KI und Haftung: Rechtliche Risiken für deutsche Unternehmen bei autonomen Systemen

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Die Nutzung autonomer KI-Systeme – von Lieferrobotern über KI-gesteuerte Produktionsanlagen bis hin zu selbstfahrenden Fahrzeugen – nimmt 2025 rasant zu. Diese Technologien versprechen Effizienz und Innovation, doch wer haftet, wenn etwas schiefgeht? Deutsche Unternehmen stehen vor neuen, komplexen rechtlichen Risiken, die sowohl nationale als auch europäische Vorschriften betreffen. Dieser Beitrag beleuchtet die Haftungsfragen umfassend, analysiert die Herausforderungen und bietet detaillierte Strategien, um sich rechtlich und finanziell abzusichern.

Rechtlicher Rahmen: Haftung und KI im deutschen und europäischen Kontext

In Deutschland greift das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG), wenn Schäden durch fehlerhafte KI-Systeme entstehen. Nach § 1 ProdHaftG haftet der Hersteller für Schäden, die durch einen Produktfehler verursacht werden – dazu zählen auch KI-basierte Systeme, die als Produkte gelten. Die Beweislast liegt jedoch oft beim Unternehmen: Es muss nachweisen, dass alle Sorgfaltspflichten erfüllt wurden, um nicht haftbar zu sein. Dies kann bei komplexen KI-Systemen schwierig sein, da Fehlerquellen – z.B. in Algorithmen oder Trainingsdaten – schwer nachzuvollziehen sind.

Der EU AI Act, seit 2025 in Kraft, ergänzt das nationale Recht und führt strengere Vorgaben ein. Hochrisiko-KI-Systeme, wie sie in der Produktion, Logistik oder im Gesundheitswesen eingesetzt werden, unterliegen besonderen Sorgfaltspflichten: Dazu gehören Risikobewertungen, Dokumentationen und die Sicherstellung menschlicher Aufsicht. Verstöße gegen den AI Act können erhebliche Bußgelder nach sich ziehen – bis zu 6 % des globalen Jahresumsatzes oder 30 Millionen Euro, je nachdem, welcher Betrag höher ist. Zudem droht zivilrechtliche Haftung bei Schäden, z.B. wenn ein autonomer Lieferroboter einen Unfall verursacht oder eine KI-gesteuerte Maschine Produktionsfehler mit schwerwiegenden Folgen erzeugt.

Auf europäischer Ebene plant die EU mit der AI Liability Directive, die 2025 in Diskussion ist, die Haftungsregeln weiter zu vereinheitlichen. Diese Richtlinie soll die Beweislast in bestimmten Fällen umkehren, sodass Betreiber von KI-Systemen leichter haftbar gemacht werden können, wenn Schäden nachweislich durch die KI entstanden sind. Für deutsche Unternehmen bedeutet dies: Eine klare Zuordnung der Verantwortung – zwischen Entwicklern, Betreibern und Herstellern – wird noch wichtiger, um Haftungsstreitigkeiten zu vermeiden.

Herausforderungen: Beweislast, Transparenz und internationale Unterschiede

Die Haftung für autonome KI-Systeme bringt zahlreiche Hürden mit sich. Erstens ist die Beweislast eine zentrale Herausforderung: Wer ist verantwortlich, wenn ein Schaden auftritt – der Entwickler, der die KI programmiert hat, der Betreiber, der sie einsetzt, oder der Hersteller, der sie integriert hat? In der Praxis ist dies oft schwer zu klären. Ein Beispiel aus der Produktion: Wenn eine KI-gesteuerte Maschine fehlerhafte Teile produziert, die später Schäden verursachen, könnte der Fehler in den Trainingsdaten, der Software oder der Bedienung liegen. Die Zuordnung der Verantwortung erfordert detaillierte Untersuchungen, die zeit- und kostenintensiv sind.

