Kontopfändung im Strafrecht nach §§ 111e, 111f Abs. 1 StPO

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Einleitung

Die Kontopfändung im Strafrecht stellt spätestens seit der Reform des Vermögensabschöpfungsrechts im Jahr 2017 eine Standardmaßnahme der Strafverfolgungsbehörden dar. In diesem Beitrag wollen wir Ihnen die Grundlagen der Kontopfändung im Strafrecht erläutern und Ihnen Hinweise geben, wie Sie im konkreten Fall am besten mit dieser belastenden Situation umgehen.

Vermögensarrest nach § 111e StPO als Grundlage der Kontopfändung 

Die Kontopfändung im Strafrecht ist eine Vollstreckungsmaßnahme zur Sicherung einer vermeintlich bestehenden Forderung des Staates gegen den Betroffenen. Ihre Rechtsgrundlage ist der sog. Vermögensarrest. Ein Vermögensarrest darf immer dann erlassen werden, wenn unter anderem der Verdacht besteht, dass der Betroffene einen Vermögenswert durch eine Straftat erlangt hat, dieser aber nicht mehr in seiner ursprünglichen Form beim Betroffenen aufzufinden ist. 

Möchten Sie  sich gegen eine Kontopfändung wehren, stellt sich also zunächst die Frage, ob der Vermögensarrest rechtmäßig ist. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, haben wir Ihnen bereits hier umfangreich dargelegt.

Wieviel darf gepfändet werden?

Eine Kontopfändung darf maximal in der Höhe vollzogen werden, in der auch der Vermögensarrest ausgebracht ist. Wird der Vermögensarrest zum Beispiel in Höhe von 100.000,00 EUR in das Vermögen des Betroffenen ausgebracht, befinden sich auf dem Konto aber 200.000,00 EUR, so dürfen nur 100.000,00 EUR gepfändet werden. Das klingt zunächst selbstverständlich, gerade bei einer Vielzahl von Vollstreckungsmaßnahmen kann es jedoch schnell zu Fehlern kommen. Wurde zum Beispiel schon im Rahmen einer Durchsuchungsmaßnahme ein Geldbetrag von 50.000,00 EUR und ein Auto im Wert von 20.000 EUR sichergestellt, darf die Kontopfändung nur die Differenz zwischen dem sichergestellten Geldbetrag und dem Wert des Autos auf der einen und der Arrestsumme von 100.000,00 EUR auf der anderen Seite umfassen. Vorliegend dürften also nur noch 30.000 EUR auf dem Konto gepfändet werden. Der hinausgehende Betrag ist freizugeben.

Praxistipp: Fordern Sie bei der Staatsanwaltschaft eine sog. Vollstreckungsübersicht an. Sie wird zwar nicht bei jeder Staatsanwaltschaft in jedem Ermittlungsverfahren geführt, Sie zeigen damit aber, dass Sie das Prinzip der Vermögensabschöpfung verstanden haben und genau kontrollieren, dass keine Übersicherung eintritt.

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Was gilt bei Gesamtschuldnern?

Besondere Schwierigkeiten bestehen auch dann, wenn die Kontopfändung sog. Gesamtschuldner im Sinne des § 421 BGB trifft, d. h. Personen, die gemeinsam auf denselben Betrag haften, von denen der Gläubiger aber nur einmal die Gesamtsumme fordern darf. Hier liegen regelmäßig unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung vor, in welcher Höhe die Kontopfändung bei dem einzelnen Gesamtschuldner durchgeführt werden darf. Unstrittig ist jedoch, dass allenfalls die Gesamtsumme bei dem jeweiligen Gesamtschuldner zu sichern ist. Zur Gesamtschuld finden Sie hier weitere Informationen.

Pfändungsfreibetrag

Die Staatsanwaltschaften sind zwar grundsätzlich berechtigt, einen Vermögensarrest in voller Höhe zu vollstrecken. Dem Betroffenen muss aufgrund der Pfändungsschutzvorschriften der §§ 811 ff. ZPO allerdings monatlich das belassen werden, was der Betroffene zur Sicherung seiner Existenz benötigt. Wie hoch der Pfändungsfreibetrag im konkreten Fall ist, richtet sich etwa danach, ob der Betroffene verheiratet ist und unterhaltspflichtige Kinder hat oder ob er ledig und kinderlos ist.

Rechtsmittel gegen die Kontopfändung 

Der Betroffene einer Kontopfändung hat jederzeit die Möglichkeit, diese auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Hierfür bestimmt § 111k Abs. 3 StPO, dass für Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen in Vollziehung des Vermögensarrestes der Ermittlungsrichter zuständig ist. Gegen dessen Entscheidung kann Beschwerde eingelegt und dadurch eine Entscheidung des Landgerichts herbeigeführt werden.

