Keine Verspätung terminvorbereitender Schriftsätze 11 Tage vor Termin?

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Wer den Prozess nicht fördert, missachtet Gegner und Gericht. Es mag zwar manchmal die Frage sein, ob die ggf. arbeitsüberlasteten Richter in der Justiz tatsächlich objektiv die Gelegenheit besitzen alle Schriftsätze zur Kenntnis zu nehmen, die die Parteien einreichen. 

Dennoch trifft die Parteien die gesetzliche Verpflichtung nicht zu spät vorzutragen. Der erste Termin zur Hauptverhandlung dient in einem Klageverfahren regelmäßig der Orientierung der Parteien einschließlich der Möglichkeit ggf. den Rechtstreit einer gütlichen Einigung zu zuführen. Manchmal überrascht gar die ein oder andere Kammer, zeitgleich Termin zur Beweisaufnahme anzuberaumen. Dann sollte man allerdings die „7 Sachen“ beisammen haben. Was das heißt? Beweisantritte und neue Tatsachen sollen einen ausreichenden Zeitraum vor dem Termin der Gegenseite und dem Gericht bekannt gegeben werden.

Hierbei spielt dann auch die Rechtsvorschrift des § 132 ZPO eine grundlegende Rolle. Dieser sieht eine Wochenfrist vor, allerdings nicht für die Einreichung, sondern für die Zustellung an die Gegenseite.

Da der Zeitpunkt der Zustellung ab der Einreichung bei Gericht ungewiss ist und von der Auslastung der Kammer abhängt, kann wenig präzise gerechnet werden.

Orientierung aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung? – Selbstverständlich. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30.03.2006, Aktenzeichen:  VII ZR 139/05 stellt aus unserer Sicht jedenfalls eine Orientierungsmöglichkeit dar.

Selbst bei einem Hinweis des erkennenden Gerichts bleiben danach voraussichtlich 11 Tage? – Oder auch weniger.

Wir erlauben uns aus den Entscheidungsgründen, abrufbar unter

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=36362&pos=0&anz=1

wie folgt zu zitieren:

„1. Verfehlt ist die Erwägung des Berufungsgerichts, die Nichteinhaltung der Wochenfrist des § 132 Abs. 1 ZPO rechtfertige die Zurückweisung des Vorbringens aus diesem Schriftsatz. Die bloße Nichteinhaltung dieser Frist genügt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht, um Angriffsmittel nach §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen (BGH, Urteil vom 20. März 1997 - VII ZR 205/96, Baurecht 1997, 693 = ZfBR 1997, 200 = NJW 1997, 2294; Urteil vom 28. September 1988 - IVa ZR 88/87, NJW 1989, 716 = MDR 1989, 49).

2. Zudem hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht grob nachlässig gehandelt.

Grob nachlässig im Sinne des § 296 Abs. 2 ZPO handelt die Partei, wenn sie ihre Prozessförderungspflicht in besonders hohem Maße vernachlässigt, also dasjenige unterlässt, was jeder Partei nach dem Stand des Verfahrens alles notwendig hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 20. März 1997 - VII ZR 205/96, aaO). Unter Berücksichtigung des Verhaltens des Gerichts, das auch bei der Beurteilung der groben Nachlässigkeit zu beachten ist, kann von grober Nachlässigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers keine Rede sein. Der Kläger hat nach Hinweis des Berufungsgerichts vom 24. November 2004 mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2004 zu den ersparten Aufwendungen vorgetragen und diesen Vortrag nach Erwiderung des Gegners mit weiterem Schriftsatz vom 3. Februar 2005 erläutert. Im weiteren Beschluss des Berufungsgerichts vom 3. Februar 2005 wird unter Nr. IV. 3 ausgeführt, der Kläger habe nunmehr seine Kalkulationsgrundlage für die von ihm angesetzten ersparten Aufwendungen hinreichend dargelegt. Im Widerspruch hierzu hat das Berufungsgericht in der Verfügung (des Vorsitzenden) vom 24. März 2005 darauf hingewiesen, dass der Vortrag zu den ersparten Aufwendungen nicht ausreichend ist und ergänzenden Vortrag "anheim gestellt" der "allerdings auch rechtzeitig erfolgen müsste". Auf diese Verfügung, die ausweislich der Akten am 29. März 2005 ausgefertigt wurde und die daher der Prozessbevollmächtigten des Klägers frühestens am 30. März 2005 zugehen konnte, hat diese mit Schriftsatz vom 9. April 2005, eingegangen bei Gericht am 11. April 2005 Stellung genommen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers auch Rücksprache mit ihrem Mandanten halten musste, ist nicht erkennbar, worin deren grobe Nachlässigkeit liegen soll.“

MJH Rechtsanwälte meint: Ist kein richterlicher Hinweis ergangen, sollte diese Entscheidung jedenfalls erst Recht gelten. In Zeiten, in welchen sich häufig arbeitsüberlastete Rechtsanwälte arbeitsüberlasteten Gericht gegenüber stehen, weil einerseits die Anzahl der Rechtstreitigkeiten zunimmt, ebenso die Anzahl der zugelassenen Rechtsanwälte.

Andererseits meint die Regierung, sich ggf. den stolzen Anstrich geben zu müssen, ggf. vakant gewordene Richterstellen nicht neu besetzen zu müssen und prästentiert dem Steuerbürger eine „stolze Sparpolitik“ – ein interessantes Spannungsfeld. Richterliches Gehör benötigen der rechtssuchende Bürger und der ihn vertretende Rechtsanwalt.

Ggf. ermöglicht die ZPO ja wenigstens eine Entlastung der Geschäftsstellen?

Ich wünsche jeder Partei und jedem Gericht und erst Recht jedem Berufskollegen ausreichend Gelegenheit zum Vortrag zu erhalten. Alleine die misslungene Rechtsvorschrift des § 522 ZPO stellte bereits eine Abkehr der angemessenen Ausprägung in unserem Rechtsystem dar, umso mehr das rechtliche Gehör in erster Instanz gewährt werden sollte.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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