Einsatz von KI in Anwaltskanzleien: So erleichtert künstliche Intelligenz Ihre Arbeit

  • 9 Minuten Lesezeit
Einsatz von KI in Anwaltskanzleien: So erleichtert künstliche Intelligenz Ihre Arbeit

Auch wenn künstliche Intelligenz (KI) schon lange in unserem Alltag präsent ist – etwa in Navigationsgeräten oder der bekannten Sprachassistentin Alexa –, ist der Einsatz von KI erst mit ChatGPT und Google Gemini im Jahr 2023 zu einem Thema geworden, an dem niemand mehr vorbeikommt. Vereinfacht gesagt kann künstliche Intelligenz Aufgaben übernehmen, die normalerweise menschliches Denken erfordern. KI ist intelligent in dem Sinne, dass sie Muster erkennen und Aussagen auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten treffen kann. 

Vielleicht haben Sie in Ihrer Kanzlei – wie viele Unternehmen – bereits mit KI experimentiert, sie aber noch nicht systematisch eingesetzt. Nach heutigem Stand kann KI Anwälte nicht ersetzen, denn sie kann keine komplexen Zusammenhänge gegeneinander abwägen, keine ethischen Überlegungen anstellen oder Ermessensspielräume erkennen.  

Bei zeitraubenden Aufgaben wie der Durchsicht großer Aktenmengen oder der Übersetzung und Zusammenfassung von Urteilen kann KI aber eine große Hilfe im Kanzleialltag sein und Anwälte entlasten. In diesem Ratgeber erfahren Sie, wie Sie vom Einsatz von KI in Ihrer Kanzlei profitieren und warum Ihnen die Technologie Wettbewerbsvorteile gegenüber Kanzleien verschafft, die künstliche Intelligenz nicht für sich nutzen.  

Mandantenakquise mit KI: Der Chatbot als Gesprächspartner

Der Tag hat nur 24 Stunden, doch eine KI schläft nicht. Da Ratsuchende hohe Erwartungen an die Reaktionszeit von Anwälten haben, setzen einige Kanzleien bereits Chatbots ein, die Anfragen von Ratsuchenden und potenziellen Mandanten rund um die Uhr beantworten. So müssen diese nicht warten, sondern erhalten bereits im „Gespräch“ mit dem digitalen Assistenten erste Antworten und wichtige Informationen. Der Bot kann das Rechtsproblem vorab sondieren, Daten oder Fristen abfragen und Dokumente anfordern, die für die weitere Fallbearbeitung relevant sind. So kann ein Chatbot die Mandantenbindung stärken, indem er Ratsuchende auf Ihrer Kanzleiseite hält und ihre Zufriedenheit erhöht. Die Datenerfassung durch den Chatbot spart Anwälten später wertvolle Zeit bei der Mandatsannahme.  

Chatbots können auch eingesetzt werden, um genauer zu analysieren, mit welchen Anliegen Ratsuchende Ihre Kanzlei kontaktieren. So können Sie Ihre Rechtsdienstleistungen unter Umständen besser auf Ihre Zielgruppe ausrichten. Wenden sich Ratsuchende mit Anfragen an die Kanzlei, die Sie nicht bearbeiten wollen oder können, kann ein Chatbot dies kommunizieren. So filtern Sie wertvolle Mandate heraus und investieren nicht unnötig Zeit in für Sie unrentable Anfragen. Andererseits wird der Ratsuchende nicht unnötig vertröstet und kann sich direkt anderweitig Hilfe suchen. Der Chatbot von JUPUS beispielsweise spricht den Websitebesucher aktiv an und erkennt selbstständig dessen rechtliche Problematik. 

Beispiele für KI-Tools: JUPUS, Advobot

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Künstliche Intelligenz: Versiert im Umgang mit Texten

Juristen legen jedes Wort auf die Goldwaage – zu Recht, denn im Anwaltsberuf geht es um die genaue und gewissenhafte Auslegung von Texten. Davon bearbeiten Anwälte täglich so viele, dass sie schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Auch hier hilft KI, denn mittlerweile gibt es viele Programme, die riesige Textmengen in kürzester Zeit lesen und analysieren können. KI-Textprogramme können Sie zum Beispiel nutzen, um Ihren Mandanten über den Ausgang des Verfahrens zu informieren, indem Sie das Urteil von der KI leicht verständlich zusammenfassen lassen.  

