf eine Klausel in ihren Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB), genauer A.2.16.2 AKB. Diese schloss den Versicherungsschutz für Fahrten auf Motor-Rennstrecken aus, selbst wenn es nicht um das Erzielen einer Höchstgeschwindigkeit geht, wie bei Touristenfahrten.

Die Tücke der Ausschlussklauseln

Versicherungsverträge, insbesondere die AKB, enthalten oft sogenannte Risikoausschlüsse. Das bedeutet: Für bestimmte, genau definierte Situationen oder Schäden besteht von vornherein kein Versicherungsschutz. Im oben genannten Fall war dies die Teilnahme an Fahrten auf Rennstrecken. Das OLG Saarbrücken bestätigte erneut, dass solche Ausschlussklauseln grundsätzlich wirksam sind. Für Versicherungsnehmer ist es daher wichtig, die eigenen Vertragsbedingungen genau zu kennen.

Wann ist die Zusage eines Vertreters bindend? Das "deklaratorische Schuldanerkenntnis"

Die Kernfrage des Rechtsstreits war, ob die Versicherung durch die Aussagen ihres Agenten an eine Leistungszusage gebunden war. Juristisch spricht man hier von einem möglichen deklaratorischen Schuldanerkenntnis. Ein solches Anerkenntnis ist ein Vertrag, durch den eine bestehende Schuld oder ein Anspruch zwischen den Parteien außer Streit gestellt und endgültig festgelegt wird. Es schafft zwar keine neue, unabhängige Verpflichtung, erschwert es dem Schuldner aber, später noch Einwände gegen den Grund oder die Höhe des Anspruchs zu erheben.

Das OLG Saarbrücken stellte jedoch klar: Nicht jede Aussage eines Versicherungsmitarbeiters ist sofort ein solch bindendes Schuldanerkenntnis. Die Voraussetzungen sind streng:

  1. Es muss bereits Streit oder zumindest Ungewissheit über den Anspruch (also ob und in welcher Höhe die Versicherung zahlen muss) zwischen den Parteien bestanden haben.
  2. Die Erklärung muss erkennbar zu dem Zweck abgegeben worden sein, diesen Streit oder diese Ungewissheit auszuräumen und den Anspruch (oder einen Teil davon) endgültig festzulegen.

Die Entscheidung des OLG Saarbrücken im Detail:

Das Gericht verneinte im konkreten Fall ein bindendes Schuldanerkenntnis durch die Aussagen des Agenten oder das Verhalten der Versicherung. Die Begründung liefert wichtige Fingerzeige für Versicherungsnehmer:

  • Allgemeine Auskunft ist kein Anerkenntnis: Die E-Mail-Antwort des Agenten „Ja ist versichert“ wertete das Gericht nicht als bindende Zusage für den konkreten Schadensfall. Die Anfrage des Geschäftsführers sei eine allgemeine Frage zum Vertragsinhalt gewesen, ohne Bezug auf den bereits geschehenen, aber dem Agenten gegenüber noch nicht gemeldeten Unfall. Selbst wenn der Agent von dem Unfall gewusst hätte, wäre die (falsche) Auskunft allein noch kein Schuldanerkenntnis gewesen, da zu diesem Zeitpunkt noch kein Streit oder keine Ungewissheit über die Regulierung bestand, die hätte beigelegt werden sollen.
  • Schadensbearbeitung ist kein Anerkenntnis: Auch die spätere Mitteilung des Agenten, der Schaden werde nun bearbeitet und abgerechnet, war laut Gericht keine rechtsgeschäftliche Erklärung, die die Versicherung bindet. Es handelte sich um eine bloße Information über den Bearbeitungsstand, die zudem darauf verwies, dass eine andere Kollegin entscheiden würde. Solche Mitteilungen können zwar Hoffnungen wecken, begründen aber für sich allein kein Anerkenntnis.
  • Gutachterbeauftragung ist kein Anerkenntnis: Dass die Versicherung einen Sachverständigen zur Begutachtung des Schadens einschaltete, bedeutete ebenfalls nicht, dass sie ihre Leistungspflicht anerkannte. Die Beauftragung eines Gutachters dient der Feststellung der Schadenshöhe und der Beweissicherung und ist ein normaler Schritt in der Schadensregulierung, der oft erfolgt, bevor die Deckungsfrage abschließend geprüft ist.

Das Gericht machte deutlich: Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis setzt voraus, dass aus Sicht des Versicherungsnehmers ein Anlass bestand, einen Streit oder eine Ungewissheit durch eine solche Erklärung der Versicherung beizulegen. Solange aber – wie hier aus Sicht des Klägers, der von einer Deckung ausging – gar kein Streitpunkt ersichtlich war, konnten die Mitteilungen des Agenten oder der Versicherung nicht als bindendes Anerkenntnis verstanden werden.

Was bedeutet das für Sie als Versicherungsnehmer?

  • Vorsicht bei mündlichen oder informellen Zusagen: Verlassen Sie sich nicht blind auf jede Aussage eines Versicherungsvertreters, vor allem wenn es um Schäden geht, die möglicherweise von vornherein ausgeschlossen sind.
  • Vertragsbedingungen lesen: Werfen Sie einen Blick in Ihre Versicherungsbedingungen (AKB), um die wichtigsten Ausschlüsse zu kennen.
  • Schriftlichkeit suchen: Bitten Sie bei wichtigen Zusagen, die vom Vertragstext abweichen könnten, um eine schriftliche Bestätigung direkt von der Versicherungsgesellschaft, nicht nur vom Agenten.
  • Keine voreiligen Schlüsse: Die Tatsache, dass die Versicherung einen Schaden aufnimmt, einen Gutachter schickt oder Bearbeitungsschritte mitteilt, bedeutet nicht automatisch, dass sie auch zahlen wird. Die endgültige Entscheidung über die Deckungspflicht erfolgt oft erst nach umfassender Prüfung.

Fazit und Handlungsempfehlung

Die Aussagen eines Versicherungsagenten oder erste Schritte der Versicherung im Schadensfall können trügerisch sein. Ein echtes, bindendes Schuldanerkenntnis liegt nur unter engen Voraussetzungen vor. Besteht ein klarer Risikoausschluss in Ihrem Vertrag, kann sich die Versicherung auch dann darauf berufen, wenn ein Mitarbeiter zunächst eine andere Auskunft gegeben hat.

Sollte Ihre Versicherung eine Leistung ablehnen, obwohl Sie von einer Deckung ausgegangen sind, oder wenn die Begründung für Sie nicht nachvollziehbar ist, empfiehlt es sich, anwaltlichen Rat einzuholen. Insbesondere bei komplexen Sachverhalten oder wenn es um hohe Summen geht, kann eine rechtliche Prüfung Klarheit schaffen.

Bei versicherungsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere wenn es um die Auslegung von Vertragsklauseln oder die Bindungswirkung von Zusagen geht, steht Ihnen Rechtsanwalt Wolfgang Benedikt-Jansen als Fachanwalt für Versicherungsrecht gerne mit seiner Expertise zur Seite und ist Ihnen bei der Lösung von Problemen behilflich.


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