Kinderbetreuung weil die Kita geschlossen ist – § 616 BGB als Rettungsanker für Eltern?

  • 2 Minuten Lesezeit

Aufgrund der Corona-Krise sind viele Betreuungseinrichtungen geschlossen. Kann ein Elternteil nicht arbeiten, weil es ein Kind betreuen muss, stellt sich die Frage nach dem Lohn.

§ 616 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ordnet diesbezüglich an, dass der zur Dienstleistung Verpflichtete des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig wird, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.

Bei solchen Formulierungen wird der Anwalt zum Übersetzer. Der Arbeitnehmer behält also seinen Lohn, wenn es ihm für eine gewisse Zeit unmöglich oder unzumutbar ist, zur Arbeit zu gehen.

Da § 616 BGB kein zwingendes Recht ist, empfiehlt sich zunächst ein Blick in den Arbeitsvertrag ggf. in den Tarifvertrag. Findet sich dort keine Regelung, die im Falle des Arbeitsvertrages auch den Regeln über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) entsprechen müsste, stellt sich die Frage, ob die häusliche Betreuung eines Kindes eine Verhinderung i. S. d. § 616 BGB darstellt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dies für die häusliche Pflege naher Angehöriger jedenfalls dann anerkannt, wenn eine anderweitige Versorgung nicht möglich ist. In dem bereits 1980 entschiedenen Fall handelte es sich allerdings um ein erkranktes Kind. Bei einem gesunden Kind, das nur aufgrund der geschlossenen Kita zuhause bleiben muss, wird man die Anforderungen an eine anderweitige Versorgung höher ansetzen müssen. Denkbar wäre z. B. eine abwechselnde Betreuung mehrerer Kinder durch jeweils ein Elternteil. Dies wäre zwar kontraproduktiv im Hinblick auf die Corona-Krise, aber nicht verboten und damit rechtlich in Betracht zu ziehen. Aktuelle Entscheidungen die sich mit diesem Problem auseinandersetzen, gibt es naturgemäß noch nicht.

Ein Verschulden wird regelmäßig nicht vorliegen. Zu klären bleibt aber, was unter einer „nicht erheblichen Zeit“ zu verstehen ist. Nach viel hört sich das ja erst einmal nicht an. Und tatsächlich ist die Lohnfortzahlung  grundsätzlich auch nur für wenige Tage und nur in Ausnahmefällen für mehrere Wochen geschuldet; als absolute Obergrenze  gilt die in § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz EFZG festgelegte 6-Woche-Frist. Sofern es von vornherein um einen längeren Zeitraum geht, ist der Anspruch dann auch noch insgesamt ausgeschlossen. Allerdings löst jeder Verhinderungsfall, der auf einem neuen Grund beruht, die Rechtsfolge des § 616 Abs. 1 BGB abermals aus. Was also gilt bei dem oben beschriebenen Wechselmodell oder wenn sich die Eltern abwechseln? Ist dann auf die andauernde Schließung der Kita oder auf die sich jedes Mal wieder neu ergebende fehlende Betreuungsmöglichkeit abzustellen? Auch diese Frage werden die Gerichte klären müssen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Michael Schamberger

Beiträge zum Thema