Der JURA KI Assistent von RA-MICRO beispielsweise eignet sich dafür: Er anonymisiert Texte automatisch, sodass Sie sie anschließend mit KI-Modellen wie ChatGPT weiterverarbeiten können. Dabei ist er DSGVO- und berufsrechtskonform. Der JURA KI Assistent kann unter anderem Zusammenfassungen, Gegendarstellungen, Klagen, juristische Begründungen oder Berufungen erstellen. Im Text zitierte Gesetze und Urteile werden verifiziert und die Quellen verlinkt. 

Mit NAIX z. B. können Sie große Dokumentenmengen in englischer und deutscher Sprache automatisch anonymisieren lassen. Das Programm schwärzt sensible Daten und läuft nur lokal auf dem Server des Anwenders.  

Beispiele für KI-Tools: JURA KI Assistent, NAIX, Consultimator 

Verträge 

KI ist bereits sehr gut darin, Verträge oder Vertragsbestandteile zu erstellen oder zu analysieren. In kürzester Zeit kann eine KI Verträge auf unwirksame Klauseln prüfen oder die wichtigsten Inhalte extrahieren. Anbieter wie etwa Clever Contracts machen es einfach, eigene Verträge zu erstellen, zu verwalten oder aus einer Datenbank ein vorgefertigtes passendes Vertragsmuster auszuwählen. Die Verträge können online in der Cloud unterschrieben und sofort verschickt werden. 

Beispiele für KI-Tools: Clever Contracts, IntraFind 

Übersetzungen

Um Urteile, Verträge oder Gesetzestexte in verschiedene Sprachen zu übersetzen, mussten Anwälte bislang auf Agenturen zurückgreifen oder – bei vorhandenen Sprachkenntnissen – die Übersetzung selbst anfertigen. Das kostete Geld oder Zeit – Ressourcen, die durch den Einsatz eines KI-Übersetzers eingespart oder anderweitig investiert werden können. Die KI-basierte Übersetzungssoftware DeepL aus Deutschland kann Texte und sogar Gespräche in derzeit 32 Sprachen übersetzen. DeepL übersetzt dabei den Text in Echtzeit, nicht nur auf Wortebene, sondern unter Berücksichtigung des Kontexts. DeepL kann in der Bezahlversion in andere Anwendungen wie Kanzleisoftware integriert werden und ist DSGVO-konform. 

KI: Profi im Kanzleimarketing 

Beim Kanzleimarketing geht es darum, am Ball zu bleiben: Um als Anwalt und Kanzlei online präsent zu sein, sollten Sie sich regelmäßig an Ratsuchende und potenzielle Mandanten wenden – mit hilfreichen Inhalten zu allem, was Ihre Zielgruppe bewegt. Seien Sie breit aufgestellt und veröffentlichen Sie Beiträge in unterschiedlichen Formen: Als Rechtstipp auf anwalt.de, als Blogbeitrag auf Ihrer Website oder als Post auf Ihren Social-Media-Kanälen

In Ihrem anwalt.de-Profil der Stufe Gold haben Sie die Möglichkeit, sich beim Verfassen von Rechtstipps von KI unterstützen zu lassen: Erstellen Sie mit nur einem Klick eine Zusammenfassung Ihres Rechtstipps, damit Leser die wichtigen Informationen auf einen Blick erhalten. Diese KI-Funktion können Sie auch für bereits veröffentlichte Rechtstipps nutzen. Erfahren Sie, wie Sie die KI-Zusammenfassung optimal einsetzen! 

