Landgericht Potsdam: Keine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ​bei Übermüdung durch Fasten (hier: Ramadan)!

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Ein Beitrag von Michael Böhler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht, Konstanz


Bei einer Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1b) StGB wird in der Regel auch eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis im Sinne von § 111a StPO vorgenommen. Dies war auch vor einem Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 07.07.2021, Az. 25 Qs 42/21 der Fall:

Der Fahrer war am Steuer eingenickt und hat, nachdem er beim Aufwachen ein parkendes Fahrzeug auf seiner Fahrbahn bemerkt habe, in einer Ausweichbewegung die Kontrolle über das Fahrzeug verloren und zwei parkende Fahrzeuge auf der gegenüberliegenden Seite sowie den Bordstein beschädigt.

Das zuständige Amtsgericht ging davon aus, dass ein dringender Tatverdacht vorlag und hat vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen. Der Fahrer habe einem Zeugen gegenüber geäußert, weggenickt zu sein. In seiner Einlassung räumte der Fahrer zudem ein, einen „Blackout“ in Gestalt einer Ohnmacht erlitten zu haben. Es sei lebensfremd, dass dieser Ausfall ohne Vorankündigung erfolgt sei.


Fasten als Ausnahmetatbestand

In seiner Beschwerde verwies der Fahrer darauf, dass „er gläubiger Muslim sei und am Tattag aufgrund des Fastenmonats Ramadan weder getrunken noch gegessen habe. Die Unterzuckerung, die offensichtlich Auslöser des Unfalls gewesen sei, sei ganz plötzlich eingetreten. Das religiöse Fasten als Auslöser des Ausfalls sei zwischenzeitlich beendet, was die Prognose erlaube, dass sich der Vorfall nicht wiederholen werde.“ Für das Landgericht erschien es sehr wahrscheinlich, dass der Fahrer zum Unfallzeitpunkt wegen der Übermüdung und der Strapazen des Fastens nicht fähig fahrtauglich war.

Für das Landgericht Potsdam lagen  jedoch „besondere Umstände vor, von der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis ausnahmsweise abzusehen, da der Beschuldigte unwiderlegbar vorgebracht hat, infolge des ihm nach religiösen Vorschriften auferlegten Fastens während des Fastenmonats Ramadan habe zum Tatzeitpunkt eine Unterzuckerung vorgelegen.“ Die mit diesem Zistand einhergehenden Probleme könnten auch sehr plötzlich auftreten.

Es sei deshalb von einer Ausnahmesituation auszugehen, eine Wiederholungsgefahr bestehe wegen des Endes des Fastenmonats nicht. Daher hat das Landgericht Potsdam den Beschluss zur vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben, aber ebenso klar ausgeführt, dass in der Hauptverhandlung beurteilt werden müsse, ob der Fahrer rücksichtslos gehandelt habe, weil er trotz Anzeichen von Schwäche gefahren sei.


Verteidigungsmöglichkeiten ausschöpfen, Verteidiger einschalten!

Dieses Urteil zum Fasten im Ramadan ist nach meiner Einschätzung auch für andere Fastende zu übertragen, sei es bei der christlichen Fastenzeit oder beim Heilfasten. Daher existiert ein Ansatzpunkt, gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis vorzugehen, wenn das Fasten nachweislich für die Übermüdung verantwortlich ist.


Als erfahrener und bundesweit tätiger Verteidiger in Verkehrsstrafsachen unterstütze ich Sie gerne!



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