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Lange Krankheit, schnelle Kündigung?

  • 2 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Die Einschätzung ein langzeiterkrankter Arbeitnehmer sei auch künftig öfter krank, reicht nicht, um ihm zu kündigen. Für Gerichte kommt es stattdessen auf das Ergebnis einer dreistufigen Prüfung an.

Die Kündigung wegen wiederkehrender langer Krankheit fällt naturgemäß schwerer als die bei einem Fehlverhalten. Einerseits leidet der Arbeitnehmer unter der Krankheit, darüber hinaus droht ihm deshalb die Entlassung. Demgegenüber kann der Arbeitgeber den Beschäftigten nicht fest einplanen, die Betriebsabläufe drohen fortwährend unsicher zu bleiben.

Negative Gesundheitsprognose

Das Gericht prüft zuerst, ob auch künftig mit einer Erkrankung zu rechnen ist. Eine dahingehend negative Prognose rechtfertigt aber nicht bereits eine längere Krankheit. Sie ist lediglich ein Indiz dafür. Allein für sich kann sie keine negative Prognose rechtfertigen. Wann von einer langandauernden Erkrankung gesprochen werden kann, richtet sich dabei nicht nach einer gewissen Dauer. Ebenso wenig berechtigt die unsichere Wiedererlangung der Arbeitskraft zu einer Negativprognose. Stattdessen müssen Anhaltspunkte dafür sprechen, dass es dazu nicht in absehbarer Zeit kommt. Die Gerichte gehen dabei von den nächsten 24 Monaten ab dem Kündigungszeitpunkt aus. Solange könnten einem Arbeitgeber Überbrückungsmaßnahmen zugemutet werden. Darlegen und zu beweisen hat die negative Prognose dabei der Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer kann sie mithilfe eines ärztlichen Attests bestreiten, wobei er seinen Arzt vor einem Prozess von der Schweigepflicht entbinden kann, aber nicht muss. Danach ist der Arbeitgeber wieder am Zug und das Vorgebrachte entkräften.

Erheblich beeinträchtigte betriebliche Interessen

Schlug der Beweis fehl, dass der Beschäftigte seine Arbeitskraft nicht in den kommenden 24 Monaten wiedererlangt und somit als dauernd arbeitsunfähig gilt, ist Stufe 2 zu prüfen. Ein Arbeitgeber muss genau darlegen, zu welchen Störungen es im Betriebsablauf aufgrund des krankheitsbedingt fehlenden Arbeitnehmers kommt und warum beispielsweise eine ergriffene Umorganisation oder die Einstellung einer Ersatzkraft nicht hilft. Eine erhebliche Beeinträchtigung liegt laut Bundesarbeitsgericht regelmäßig bei einer länger als sechs Wochen dauernden Entgeltfortzahlung pro Jahr vor.

Abwägung der beiderseitigen Interessen

Konnten die ersten beiden Stufen bejaht werden, sind in einem dritten Schritt die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer abzuwägen. Darauf kann nur bei einer feststehenden dauernden Arbeitsunfähigkeit für mindestens 24 Monate seit der Kündigung verzichtet werden. Allerdings auch dann nur, wenn besonders schutzwürdige Interessen des Arbeitnehmers fehlen. Ansonsten kommt es für ihn unter anderem auf folgende Kriterien an: sein Alter, seine bisherige problemlose Betriebszugehörigkeit, eventuell bestehende Unterhaltspflichten, eine Schwerbehinderung und ob die Krankheit betriebsbedingt ist. Abschließend ist die Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Können etwa angepasste Arbeitsbedingungen eine Weiterbeschäftigung ermöglichen? Gibt es andere gleiche aber auch geringwertigere Arbeitsmöglichkeiten im Betrieb, die mit der Erkrankung vereinbar sind? Lehnt der Arbeitgeber diese Möglichkeiten ab, muss sie zunächst der Arbeitnehmer nennen, bevor der Arbeitgeber das Gegenteil darlegen und beweisen muss. Gelingt ihm das nicht, wirkt sich ein unterlassenes betriebliches Eingliederungsmanagement zusätzlich negativ hinsichtlich einer berechtigten Kündigung aus. An dieses ist gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX immer zu denken, wenn ein Arbeitnehmer insgesamt mehr als sechs Wochen im Jahr krank war.

(GUE)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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