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Als Anwalt und Marketer in Personalunion kümmern Sie sich um alles selbst? Es gibt eine Reihe von KI-Anwendungen, die Sie bei Ihrem Kanzleimarketing unterstützen. Der deutsche Anbieter Neuroflash zum Beispiel bietet die Möglichkeit, eine Persönlichkeit für sich oder die eigene Kanzlei anzulegen, sodass die KI in allen Marketingtexten eine einheitliche Tonalität beibehält. 

Wie Sie die Sprache der KI sprechen und der künstlichen Intelligenz die richtigen Anweisungen – Prompts genannt – geben, lesen Sie im Interview mit der Geschäftsführerin des Legal Tech Verbands Deutschland, Valerie Keilhau

Wissensmanagement und Recherche: KI hat den Durchblick

Die Suche nach relevanten Informationen in Datenbanken, Akten und anderen Dokumenten nimmt im Kanzleialltag viel Zeit in Anspruch. Für Anwälte ist es jedoch nicht nur wichtig, Informationen zu finden, sondern diese auch zentral und dauerhaft zu verwalten und zu archivieren. Zu einem guten Wissensmanagement gehört nicht zuletzt, dass die Daten und das gesammelte Wissen nicht nur bei einer Person liegen, sondern dass auch andere Mitarbeiter damit effizient arbeiten können. Es wird immer mehr zu einer Herausforderung, mit den enormen Datenmengen effizient zu arbeiten und Zusammenhänge herzustellen. Erfreulicherweise ist die KI in diesem Bereich besonders leistungsfähig, da sie für das Durchforsten und Analysieren riesiger Datenmengen bestens geeignet ist.  

Das Programm Juristische Textanalyse von DATEV zum Beispiel untersucht Texte nach Suchparametern, die Sie vorher individuell definieren können. Das Tool vereint alles an einem Ort: Durch die Anbindung an Datenbanken recherchieren Sie Urteile und Fundstellen oder strukturieren und bearbeiten Ihre Fallakten. Inserve wiederum eignet sich beispielsweise besonders für Massenverfahren, da es KI-gestützt große Dokumentenbestände analysiert. Das Programm extrahiert automatisiert Daten aus Dokumenten, wertet sie aus und bereitet sie gerichtsfest auf.  

„Das hatten wir doch schon mal irgendwann!“ Kommt Ihnen das bekannt vor? Kanzleiinternes Wissensmanagement mithilfe von KI hat den Vorteil, dass Informationen über verschiedene Programme und Dokumente hinweg auffindbar sind. Mit dem intelligenten Assistenten wie z. B. METHODIGY behalten Sie den Überblick: Sie können Relationen zwischen E-Akten festlegen und Akteninformationen systematisch strukturieren. Es wurde speziell für die juristische Arbeit entwickelt, damit Sie relevante Akteninhalte wie Schriftsatzpassagen in Ihren digitalen Datenbeständen schnell wiederfinden.  

Auch im Bereich Legal Analytics, der statistischen Datenauswertung, wird KI eingesetzt, um Muster in der Rechtsprechung zu erkennen. So können Kanzleien datengestützt eine Strategie entwickeln oder die Erfolgsaussichten eines Falles besser einschätzen. Auf Plattformen wie iur.crowd können Anwälte Gerichtsentscheidungen anonymisiert teilen und analysieren. So erhalten Anwälte wichtige Einblicke in das Entscheidungsverhalten der deutschen Justiz: Wie wurde in der Vergangenheit entschieden? Wie hoch war der durchschnittliche Schadensersatz usw.? 

Beispiele für KI-Tools: Juristische Textanalyse, Inserve, IntraFind, METHODIGY, iur.crowd 

Erfahren Sie mehr zu den Vorteilen der digitalen Kanzlei und informieren Sie sich darüber, wie Sie Kanzleisoftware optimal einsetzen. Wie die Kanzleiorganisation von KI profitieren kann und die Technologie Anwälte entlastet, lesen Sie im Interview mit Dr. Gernot Halbleib

Arbeiten mit KI: Eine Frage der Einstellung?

