Kollision zwischen Motorrad und Auto: Der Motorradfahrer hatte Vorfahrt und trotzdem zu 70 % Schuld

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Rechtsanwältin Maria Eicke informiert zu einem interessanten Urteil des OLG Hamm

Das OLG Hamm hat am 24.06.2016 eine interessante Pressemitteilung veröffentlicht. Es hatte mit Urteil vom 23.02.2016 (Az: 9 U 43/15) entschieden, dass ein bevorrechtigter Motorradfahrer bei einer Kollision mit einem wartepflichtigen Autofahrer zu 70 % haftet.

Was sich zuerst unglaublich anhört, erscheint auf den zweiten Blick durchaus plausibel.

Der Motorradfahrer war zum Kollisionszeitpunkt nämlich mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit, d.h. mit mindestens 121 km/h statt der erlaubten 50 km/h, unterwegs. Geklagt hatte die Krankenkasse des Motorradfahrers gegen den Autofahrer und dessen Versicherung auf Aufwendungsersatz. Das erstinstanzlich zuständige Landgericht war von einem weit überwiegenden Verschulden des Motorradfahrers ausgegangen und hatte deshalb die Klage vollständig abgewiesen. Das OLG beurteilte die Haftungsfrage in der zweiten Instanz etwas anders und ging von einer 30 %-Haftung des Autofahrers aus.

Der Unfall geschah folgendermaßen:

Der Motorradfahrer kam auf der bevorrechtigten Straße von links. Dort war die Geschwindigkeit aufgrund der von rechts einmündenden Autobahnabfahrt auf 50 km/h beschränkt. Der Autofahrer wollte von dieser Abfahrt auf die bevorrechtigte Straße nach links abbiegen. Zum Beginn des Abbiegevorgangs war der Motorradfahrer noch etwa 250 m vom späteren Kollisionspunkt entfernt. Der Motorradfahrer bremste ab und wich nach links aus, als er den PKW vor sich bemerkte, konnte aber eine Kollision nicht mehr verhindern. Das OLG Hamm ist der Ansicht, dass das Motorrad bei eingeschaltetem Fahrlicht vom Autofahrer gesehen werden musste, als dieser den Abbiegevorgang einleitete. Andererseits sei auch die stark überhöhte Geschwindigkeit des Motorradfahrers unfallursächlich gewesen.

Der Autofahrer habe jedoch den Verkehr auf der bevorrechtigten Straße nicht ausreichend beachtet. Das Gericht erklärte, der Autofahrer hätte warten müssen oder wenn schon so zügig anfahren, dass der Zusammenstoß zu vermeiden gewesen wäre. Ein Sachverständiger war nämlich zu dem Schluss gekommen, dass auch bei einem zügigeren Abbiegen des Autofahrers die Kollision hätte vermieden werden können. Da somit der Vorfahrtsverstoß des Autofahrers ebenfalls ursächlich für den Unfall war, ist die Entscheidung des OLG Hamm nachvollziehbar.

Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 24.06.2016


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