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Mehr Rechte beim Autokauf: Vorführeffekt bei Fahrzeugmangel und Neuwagen mit Lackschaden

  • 4 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Lackschaden, Motorschaden oder Getriebeschaden – Mängel wie diese trüben schnell die Freude über den Neuwagen oder „neuen“ Gebrauchten. Stellt sich dann auch noch der Verkäufer quer, ist nur noch Frust angesagt. Mängel abstreiten, Käufer abwimmeln oder halbherzig abspeisen fällt Verkäufern nun jedoch schwerer. Dafür sorgen zwei neue Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH), die es in sich haben.

Kein Abwarten bei sicherheitsrelevanter Fehlfunktion

In der ersten BGH-Entscheidung geht es um den Vorführeffekt. Wer kennt den nicht? Das soeben gekaufte Auto macht Probleme. Sobald es aber beim Verkäufer ist, funktioniert es einwandfrei. Verlässt man dessen Grundstück, treten die Probleme wieder auf.

So ging es auch dem Käufer eines gebrauchten Volvo V50. Dessen Kupplungspedal blieb am Fahrzeugboden hängen. Von dort musste man es erst wieder zurückziehen. Das Auto eignete sich damit nicht zum Fahren, so wie man es eigentlich erwarten kann. Damit lag ein Mangel vor. Ein Verkäufer ist aber verpflichtet, dem Käufer die Sache frei von Mängeln zu verschaffen. Schafft er das nicht, kann der Käufer Gewährleistungsrechte geltend machen und somit auf Nacherfüllung, Rücktritt und Schadensersatz verlangen. Diese Rechte können gewerbliche Verkäufer auch bei gebrauchten Fahrzeugen gegenüber Verbrauchern nicht einfach ausschließen.

Die Nacherfüllung genießt insofern Vorrang. Das heißt, bevor ein Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten und gegebenenfalls Schadensersatz verlangen kann, muss er dem Verkäufer die Nachbesserung oder Ersatzlieferung ermöglichen. Bei Gebrauchtwagen ist Ersatz kaum möglich. Deshalb läuft es regelmäßig auf die Reparatur hinaus. Dazu muss der Käufer dem Verkäufer das Problem schildern und ihm die Untersuchung ermöglichen.

Als der Verkäufer mit dem Volvo fuhr, funktionierte das Pedal jedoch einwandfrei. Mehr als die Untersuchungsfahrt unternahm er aber nicht. Der Käufer solle wiederkommen, wenn das Problem erneut auftrete. Das tat er: Als das Pedal erneut am Boden hing, verlangte der Käufer die Reparatur. Der Verkäufer äußerte sich aber nicht dazu. Frustriert erklärte der Käufer daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag – ohne dem Verkäufer zuvor noch eine Frist zur Reparatur zu setzen. Der Verkäufer weigerte sich jedoch, das Fahrzeug zurückzunehmen und den Kaufpreis zu erstatten. Der Käufer klagte – mit Erfolg.

Der BGH entschied: Betrifft ein gelegentlich auftretender Mangel die Verkehrssicherheit eines Fahrzeugs und unterlässt es der Verkäufer, das Fahrzeug eingehend zu untersuchen, muss ein Käufer auf Geheiß des Verkäufers nicht abwarten, dass der Mangel erneut auftritt. Durch ein solches Verhalten nimmt ein Verkäufer seine Möglichkeit zur Nacherfüllung nicht wahr. Der Käufer kann daher in diesen Fällen bei sicherheitsrelevanten Mängeln ohne Fristsetzung vom Kaufvertrag zurücktreten. Ein sicherheitsrelevanter Mangel stellt dabei, auch wenn er sich durch geringen Reparaturaufwand beheben lässt, stets einen erheblichen Mangel dar.

(BGH, Urteil v. 26.10.2016, Az.: VIII ZR 240/15)

Auch geringer Lackschaden nicht unerheblich

Im weiteren Fall freute sich der Käufer über einen neuen Fiat – Kaufpreis 21.500 Euro. Der Neuwagen wurde ihm vereinbarungsgemäß vor die Tür geliefert. Wegen eines Lackschadens an der Fahrertür verweigerte der Käufer aber die Annahme und Bezahlung des Fahrzeugs. Daraufhin ging es zurück zum Verkäufer. Für den lag nur ein Bagatellschaden vor. Der vom Käufer eingeholte Kostenvoranschlag eines Lackierbetriebs belief sich jedoch auf über 500 Euro Reparaturkosten. An Reparaturkosten wollte der Neuwagenverkäufer aber nur maximal 300 Euro übernehmen. Am Ende ließ der Verkäufer den Lackschaden doch auf seine eigenen Kosten beheben. Für Rückholung, Wiederauslieferung und die Zwischenlagerung des Fahrzeugs sollte der Käufer ihm aber 1138,64 Euro zahlen.

Der BGH entschied: Der Pflicht des Käufers zur Kaufpreiszahlung steht die Pflicht des Verkäufers gegenüber, ihm eine mangelfreie Sache zu verschaffen. Käufer dürfen daher auch bei geringfügigen Mängeln auf deren Beseitigung bestehen, bevor sie den Kaufpreis zahlen müssen.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Verhalten des Verkäufers. Er – und nicht der Käufer – muss im Rahmen der Nacherfüllung für die Reparatur sorgen. Verweigert der Verkäufer die Reparatur oder will er nur einen Teil der Reparaturkosten übernehmen, kann der Käufer sich auf sein sogenanntes Zurückbehaltungsrecht und die Einrede des nicht erfüllten Vertrags berufen. Das heißt, solange der Verkäufer die Lieferung eines mangelfreien Autos bzw. die Reparatur des Mangels verweigert, kann der Käufer die Kaufpreiszahlung verweigern.

Dementsprechend kann der Verkäufer die Kosten für Rückholung, Unterbringung und erneute Auslieferung des Autos nicht vom Käufer verlangen. Diese Maßnahmen waren erforderlich, damit er seine Pflicht aus dem Kaufvertrag zur Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs erfüllte. Im Übrigen hat der Verkäufer auch die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.

(BGH, Urteil v. 26.10.2016, Az.: VIII ZR 211/15)

Fazit: Der BGH hat die Rechte von Autokäufern gestärkt. Das gilt besonders bei einem sporadisch auftretenden Mangel, der die Verkehrssicherheit beeinträchtigt. Verkäufer dürfen Käufer hier nicht ohne nähere Untersuchung mit dem verkehrsunsicheren Fahrzeug nach Hause schicken. Sonst erleichtern sie dem Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag.

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

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