Mal wieder: Verschweigen einer Reaktion auf eine Abmahnung:Rechtsmissbrauch im einstweiligen Verfügungsverfahren

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Unterlassungsansprüche im gewerblichen Rechtsschutz, sei es im Wettbewerbsrecht oder im Markenrecht werden häufig im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht. Dabei handelt es sich um ein gerichtliches Eilverfahren, bei dem es häufig keine Anhörung des Abgemahnten oder eine mündliche Verhandlung gibt. Das Gericht erlässt dann häufig ohne Anhörung oder mündliche Verhandlung die einstweilige Verfügung als Beschluss.

Das Gericht kennt daher in der Regel nur die eine Seite der Medaille, nämlich die des Abmahners.

Um bei einem zu erwartenden einstweiligen Verfügungsverfahren sich Gehör zu verschaffen, kann z. B. eine Schutzschrift eingereicht werden, in der Hoffnung, dass das Gericht diese auch auffindet. Eine Schutzschrift ist eine Erwiderung auf einen zu erwartenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Jedenfalls muss das Gericht sich darauf verlassen, über den Sachverhalt im Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung vollumfänglich informiert zu sein. Ist dies nicht der Fall, kann Rechtsmissbrauch vorliegen.

Die Rechtsprechung verwendet hier den sehr unschönen Begriff der „Titelerschleichung“.

Wir haben aus unserer Beratungspraxis mit diesem Thema durchaus Erfahrung. Mehr als einmal konnten wir die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung erreichen, weil der Rechtsanwalt des Abmahners bzw. der Abmahner selbst die Reaktion auf die Abmahnung nicht vorgelegt hatte.

OLG Frankfurt zum Verschweigen der Reaktion auf eine Abmahnung

Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Urteilen zum Thema Rechtsmissbrauch bei dem Verschweigen der Reaktion des Abgemahnten. Unter anderem hat das höchste Deutsche Gericht, das Bundesverfassungsgericht, hierzu klare Grundsätze aufgestellt.

Auch in unserer Beratungspraxis spielt dieser Aspekt eine Rolle. Mehr als einmal mussten wir feststellen, dass unsere außergerichtlichen Schriftsätze an die Gegenseite beim Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung nicht vorgelegt wurden.

Nunmehr gibt es zu diesem Thema wieder eine Entscheidung, dieses Mal vom Oberlandesgericht Frankfurt a. M. (OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.05.2024, Az. 6 W 37/24).

Der Sachverhalt zeigt, dass in derartigen Fällen auf Seiten des Abmahners nicht nur eine Sache schiefläuft, sondern Vieles:

Es ging um eine markenrechtliche Abmahnung mit einer markenrechtlichen Unterlassungserklärung. Durch Anwaltsschreiben des Abgemahnten wurde die Abmahnung mit rechtlich inhaltlichen Gründen zurückgewiesen.    

Der Antragsteller beantragte daraufhin eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Hanau, die auch erlassen wurde, obwohl das Landgericht Hanau für markenrechtliche Angelegenheiten gar nicht zuständig ist. Hier hatten sowohl der Anwalt auf der Klägerseite wie aber auch das Gericht geschlafen.

Im Übrigen war es in diesem Fall so, dass die einstweilige Verfügung ohne Antragsschrift an den Gegner zugestellt wurde. Dies ist durchaus möglich und zulässig, viele Gerichte verfügen jedoch bei Erlass einer einstweiligen Verfügung, dass die Antragsschrift mit Anlagen mit zuzustellen ist.

In der Antragsschrift hieß es lediglich, dass die Abmahnung ergebnislos war.

Dass eine Reaktion der Gegenseite vorlag, insbesondere auch ein Anwaltsschreiben, wurde nicht nur verschwiegen, das Anwaltsschreiben wurde auch nicht vorgelegt.

Ebenfalls nicht vorgelegt worden war die der Abmahnung beigefügte Unterlassungserklärung, die eine Vertragsstrafenregelung i. H. v. 50.000,00 € „für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung unter Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs“ vorsah.

Eine Unterlassungserklärung mit einer derart hohen Vertragsstrafe, die vorformuliert einer Abmahnung, zumindest im Wettbewerbsrecht beiliegt, kann für sich genommen schon zum Rechtsmissbrauch führen.

