Kündigungsschutz eines ehemaligen Geschäftsführers
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Der allgemeine Kündigungsschutz findet gem. § 14 Abs. 1 KSchG auf Organvertreter juristischer Personen, wie bspw. Geschäftsführer einer GmbH, keine Anwendung. Dieser Ausschluss greift selbst dann, wenn das zugrunde liegende Vertragsverhältnis nicht auf einem freien Dienstvertrag, sondern auf einem normalen Arbeitsvertrag beruht. Auch Organvertreter, die formal als Arbeitnehmer einzustufen sind, sind somit vom allgemeinen Schutz des KSchG ausgenommen, sofern es um die Beendigung des Vertragsverhältnisses geht, das im Zusammenhang mit ihrer organschaftlichen Stellung steht.
Doch keine Regel ohne Ausnahme. Eine wesentliche Ausnahme hat das Hessische Landesarbeitsgericht in seiner aktuellen Entscheidung (Urteil vom 28.02.2025, Az.: 14 SLa 578/24) erneut bestätigt. Laut LAG Hessen findet der § 14 Abs. 1 KSchG dann keine Anwendung, wenn der ehemalige Organvertreter zum Zeitpunkt der Kündigung seine Organstellung bereits verloren hatte.
Sachverhalt(verkürzt)
Der Kläger wurde auf Grundlage eines Arbeitsvertrags bei der Beklagten eingestellt. In dem Arbeitsvertrag wurde im Rahmen der Tätigkeitsbeschreibung festgehalten, dass der Kläger als „Geschäftsführer“ tätig werden sollte. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch andere Tätigkeiten im Unternehmen übertragen kann. Unmittelbar nach Aufnahme seiner Tätigkeit wurde der Kläger entsprechend ordnungsgemäß zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt.
Im Februar 2023 widerrief die Beklagte die Organstellung des Klägers und veranlasste die Löschung seiner Geschäftsführungsbefugnis aus dem Handelsregister. Das Arbeitsverhältnis bestand zunächst jedoch fort. In der Folgezeit versuchte die Beklagte vergeblich, dem Kläger eine andere, vergleichbare Tätigkeit innerhalb des Unternehmens zu übertragen. Nachdem diese Bemühungen scheiterten, kündigte sie das Arbeitsverhältnis – knapp fünf Monate später – im Juni 2023.
Erstinstanzlich vertrat die Beklagte die Auffassung, der Kläger sei auf Grundlage eines Anstellungsvertrags zum Geschäftsführer bestellt worden und genieße daher keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Dementsprechend sei gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG der allgemeine Kündigungsschutz ausgeschlossen. Das Arbeitsgericht Darmstadt schloss sich dieser Auffassung in seiner Entscheidung an. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung zum Hessischen Landesarbeitsgericht ein – mit Teilerfolg.
Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts
Das Hessische Landesarbeitsgericht hob die Entscheidung des Arbeitsgerichts Darmstadt im Berufungsverfahren teilweise auf. Das LAG stellte fest, dass die Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG dann ausgeschlossen ist, wenn die Organstellung des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht mehr besteht. Maßgeblich sei nicht die frühere Organstellung, sondern allein die Situation im Zeitpunkt der Kündigung.
Mit der Abberufung als Geschäftsführer habe der Kläger seine organschaftliche Funktion und damit seine Stellung als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft, verloren. Eine Privilegierung des Arbeitgebers durch Ausschluss des allgemeinen Kündigungsschutzes sei unter diesen Umständen nicht mehr gerechtfertigt.
Nach Auffassung des Gerichts steht § 14 KSchG unter dem Leitbild, dass die Organvertreter – insbesondere Mitglieder der Geschäftsleitung – während ihrer Amtszeit Arbeitgeberfunktionen ausüben und deshalb nicht dem gleichen Kündigungsschutz wie „normale“ Arbeitnehmer unterliegen. Diese Besonderheit entfalle jedoch mit der Beendigung der Organstellung. Durch die Abberufung verlasse der frühere Geschäftsführer rechtlich das „Arbeitgeberlager“ und nehme nicht mehr die besonderen Leitungsfunktionen wahr, die eine Ausnahme vom Kündigungsschutz rechtfertigen würden.
Besonders hervorgehoben hat das Gericht vorliegend die vertragliche Gestaltung. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag sah ausdrücklich vor, dass der Kläger nicht dauerhaft in einer Organfunktion tätig sein müsse und der Arbeitgeber berechtigt sei, ihm auch andere gleichwertige Aufgaben zu übertragen. Der Vertrag war demnach nicht nur auf die Geschäftsführerstellung ausgerichtet, sondern als weitergehendes Arbeitsverhältnis ausgestaltet. Diese Vertragsgestaltung spricht ebenfalls dafür, dass der Kläger nach Beendigung seiner Geschäftsführerstellung als regulärer Arbeitnehmer zu behandeln sei.
Im Ergebnis entschied das Gericht, dass der Kläger im Zeitpunkt des Kündigungszugangs Arbeitnehmer im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes war und daher den allgemeinen Kündigungsschutz gemäß § 1 KSchG in Anspruch nehmen konnte. Da die Beklagte keine sozialen Rechtfertigungsgründe für die Kündigung vorgetragen hat, erklärte das Gericht die Kündigung für unwirksam.
Die Weiterbeschäftigungsanträge des Klägers wies das Gericht hingegen zurück, da deren Formulierung zu unbestimmt war und sie keinen vollstreckungsfähigen Inhalt aufwiesen.
Fazit:
Ob ein Geschäftsführer nach seiner Abberufung noch unter den Kündigungsschutz fällt, hängt maßgeblich vom Zeitpunkt der Kündigung ab – nicht von der früheren Organstellung. Ist die Geschäftsführerfunktion zum Zeitpunkt der Kündigung bereits beendet und besteht ein fortlaufender Arbeitsvertrag, greift der allgemeine Kündigungsschutz.
Die Ex-Geschäftsführer, die vertraglich nicht ausschließlich für die Organstellung vorgesehen waren, dürfen rechtlich nicht schlechter behandelt werden als andere Beschäftigte. Sie sind – jedenfalls nach ihrer Abberufung – wieder ganz normale Arbeitnehmer mit allen arbeitsrechtlichen Schutzmechanismen.
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