„Legal Tech wird vieles erleichtern, den Anwalt aber auf lange Sicht nicht ersetzen können“

  • 6 Minuten Lesezeit
Dr. Frank R. Remmertz: „Legal Tech wird vieles erleichtern, den Anwalt aber auf lange Sicht nicht ersetzen können“
Katja Grund anwalt.de-Redaktion

Die Digitalisierung macht auch vor Kanzleien und Anwälten nicht halt. Rechtsanwalt Dr. Frank R. Remmertz nutzt Legal Tech im Arbeitsalltag und berät hierzu auch Kollegen, Start-ups und Investoren. Im Interview schildert er, welche Vorteile für ihn durch den Einsatz von Legal Tech entstehen und warum anwalt.de dabei eine große Unterstützung ist. Zudem gibt er Tipps, wie eine für Anwälte geeignete Technikinfrastruktur aufgebaut werden kann.

Legal Tech: Was verstehen Sie unter dem Begriff?

Der Begriff steht bekanntermaßen für „Legal Technology“ und man kann ihn weit oder eng verstehen. Ich persönlich gehe eher von einem weiten Begriffsverständnis aus. Für eine Anwaltskanzlei umfasst „Legal Tech“ sowohl den Einsatz von digitalen Werkzeugen bei der täglichen anwaltlichen Arbeit und der Organisation einer Anwaltskanzlei als auch den Einsatz bei der anwaltlichen Leistung selbst. Es ist also ein sehr weites Feld mit vielen Einsatzmöglichkeiten. Geht man von einem engen Begriffsverständnis aus, dann umfasst Legal Tech nur Tools, die die unmittelbare juristische Arbeit unterstützen oder gar ersetzen.

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anwalt.de unterstützt Rechtsanwälte dabei, in der digitalen Transformation wettbewerbsfähig zu bleiben. Von welchen anwalt.de-Funktionen profitieren Sie?

Dank anwalt.de werde ich besser über Suchmaschinen gefunden und meine Beiträge erzielen eine größere Reichweite im Netz.

Wann haben Sie begonnen, Legal Tech zu nutzen? Worum handelte es sich dabei?

Neben dem Empfehlungsmarketing setze ich auch auf Content-Marketing. Da ich auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und des IT-Rechts spezialisiert und überwiegend beratend tätig bin, ist es für mich wichtig, dass meine fachliche Spezialisierung und meine Fachbeiträge gut im Netz gefunden werden können. Daher habe ich frühzeitig begonnen, das Internet für Marketingzwecke zu nutzen. Als überwiegend beratend tätiger Anwalt habe ich meine Aktenführung digitalisiert und Kommunikationsdienste (Telefon, Fax-Dienste) outgesourct.

Sie haben bereits erste Rechtstipps auf anwalt.de veröffentlicht. Wird die Erstellung von Content weiter an Bedeutung gewinnen, um sich als Anwalt im Netz erfolgreich zu positionieren?

Ich bin ein ausgesprochener Fan von Content-Marketing und setze auch viel auf Fachveröffentlichungen und Fachvorträge, weil man damit seine Kompetenz unter Beweis stellen kann. Das funktioniert auch im Netz ganz gut. Häufig sucht ein potenzieller Mandant nicht nach einem spezialisierten Anwalt, sondern nach der Lösung für ein bestimmtes Rechtsproblem. Er stößt dann eher auf Fachbeiträge im Netz, die zu seinem Problem passen. Über den Content findet der Rechtsuchende dann seine geeignete Anwältin bzw. Anwalt. Ich glaube, dass dies in Zukunft noch zunehmen wird.

In welchen Bereichen verwenden Sie heute Legal Tech?

Heute habe ich meine Kanzlei so organisiert, dass ich praktisch nicht mehr unbedingt Kanzleiräume brauche, sondern von überall aus arbeiten kann und Zugriff auf meine Akten habe. Das hat mir auch in der Coronakrise schon sehr geholfen. Dank des beA (= besonderes elektronisches Anwaltspostfach) und der Videotechnik ist es mir möglich, auch vertrauliche Kommunikation mit Mandantinnen und Mandanten sowie mit Gerichten flexibel von vielen Orten aus führen zu können. Wenn die Kommunikation künftig nur noch elektronisch geführt werden kann, wird man sich die Frage stellen müssen, ob man dann noch feste Räumlichkeiten für eine Anwaltskanzlei benötigt.

Wie sind Sie das erste Mal überhaupt auf das Thema Legal Tech aufmerksam geworden?

Legt man ein weites Begriffsverständnis zugrunde, so ist Legal Tech mindestens so alt wie das Internet selbst, zählt man Anwaltssoftware dazu, sogar noch älter. Dabei gab es den Begriff Legal Tech aber noch gar nicht oder war weitgehend unbekannt. So richtig in Mode wurde „Legal Tech“ erst ab ca. 2014/2015, als neue Rechtsdienstleister, etwa für die standardisierte Geltendmachung von Flugverspätungsschäden, neue Tools, Konferenzen und sonstige Geschäftsmodelle aufkamen. Da ich mich auch ehrenamtlich in Anwaltsorganisationen engagiere, habe ich mich seit etwa 2015 auch berufsrechtlich dem Thema Legal Tech genähert und u. a. deren Vereinbarkeit mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) untersucht, ein Thema, das ja aktuell auch berufspolitisch hoch im Kurs steht.

