LEIVTEC XV3 – 1 km/h kann beim Bußgeldbescheid entscheidend sein!

  • 3 Minuten Lesezeit

Dem Mandanten war vorgeworfen wurden, die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 34 km/h überschritten zu haben. Abzüglich Toleranz sei er 84 km/h gefahren. Folge davon war ein Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße von 120,00 €.

Mit diesem Vorwurf konfrontiert wandte sich der Mandant an die Schulte Anwaltskanzlei, Rechtsanwalt Thomas Schulte LL.M.. Nach Akteneinsicht und Prüfung der Unterlage wurde ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger mit der technischen Überprüfung des Messvorganges beauftragt. Dies war dem Mandanten deswegen möglich, weil der Rechtsschutzversicherer die Deckungszusage für das Gutachten erteilte. Zusammengefasst stellte der Sachverständige u.a. folgendes fest:

Die Messstrecke betrug 12,16 m.

Im Rahmen mehrerer Versuche der Dekra und Arguemint wurden bei den Messgeräten des Typs LEIVTEC XV3 Stufenprofilmessungen bestätigt. Es konnte dabei bei ein und derselben Messung mittels zwei LEIVTEC XV3 - Messgeräten Geschwindigkeitsabweichungen von mehr als 10 km/h festgestellt werden. Diese Abweichungen ließen sich nicht mit der Verkehrsfehlergrenze erklären. Eine entsprechende Veröffentlichung ist diesem Schriftsatz beigefügt.

Die Anforderungen an das Messgerät bzw. die Nachprüfbarkeit einer Messwertbildung durch Rohdatenanalyse ist nicht vertretbar und entspricht nicht rechtstaatlichen Kriterien, die Zulassung des Messgerätes ist ausgeschlossen.

Die Anzeige des Geschwindigkeitsmesswertes in der Falldatei kann nicht mehr als verlässlicher Geschwindigkeitswert angesehen werden. Der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt oder der Hersteller hatten zu der Zeit dazu noch keine Stellungnahme abgegeben bzw. veröffentlicht.

Es blieb daher allein die Möglichkeit, das Messgerät als geeichte Kamera/Stoppuhr-Kombination zu betrachten und anhand der beiden Fotos und des dazwischenliegenden zeitlichen Versatzes eine Geschwindigkeit größenmäßig zu bestimmen.

Im Fall des Betroffenen wurden die beiden Beweisfotos hinsichtlich des Kamerawinkels in Bezug zur Fahrbahn ausgewertet. Des Weiteren wurde anhand der perspektivischen Größe des vorderen amtlichen Kennzeichens in beiden Bildern, die Entfernung des Kennzeichens zum Zeitpunkt der jeweiligen Fotoauslösung bestimmt. Im Ergebnis dieser fotogrammatischen Abstandsbestimmung ergab sich im Fall des 1. Fotos eine Entfernung von 49,90 m. Zum Zeitpunkt der Zweitfotoauslösung befand sich das Fahrzeug in einer Entfernung von 34,33 m. Dieser fotogrammatischen Auswertung war jedoch hinsichtlich der Eingabeparameter zu tolerieren. Insbesondere Pixelfehler waren aufgrund der ausgesprochen niedrigen Fotoauslösung zu berücksichtigen und wirkten sich sehr stark auf die ermittelnde Geschwindigkeit aus. Diesseits wurde bei der Markierung der Kennzeichenränder eine Toleranz von +/-0,5 Pixel, ein Anzeigefehler von +/-0,01 Sekunden sowie ein Messwinkelfehler von +/-5° berücksichtigt. Dies hatte zur Folge, dass die fotogrammatische Geschwindigkeit bestimmt werden konnte beginnend in einem Bereich von 79,94 km/h. Zugunsten des Betroffenen war daher aus technischer Sicht eine Geschwindigkeit von nur max. 79 km/h als Fahrgeschwindigkeit zu bestätigen.

Zudem handelte es sich bei dem Einsatz des Messgerätes vom Typ LEIVTEC XV3 um eine sogenannte abschnittsbezogene Geschwindigkeitskontrolle. Damit war das Grundrecht der betroffenen Kraftfahrzeugführer auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verletzt. Die abschnittsbezogene Geschwindigkeitskontrolle bedarf einer bereichsspezifischen, präzisen und klaren Rechtsgrundlage. Eine solche Rechtsgrundlage fehlte aber zum Zeitpunkt der Messung im September 2020. Deswegen war nach diesseitiger Überzeugung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Hannover vom 12.3.2019, Aktenzeichen: 7 A 849/19 der Einsatz des Messgerätes LEIVTEC XV3 und damit die Messung grundrechtswidrig.

Im Ergebnis folgte die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht der Argumentation und ging nur noch von einer maximal gefahrenen Geschwindigkeit von 79 km/h aus. Dies führte zu einer Reduzierung der Geldbuße auf 80,00 €. Damit war die Mandantschaft mehr als zufrieden.

Es kann daher nur die Empfehlung ausgesprochen werden, Bußgelder nicht kritiklos hinzunehmen, sondern der anwaltlichen und gutachterlichen Überprüfung zu unterziehen.

Schulte Anwaltskanzlei

Thomas Schulte LL.M.

Rechtsanwalt


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Thomas Schulte LL.M.