Ohnehin erstaunt in diesem Verfahren so Einiges: Im sogenannten Rubrum, d.h. der Bezeichnung der Beteiligten, war der Anwalt des Abgemahnten mit aufgenommen worden, da er offensichtlich angezeigt hatte, dass er prozessführungs- und zustellbevollmächtigt war. Das Landgericht Hanau hatte angesichts dieser Information offensichtlich nicht eins und eins zusammengezählt und sich gefragt, woher diese Information wohl stammen würde.

Erschwerend kam im vorliegenden Fall noch hinzu, dass die Antragstellerin angegeben hatte, die Durchsetzung ihrer Rechte sei dringend geboten gewesen und das Gericht mehrfach aufgefordert wurde, ohne Beteiligung der Antragsgegnerin zu entscheiden.

Das Gericht sah ferner, das Vorenthalten der Reaktion der Gegenseite auch als vorsätzlich an, wobei es darauf nach unserer Auffassung gar nicht ankommt.

Verstoß nicht heilbar 

Nachdem der Antragsgegner die Antragsschrift erhalten hatte, war klar, dass seine Reaktion fehlte. Er hatte daraufhin die Gelegenheit, nicht nur zum Rechtsmissbrauch, sondern auch inhaltlich vorzutragen. Dies ändert jedoch nichts an der Annahme des Rechtsmissbrauches durch das Vorenthalten der Reaktion des Abgemahnten.

„Ebenso wenig kommt es darauf an, ob das vorgerichtliche Vorbringen der Antragsgegnerin geeignet gewesen ist, zu einer dieser günstigen Entscheidungen zu führen. Es kann nicht vom gewählten Vorgehen des Gerichtes oder anderen Zufälligkeiten abhängen, ob ein prozessual zu missbilligendes Verhalten als Rechtsmissbrauch zu werten ist. Eine dem Antragsteller nicht zuzurechnende „Heilung“ einer Gehörsverletzung würde diesen nach zutreffender Auffassung des Landgerichtes entgegen dem Grundsatz von Treu und Glauben unbillig auf Kosten der Gegenseite bevorzugen.“  

Aus unserer Beratungspraxis wissen wir, dass man häufig sehr genau hingucken muss, was bei dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung eigentlich erwähnt wird und was nicht.

Das Landgericht Hanau hatte im vorliegenden Fall nach unserem Eindruck nicht besonders sorgfältig gehandelt. Es hätte Einiges auffallen müssen.

Auch aus unserer Beratungspraxis ist uns bekannt, dass ein Gericht nicht immer souverän damit umgeht, wenn es erkennen muss, dass eine einstweilige Verfügung eigentlich nicht hätte erlassen werden dürfen, weil eindeutig ein Rechtsmissbrauch vorliegt.

Das Verschweigen der Reaktion des Abgemahnten auf eine Abmahnung ist daher eine schon fast sichere Bank, aufgrund der eindeutigen Rechtsprechung der Gerichte und des Bundesverfassungsgerichts, die zu einem Rechtsmissbrauch und damit zu einer Aufhebung eines Beschlusses auf Erlass einer einstweiligen Verfügung führen kann.

Ich berate Sie bei einer einstweiligen Verfügung.

Zu mir und meiner Tätigkeit:

Ich berate als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz in meiner Kanzlei Internetrecht-Rostock.de seit über 20 Jahren im gewerblichen Rechtsschutz und verfüge daher über Erfahrung aus einer Vielzahl von Abmahnverfahren.

Die Kanzlei Internetrecht-Rostock.de informiert auf ihrer gleichnamigen Internetseite seit mehr als 20 Jahren mit inzwischen über 3.000 Beiträgen über Themen für Online-Händler und berät eine Vielzahl von Online-Händlern bei der Absicherung ihrer Auftritte.

Ich berate Sie bundesweit auch kurzfristig telefonisch. Im Rahmen meiner Beratung erörtere ich mit Ihnen die Rechtslage und die verschiedenen Handlungsalternativen mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen. Selbstverständlich erhalten Sie von mir auch konkrete Empfehlungen für das weitere Vorgehen.  

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Johannes Richard
 Rechtsanwalt
 Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz


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