Wann macht es Sinn, gegen die Kontopfändung vorzugehen?

So umfangreich wie die denkbaren Ursachen für eine Kontopfändung sein können, so unterschiedlich kann auch die Antwort auf die Frage ausfallen, ob man gegen eine Kontopfändung vorgehen sollte. Entscheidende Kriterien sind zum einen die Rechtmäßigkeit des Vermögensarrestes selbst, aber auch die finanziellen Mittel, die der Betroffene sonst noch zur Verfügung hat. 

Ein ganz entscheidender und wichtiger Punkt bei einer Kontopfändung ist, dass man sich als Betroffener davon nicht unter Druck setzen lässt. Manchmal versuchen Strafverfolgungsbehörden den Betroffenen durch eine Kontopfändung dazu zu bringen, Angaben zu den Tatvorwürfen zu machen und an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Unter dem Hinweis, dass bei einer Mitwirkung an der Aufklärung des Tatvorwurfs von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen Abstand genommen werden könnte, wird die Vermögensabschöpfung recht unverhohlen aber unzulässig als Druckmittel gegenüber dem Betroffenen eingesetzt.

Praxistipp: Tatsächlich kann es Sachverhaltskonstellationen geben, in denen die Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung sinnvoll ist, etwa um aufzuzeigen, dass die Tatvorwürfe haltlos sind. Auf keinen Fall sollte man als Betroffener aber der Versuchung erliegen, vermeintlich gut gemeinten Angeboten der Strafverfolgungsbehörden nachzukommen und umfangreich Angaben zu den Vorwürfen zu machen, ohne vorher im Wege der Ermittlungsakteneinsicht erfahren zu haben, welche Erkenntnisse die Strafverfolgungsbehörden überhaupt haben. Es gibt diverse Entscheidungen von Gerichten, in denen die Betroffenen von Anfang an zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen haben, die Kontopfändung aber trotzdem über Jahre nicht aufgehoben wurde. Die Kooperationsbereitschaft des Betroffenen ist daher noch lange keine Garantie dafür, dass die Kontopfändung oder auch andere Vollziehungsmaßnahmen tatsächlich aufgehoben werden.

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Prinzipiell gilt deshalb auch bei Kontopfändungen die goldene Regel, zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen und erst dann zum Tatvorwurf Stellung zu nehmen, wenn ein Verteidiger konsultiert wurde und man weiß, was genau in der Ermittlungsakte steht. Die Ausübung des Schweigerechts darf Ihnen nicht zu Ihrem Nachteil ausgelegt werden, was die Strafverfolgungsbehörden ganz genau wissen. Auch die sog. Einziehungsbeteiligten, also diejenigen, denen man keinen Tatvorwurf macht, aber davon ausgeht, dass sie in den Genuss von Vermögenswerten aus Straftaten gekommen sind (beispielsweise der Ehepartner), haben das Recht zu schweigen. Damit ist man in jedem Fall auf der „sicheren“ Seite und kann eine sachgerechte Verteidigung gegen die Kontopfändung aufbauen.


Fazit

Die Kontopfändung ist die vielleicht massivste Form der Vollziehung eines Vermögensarrestes, weil sie die wirtschaftliche Freiheit des Betroffenen unmittelbar und erheblich einschränkt. Nicht nur deshalb ist sie in der Praxis auch das am häufigsten vorkommende Mittel der Wahl. Die Strafverfolgungsbehörden haben mittlerweile deutschlandweit Sonderermittler ausgebildet, die sich ausschließlich mit Fragen der Vermögensabschöpfung – z. B. in Form von Kontopfändungen – befassen. Diese Maßnahmen muss man sehr genau auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen und wenn Fehler gemacht wurden, diese auch klar herausstellen. Ergibt sich dabei, dass die Maßnahme rechtmäßig und nicht angreifbar ist, sollte man versuchen auf anderem Wege eine Entlastung zu erreichen, etwa durch Hinterlegung eines bestimmten Geldbetrages.

Autor:

Rechtsanwalt Dr. Pascal Johann; seit 2013 Kommentator der Vermögensabschöpfungsvorschriften der §§ 111b ff. StPO im Löwe-Rosenberg Großkommentar zur Strafprozessordnung; Promotion zum Dr. iur. im Jahr 2018 zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen des neuen Vermögensabschöpfungsrechts“; deutschlandweite Vertretung und Vortragstätigkeit zu Fragen des Vermögensabschöpfungsrechts.

Foto(s): Dr. Johann

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