Legendäres Urteil des AG Lübeck zu Wildpinkeln am Meer

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Das LG Lübeck entschied zum Urinieren an der Küste zugunsten des Bürgers..

Wildpinkeln im Rampenlicht des Ordnungsamts

In einer lauen Sommernacht 2022 saß eine gesellige Runde am Ostseestrand in der Lübecker Bucht. Ein Mann aus der Gruppe entfernte sich exakt zwanzig Meter von seinen Freunden und urinierte in das Meer. Die genaue Entfernung ermittelte das Gericht. Dabei stand er mit dem Rücken zu seinem Freundeskreis im Spülsaum der Ostsee. Der Spülsaum beschreibt den Uferbereich am Meer, wo seichte Wellen Ablagerungen an Land spülen.

Der Wildpinkler sah in der Dunkelheit keine anderen Personen in unmittelbarer Umgebung und fühlte sich daher unbeobachtet. Da täuschte er sich jedoch. Denn ihm näherten sich drei Mitarbeiter des Ordnungsamtes, die Streife liefen. Diese brummten dem Wildpinkler ein Bußgeld in Höhe von 60 Euro auf. Als Grund nannten die Beamten, der Mann hätte eine Ordnungswidrigkeit nach § 118 des Ordnungswidrigkeiten-Gesetzes (OWiG) begangen. Schließlich läge eine „Belästigung der Allgemeinheit aufgrund einer „grob ungehörigen Handlung“ vor.


Urteil des AG Lübeck zugunsten des Wildpinklers

Das Amtsgericht (AG) Lübeck hatte zu entscheiden: Liegt beim Vorgang des Wildpinkelns eine „grob ungehörige Handlung“ vor, von der sich gar die Allgemeinheit belästigt fühlt? Das Lübecker Gericht ließ mögliche Anknüpfungspunkte für einen Verstoß nach § 118 OWiG gleich wieder fallen.

Hier wäre einerseits eine Verletzung des öffentlichen Schamgefühls möglich gewesen. Allerdings ist das gemeinsame Urinieren in Pissrinnen oder Pissoirs öffentlicher Männertoiletten üblich. Daher ist es (zumindest unter Männern) nicht von Schamgefühl geprägt. Andererseits hätte eine Verschmutzung und Geruchs-Belästigung durch den Urin vorliegen können. Allerdings enthält die Ostsee über 21.600 Kubikkilometer Wasser. Die Verdünnung macht daher eine Verschmutzung und Geruchs-Belästigung unmöglich.

Wer sich also in der Natur aufhält, hat auch mal das Bedürfnis, Wasser zu lassen. An einer Küste befindet sich oftmals weit und breit keine Toilette. Daher hatte der Wildpinkler keine andere Möglichkeit als sich direkt am Meer zu erleichtern. Das AG Lübeck drückte es folgendermaßen aus: „Der Mensch hat unter den Weiten des Himmelszeltes nicht mindere Rechte als das Reh im Wald, der Hase auf dem Feld oder die Robbe im Spülsaum der Ostsee.“ (Urt. v. 29.06.2023, Az. 83a OWi 739 Js 4140/23 jug.)


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Stichworte: Verbraucherrecht, Verbraucherschutz, Zivilrecht, AG Lübeck

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