Welche Vorteile ergeben sich für Sie durch Legal Tech?

Der Einsatz von Legal Tech führt zu einer deutlichen Reduzierung von Zeit und Kosten, die sonst für den Betrieb einer Kanzlei aufgewendet werden müssten. So bleibt mehr Zeit für das Wesentliche: die Belange der Mandantinnen und Mandanten. Außerdem verschafft mir Legal Tech ein Höchstmaß an Flexibilität und Effektivität.

An welchen Faktoren machen Sie aus, ob der Einsatz von Legal-Tech-Maßnahmen sinnvoll ist?

Entscheidend ist ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis. Das muss aber jede Kollegin/jeder Kollege für sich selbst entscheiden. Anwaltstyp und Kanzleistruktur können sehr unterschiedlich sein, sodass es keine Standardlösungen gibt.

Inwiefern hilft Ihnen Legal Tech als Wettbewerbsfaktor in der Rechtsbranche?

Ich bin davon überzeugt, dass die Anwaltschaft nur dann auf Dauer wettbewerbsfähig bleibt, wenn sie die Möglichkeiten von Legal Tech optimal nutzt. Die Mandantinnen und Mandanten erwarten heute, Rechtsangelegenheiten bequem über ihr Smartphone abwickeln und ihren Rechtsanwalt rund um die Uhr erreichen zu können. Insoweit erlaubt auch das anwaltliche Berufsrecht schon mehr, als viele glauben. Viele Kolleginnen und Kollegen kennen sich aber noch zu wenig aus. Das hat mich dazu bewogen, Legal Tech und anwaltliches Berufsrecht zusammenzubringen und ein eigenes Buch „Legal Tech-Strategien für Rechtsanwälte“ herauszugeben, das Ende 2020 im Beck-Verlag erschienen ist.

Welche Rolle spielt die Reputation, z. B. durch das Bewertungssystem von anwalt.de, Ihrer Meinung nach bei der Online-Mandantenakquise?

Bewertungen oder Empfehlungen spielen bei der Suche im Netz eine große Rolle. Wichtig ist dabei die Seriosität, die z. B. das Bewertungssystem von anwalt.de bietet.

Die Terminsvertretungsfunktion von anwalt.de erleichtert die Zusammenarbeit von Anwälten. Wird Legal Tech in Zukunft darüber hinaus Kooperationen innerhalb der Anwaltschaft noch stärker fördern?

Ja, davon bin ich überzeugt, weil sich auch die Anwaltschaft künftig noch stärker über Plattformen organisieren wird.

Sie beraten in verschiedenen Rechtsgebieten, u. a. im gewerblichen Rechtsschutz, IT-Recht und Datenschutzrecht. Wie unterscheiden sich bei diesen die Einsatzmöglichkeiten von Legal Tech?

Das IT-Recht hat natürlich die engsten Verbindungen zu Legal Tech. Das gilt besonders für das Datenschutzrecht, wo sich vieles standardisieren lässt. Aber auch im Markenrecht beispielsweise lassen sich viele Arbeitsschritte standardisieren und digitalisieren. Das fängt schon bei der Beauftragung und Auswertung von Recherchetools an, schließt die Anmeldung und Verwaltung von Marken mit ein und hört bei der Überwachung von Marken auf.

Wie gehen Sie bei der Einführung neuer Technologien vor? Welche Empfehlungen können Sie anderen Anwälten dafür geben?

Jede Anwältin/jeder Anwalt sollte zunächst einmal eine kritische Bestandsaufnahme machen, um herauszufinden, welcher Anwaltstyp man eigentlich ist und welche Abläufe/Dienste sich in einer Kanzlei standardisieren oder outsourcen lassen. Das ist ganz individuell und unterschiedlich. Sodann sollte jede Anwältin/jeder Anwalt eine eigene Legal-Tech-Strategie entwickeln. Auch wenn die Anfangsinvestitionen hoch sind, zahlt sich dies mittel- bis langfristig meistens aus.

„Legal Tech wird Anwälte ersetzen.“ Welche Meinung vertreten Sie zu dieser Aussage?

Legal Tech wird vieles erleichtern, den Anwalt aber auf lange Sicht nicht ersetzen können. Und das ist auch gut so. Vieles, was eine gute anwaltliche Leistung ausmacht, ist nicht standardisierbar und damit letztlich nicht digitalisierbar. Dazu gehört nicht nur die individuelle rechtliche Beratung zu komplexeren Themen, sondern auch die Fähigkeit zur Empathie und den Mandantinnen und Mandanten gut zuhören zu können.

Rechtsanwalt Dr. Frank R. Remmertz ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und IT-Recht. Der Sitz seiner Kanzlei ist in München. Dr. Remmertz steht seinen Mandanten beratend zur Seite und engagiert sich darüber hinaus ehrenamtlich bei Berufsverbänden und veröffentlicht regelmäßig Fachliteratur und hält Vorträge.

(KGR; ZGRA) 

Erfahren Sie noch mehr zum Thema Legal-Tech-Gesetz und zu den Funktionen von anwalt.de in weiteren Ratgebern.

Foto(s): ©privat/Dr. Frank R. Remmertz

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