Sie möchten sich näher mit künstlicher Intelligenz beschäftigen und planen, diese stärker in Ihren Kanzleialltag zu integrieren? Dann sollten Sie bedenken, dass sich durch den Einsatz von KI nicht von heute auf morgen die Arbeit von mehreren Stunden einsparen lässt, auch wenn die Vorstellung verlockend ist.  

Denn zunächst müssen Sie herausfinden, für welche Arbeitsschritte und Prozesse Sie KI in Ihrer Kanzlei einsetzen wollen. Machen Sie daher in einem ersten Schritt eine Bestandsaufnahme Ihrer Kanzleiabläufe und prüfen Sie, bei welchen wiederkehrenden Tätigkeiten Ihnen KI Arbeit abnehmen könnte. So können Sie KI möglichst zielgerichtet und effektiv einsetzen.  

Im zweiten Schritt ist es an der Zeit, sich nach einem geeigneten KI-Tool umzusehen. Da das Angebot groß ist und in Zukunft noch wachsen dürfte, sollten Sie sich ausreichend Zeit nehmen, um den passenden Anbieter zu finden. Stellen Sie sich die Frage, welches Tool Ihre Erwartungen und den geplanten Einsatzzweck am besten erfüllt. Eine sehr gute Übersicht über relevante Anbieter bietet der Legal Tech Verband. KI und die Beschäftigung mit dem Thema können anfangs etwas überwältigend sein. Lassen Sie sich davon nicht abschrecken und bleiben Sie dran. 

Statt an allen Fronten gleichzeitig anzusetzen, ist es besser, KI-Lösungen schrittweise und nacheinander einzuführen. So können Sie leichter überprüfen, ob der Einsatz künstlicher Intelligenz den gewünschten Effekt hat. Wenn Sie sich die Mühe gemacht haben, die passende KI-Lösung für Ihre Kanzlei zu finden und umzusetzen, sollten Sie auch alle anderen Kanzleimitarbeiter im Umgang damit schulen. Sonst verschenken Sie ungenutztes Potenzial. Informieren Sie auch Ratsuchende beziehungsweise Besucher Ihrer Website darüber, dass Sie künstliche Intelligenz (z. B. in Form von Chatbots) einsetzen, und erläutern Sie ihnen die damit verbundenen Vorteile, wie kürzere Antwortzeiten oder eine schnellere Mandatsannahme. 

Risiken von KI

Selbstverständlich gibt es auch Bedenken beim Einsatz von künstlicher Intelligenz: Wer KI in seiner Kanzlei nutzt, muss sicherstellen, dass der Datenschutz eingehalten wird und keine sensiblen Daten preisgegeben werden. Dokumente müssen daher immer anonymisiert werden, bevor sie mit ChatGPT, Gemini und Co. weiterverarbeitet werden. Gerade im Rechtsbereich achten Legal-Tech-Anbieter jedoch darauf, dass die Anwendungen den Vorgaben der DSGVO entsprechen, die eingegebenen Daten ausreichend verschlüsselt und zeitnah wieder gelöscht werden. 

Der Begriff künstliche Intelligenz kann den Eindruck erwecken, dass die Technologie – unbeeinflusst von menschlichen Emotionen – objektiv ist. Das ist falsch, wie das Beispiel ChatGPT zeigt, auch wenn der Chatbot es uns manchmal schwer macht, das zu erkennen. Denn entscheidend für die Ergebnisse der KI sind die Daten und Befehle, mit denen das Modell vorher trainiert wurde. Eine KI ist also nur so gut wie ihre Trainingsdaten. Da Frauen und Minderheiten in diesen unterrepräsentiert sind, werden sie auch von der KI benachteiligt – zum Beispiel bei Bewerbungsverfahren mithilfe von KI. Man sollte außerdem wissen, dass das Sprachmodell auf Grundlage von Wahrscheinlichkeiten antwortet, ChatGPT schätzt also, welches Wort im Kontext am wahrscheinlichsten als Nächstes folgt. Aus diesem Grund sollten KI-generierte Texte vor der Veröffentlichung immer überprüft werden.  

(THH; ZGRA) 

Foto(s): ©Adobe Stock/Flamingo Images

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