Zweitens fehlt oft Transparenz, was die Klärung von Haftungsstreitigkeiten erschwert. Viele KI-Systeme funktionieren als sogenannte „Black Boxes“ – ihre Entscheidungsprozesse sind selbst für Experten kaum nachvollziehbar. Wenn ein autonomes System einen Schaden verursacht, ist es schwierig zu beweisen, warum eine bestimmte Entscheidung getroffen wurde. Dies führt zu rechtlichen Grauzonen: Gerichte verlangen Nachweise, die Unternehmen oft nicht liefern können, was ihre Haftung erhöht.

Drittens drohen hohe Schadensersatzforderungen, insbesondere bei Personenschäden. Ein Beispiel: Ein autonomer Lieferroboter, der Fußgänger gefährdet, könnte zu Ansprüchen in Millionenhöhe führen. Neben den direkten Kosten kommen auch indirekte Schäden hinzu – etwa Produktionsausfälle, Rückrufaktionen oder Vertragsstrafen. Praktische Beobachtungen zeigen: Unternehmen, die keine klare Haftungsstrategie verfolgen, riskieren nicht nur hohe finanzielle Verluste, sondern auch erhebliche Reputationsschäden, die langfristig ihre Marktposition schwächen können.

Ein weiterer Aspekt ist der internationale Kontext. Deutsche Unternehmen, die KI-Systeme global einsetzen oder verkaufen, stoßen auf unterschiedliche Haftungsstandards. In der EU sind die Vorschriften streng, während Länder wie die USA oder China oft weniger detaillierte Regeln haben. Dies führt zu Konflikten: Ein KI-System, das in Deutschland den AI-Act-Standards entspricht, könnte in einem Drittland Haftungsstreitigkeiten auslösen, wenn dort andere Anforderungen gelten. Für Unternehmen, die in globalen Lieferketten agieren – z.B. in der Automobilindustrie oder Logistik – ist eine internationale Abstimmung daher unerlässlich.

Sektor-spezifische Risiken: Wo die Gefahr besonders groß ist

Die Haftungsrisiken variieren je nach Branche. In der Logistik, wo Lieferroboter und Drohnen zunehmend eingesetzt werden, sind Unfälle mit Dritten ein großes Thema. Ein Roboter, der in einer Fußgängerzone kollidiert, könnte nicht nur Personenschäden verursachen, sondern auch die öffentliche Wahrnehmung des Unternehmens beeinträchtigen. Zudem drohen Haftungsstreitigkeiten mit Versicherungen, die die Verantwortung auf den Betreiber abwälzen könnten.

In der Industrie, insbesondere bei KI-gesteuerten Produktionsanlagen, sind Produktionsfehler ein zentrales Risiko. Wenn eine KI falsche Entscheidungen trifft – z.B. bei der Qualitätskontrolle – können fehlerhafte Produkte auf den Markt gelangen, was Rückrufe, Schadensersatzforderungen und Vertragsstrafen nach sich zieht. Ein weiteres Problem ist die Interaktion mit menschlichen Arbeitern: Wenn eine KI-Anlage Sicherheitsvorkehrungen übersieht, können Arbeitsunfälle entstehen, für die das Unternehmen haftbar gemacht wird.

Im Gesundheitswesen, wo KI zunehmend in der Diagnostik eingesetzt wird, sind die Risiken besonders gravierend. Eine falsche Diagnose durch ein KI-System könnte zu Behandlungsfehlern führen, die Patienten schädigen. Kliniken und Hersteller könnten gemeinsam haftbar gemacht werden, was die Haftungsstreitigkeiten komplexer macht. Zudem greift hier die DSGVO: Patientendaten, die in KI-Systemen verarbeitet werden, müssen streng geschützt werden, da Verstöße zusätzliche Bußgelder nach sich ziehen.

