Ladung als Beschuldigter: Darum sollten Sie bei der Polizei nicht aussagen

  • 5 Minuten Lesezeit

Häufig ist die erste Nachricht davon, dass man Beschuldigter eines Strafverfahrens ist, eine Ladung der Polizei. Dort heißt es dann sinngemäß: „In der Ermittlungssache gegen Sie wegen Körperverletzung ist Ihre Vernehmung als Beschuldigter erforderlich. Bitte kommen Sie am ... um ... Uhr zur Polizeistation ...“

Das Schreiben ist meist so formuliert, dass man den Eindruck bekommt, man müsse dort erscheinen und aussagen. So steht dort bspw. oft, man sollte eine Verhinderung mitteilen, um gleich einen Ersatztermin auszumachen. Tatsächlich sind Sie aber als Beschuldigter nicht verpflichtet, Angaben zur Sache zu machen. Es gehört zu den ehernen Rechten eines Bürgers, in einem Strafverfahren gegen sich selbst schweigen zu dürfen.

Rechtsanwalt David-Joshua Grziwa ist vor allem im Strafrecht tätig. In diesem Artikel erklärt er, warum man auf eine solche Ladung hin keinesfalls aussagen sollte und wie man sich stattdessen im Verfahren äußern kann.

Worum geht es überhaupt?

Wenn Sie, wie im obigen Beispiel, einer Körperverletzung beschuldigt werden, können Sie dies meistens einigermaßen einem bestimmten Geschehen zuordnen. Es kann aber auch sein, dass Ihnen bspw. Beleidigung im Internet vorgeworfen wird und Sie keine Ahnung haben, wer sich wodurch beleidigt gefühlt haben könnte. Ebenso ist es denkbar, dass die Vorwürfe völlig aus der Luft gegriffen sind, Sie also gar nicht wissen können, was Ihnen fälschlicherweise vorgeworfen wird.

In diesen Fällen würden Sie also völlig unvorbereitet zu Ihrer Vernehmung gehen. Mit den Details der Beschuldigungen konfrontiert, müssten Sie anfangen, den Sachverhalt aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren – das funktioniert oft nicht.

Rechtfertigungsdruck

Viele Menschen werden zum ersten Mal in ihrem Leben mit dem Vorwurf einer Straftat konfrontiert. Dementsprechend fühlen sie sich in ihrer Ehre verletzt und wollen den Verdacht energisch abstreiten. Nicht selten führt dies dann aber zu unüberlegten Äußerungen oder dazu, dass alles Mögliche erzählt wird, das mit der konkreten Beschuldigung überhaupt nichts zu tun hat.

Unschuldsbeweis

Dabei haben Sie keinerlei Anlass, Ihre Unschuld zu beweisen. Dies wird Ihnen bei der Vernehmung auch nur ganz selten gelingen. Denn die Polizei entscheidet nicht über Schuld und Unschuld. Ihre Aussage ist nur ein Beweismittel von mehreren und ganz sicher nicht das Überzeugendste. Ob das, was Sie aussagen, wahr ist, wird im Endeffekt erst ein Gericht entscheiden. Insofern ist es viel wichtiger, erst einmal ruhig zu bleiben und nicht den ganzen Fall selbst aufklären zu wollen – das geht oftmals schief.

Zu viel erzählen

Wenn Sie tatsächlich „beweisen“ wollen, was wirklich passiert ist, kann das auch dazu führen, dass Sie zu viel erzählen und sich unnötig selbst belasten. In einer Drucksituation können Sie oft nicht einschätzen, was nun noch dazu gehört und was nicht mehr. Möglicherweise offenbaren Sie Dinge, die die Behörden noch gar nicht wissen, und belasten sich so unnötigerweise selbst.

Zu wenig erzählen

Andersherum kann es durchaus vorkommen, dass man etwas vergisst, das eigentlich wichtig wäre. Man schildert die Dinge aus dem Gedächtnis und verliert sich dabei oft in unbedeutenden Details, während das Entscheidende auf der Strecke bleibt. Dabei wäre es manchmal durchaus wichtig, auch die Hintergründe und bspw. die Beziehungen beteiligter Personen zu schildern.