Praktische Lösungen: Haftungsrisiken umfassend minimieren

Um die Haftungsrisiken bei autonomen KI-Systemen zu managen, sollten deutsche Unternehmen einen mehrschichtigen Ansatz verfolgen:

  1. Sorgfaltspflichten erfüllen: Die Anforderungen des EU AI Acts konsequent umsetzen. Dazu gehören detaillierte Risikobewertungen vor der Inbetriebnahme, um potenzielle Gefahren zu identifizieren, sowie umfassende Dokumentationen, die im Falle eines Schadens als Nachweis dienen können. Regelmäßige Audits sollten sicherstellen, dass die Systeme den Standards entsprechen.
  2. Spezialisierte Versicherungen: Unternehmen sollten spezielle KI-Haftpflichtversicherungen abschließen, die Schäden durch autonome Systeme abdecken. Diese Versicherungen können individuell angepasst werden, z.B. für Personenschäden, Sachschäden oder Produktionsausfälle. Es ist ratsam, mit Versicherern zusammenzuarbeiten, die Erfahrung mit KI-Risiken haben, um Lücken in der Deckung zu vermeiden.
  3. Transparenz durch Explainable AI: Nachvollziehbare KI-Systeme einsetzen, sogenannte Explainable AI, die Entscheidungsprozesse dokumentieren und verständlich machen. Dies hilft nicht nur bei der Klärung von Haftungsstreitigkeiten, sondern stärkt auch das Vertrauen von Kunden und Partnern. Beispielsweise sollten Entscheidungen eines Lieferroboters – wie die Wahl einer Route – nachvollziehbar protokolliert werden.
  4. Vertragliche Absicherung: Haftung in Verträgen mit Lieferanten, Entwicklern und Partnern klar regeln. Dies umfasst Haftungsgrenzen, Verantwortlichkeiten bei Fehlern und Vereinbarungen zur Schadensregulierung. Internationale Verträge sollten zudem den Gerichtsstand und das anwendbare Recht festlegen, um Streitigkeiten in der EU zu klären.
  5. Schulungen und Sensibilisierung: Mitarbeiter umfassend schulen, um Risiken zu minimieren. Schulungen sollten nicht nur den sicheren Einsatz von KI-Systemen abdecken, sondern auch rechtliche Aspekte – z.B. die Sorgfaltspflichten nach dem AI Act – sowie den Umgang mit potenziellen Fehlern. Regelmäßige Trainings und Simulationen können helfen, Notfälle wie Systemausfälle oder Unfälle vorzubereiten.
  6. Notfallpläne: Klare Protokolle für den Fall von Schäden entwickeln. Dazu gehört ein Krisenmanagementplan, der festlegt, wie bei einem Vorfall reagiert wird – von der Schadensmeldung bis zur Kommunikation mit Behörden und Betroffenen. Solche Pläne können die Haftungsfolgen minimieren und die Reaktionszeit verkürzen.
  7. Internationale Abstimmung: Für Unternehmen, die global agieren, ist eine Abstimmung mit internationalen Standards wichtig. Dies umfasst die Prüfung lokaler Haftungsregelungen in Zielmärkten und die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern, um Konflikte mit EU-Vorschriften zu vermeiden.

Langfristige Strategien: Haftung als Wettbewerbsvorteil

Haftungsmanagement bei KI-Systemen sollte nicht nur als Pflicht, sondern als Chance gesehen werden. Unternehmen, die transparente, sichere und rechtlich abgesicherte KI-Systeme entwickeln, können sich von Wettbewerbern abheben. Dies ist besonders in Branchen wie der Logistik oder Industrie relevant, wo Kunden und Partner zunehmend Wert auf Zuverlässigkeit und Rechtssicherheit legen. Eine proaktive Haftungsstrategie kann zudem die Kosten für Versicherungen senken, da Versicherer Unternehmen mit geringeren Risiken bevorzugen.

Ihr Weg zur Sicherheit

Autonome KI-Systeme bieten immense Chancen, doch die Haftungsrisiken erfordern 2025 eine sorgfältige und umfassende Planung. Mit den richtigen Maßnahmen können deutsche Unternehmen Bußgelder, Schadensersatzforderungen, Produktionsausfälle und Reputationsverluste vermeiden. Kontaktieren Sie mich gern, um maßgeschneiderte Lösungen für Ihre Haftungsstrategie zu entwickeln und Ihr Unternehmen zu schützen!

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Foto(s): Igor Omilaev @ Unsplash


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