Polizisten als Verhörprofis

Polizisten sind meist absolute Profis im Verhören von Verdächtigen. Wenn sie wollen, schaffen sie es, Ihr Vertrauen zu gewinnen oder Sie – mit legalen Mittel – in eine Stresssituation zu versetzen, sodass Sie möglichst viel erzählen. Wenn ein Beschuldigter merkt, dass ihm nicht geglaubt wird (oder auch, dass ihm geglaubt wird), führt der Rechtfertigungsdruck zusammen mit der Verhörtaktik oft dazu, dass umfassendst ausgesagt wird – nicht immer zu seinem Vorteil.

Andere mit hineinziehen

Außerdem kann es passieren, dass Sie etwas erzählen, durch das ein Verdacht auf andere Personen fällt. Damit haben Sie unter Umständen ein zwischenmenschliches Problem, noch schlimmer kann es aber sein, wenn etwas davon nicht stimmt. Dann handelt es sich um falsche Verdächtigung, üble Nachrede oder Verleumdung.

Mündliche Unsicherheit

Nicht viele von uns sind es gewohnt, mündliche Vorträge über Sachfragen zu halten. Oft sucht man dann nach den richtigen Begriffen, schildert nicht alles chronologisch oder Zusammenhänge werden nicht ganz klar. Dadurch passiert es, dass das eigentlich Gemeinte nicht oder nicht richtig transportiert wird. Stehen aber falsche oder missverständliche Aussagen erst einmal in den Akten, ist es extrem schwierig, diese nachher wieder herauszubekommen.

Zurückhaltung

Als „ganz normaler Bürger“ empfindet man oft eine gewisse Scham für das eigene Tun. Egal, ob der Vorwurf nun zutrifft und ob das Handeln strafbar ist, ist es einem oft peinlich, etwas eingestehen zu müssen, noch dazu vor Fremden. Dies führt dann dazu, dass Dinge weggelassen werden, die einem vielleicht unangenehm sind, die aber entlastend wirken könnten.

Übermittlungsfehler

Wenn Sie Ihre Aussage mündlich in das polizeiliche Protokoll diktieren, kann es immer passieren, dass etwas falsch übermittelt oder falsch verstanden wird. Das schriftliche Vernehmungsergebnis kann daher durchaus von dem abweichen, was mündlich geäußert wurde.

So macht man es richtig

All diese Problematiken kann man vermeiden, wenn man frühzeitig im Verfahren (also nicht erst, wenn die Anklageschrift auf dem Tisch liegt) einen Verteidiger einschaltet. Ihr Rechtsanwalt kann dann Akteneinsicht nehmen, bekommt also alle Unterlagen von der Staatsanwaltschaft und kann daraus genau ablesen, was Ihnen nun vorgeworfen wird. Außerdem wird so ersichtlich, welche Beweise die Staatsanwaltschaft vorliegen hat und von welchem Tatgeschehen sie bislang ausgeht.

Zusammen mit Ihnen wird er dann den Akteninhalt durchgehen und Stück für Stück eine schriftliche Stellungnahme erarbeiten, die Ihre Sicht auf die Dinge beinhaltet. Nur so kann sichergestellt werden, dass Ihre Position zur Geltung kommt und auch entlastende Gesichtspunkte vorgetragen werden. Durch die schriftliche Abfassung kann man Missverständnisse weitgehend ausschließen und sich umfassend, strukturiert und ohne falsche Scham äußern.

Dies gilt übrigens auch, wenn Sie die Tat begangen haben und Sie daher gestehen wollen. Denn auch dann wird es noch genügend Dinge geben, die für Sie sprechen und die zumindest ein gewisses Verständnis bei Staatsanwaltschaft und Gericht hervorrufen.

Wenn es auf diese Weise gelingt, das Verfahren – entweder wegen geringer Schuld oder wegen Unschuld – zur Einstellung zu bringen, ersparen Sie sich nicht nur einen nervenaufreibenden Prozess, sondern oft auch hohe Kosten für Gericht und Anwalt.

Rechtsanwalt David-Joshua Grziwa ist als Strafverteidiger in München und Umgebung (Gröbenzell, Fürstenfeldbruck, Freising, Dachau, Karlsfeld, Landsberg am Lech, Pfaffenhofen an der Ilm) aktiv. Er übernimmt Mandate aber auch bundesweit. Die Übermittlung von Akten und Schriftsatzentwürfen erfolgt dann per E-Mail, auch mit Verschlüsselung und zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt David-Joshua Grziwa

Beiträge zum Thema