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Meine Rechte als Beschuldigter

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Wer der Begehung einer Straftat verdächtig ist, gilt, wenn deswegen ein Ermittlungsverfahren betrieben wird, als Beschuldigter. Von der Beschuldigteneigenschaft erfährt man in der Regel durch die Polizei, die den Tatvorwurf, persönlich oder schriftlich bekannt gibt. Auch andere Maßnahmen, etwa eine unerwartete Wohnungsdurchsuchung oder Festnahme, können mit der Eröffnung des Tatvorwurfs und Begründung der Beschuldigteneigenschaft einhergehen.

Die unfreiwillige Rolle des Beschuldigten trifft nicht nur den "echten Kriminellen" (was immer man darunter verstehen mag). Sie kann grundsätzlich auf jeden, auch den (vermeintlich oder tatsächlich) gesetzestreuen Bürger, zukommen. Allein die Teilnahme am Straßenverkehr birgt ein statistisches Risiko des Verkehrsunfalls in sich. Schnell steht bei einem Personenschaden der Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung oder gar der Gefährdung des Straßenverkehrs im Raum. Ein unbemerkter "Rempler" am Parkplatz führt häufig zur Strafanzeige wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Unser durch eine Flut von Gesetzen geregelter Alltag sieht viele (zum Teil unbekannte) Vorschriften vor, die massenhaft, oft unbemerkt, übertreten werden. Häufig ist dann ein Ermittlungsverfahren die Folge.

Die Rolle des Beschuldigten ist immer unangenehm und belastend. Vielleicht steht eine empfindliche Freiheits- oder Geldstrafe sowie der Verlust der Fahrerlaubnis zu befürchten. Der Ausgang des Ermittlungsverfahrens ist offen. Welche (be- oder entlastenden) Beweismittel es gibt, ist zunächst unklar. Der Beschuldigte hat auch kaum Einfluss auf die Qualität der polizeilichen Ermittlungen. Im ungünstigsten Fall erhärtet sich der Tatverdacht und es kommt zur Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft. Der Beschuldigte sieht sich dann in einer meist öffentlichen Hauptverhandlung vor Gericht mit dem zur Aburteilung stehenden Vorwurf konfrontiert.

Der Beschuldigte ist dabei der Staatsgewalt nicht schutzlos ausgeliefert. Da in jedem Strafverfahren bestimmte "Spielregeln" (Strafprozessordnung) zu beachten sind, kann der Beschuldigte die Erfolgsaussichten auf einen günstigen Verfahrensausgang steigern, wenn er seine Rechte kennt und in Anspruch nimmt. Einige der wichtigsten Rechte sind nachfolgend exemplarisch aufgeführt: 

1. Recht, die Aussage zu verweigern / Schweigerecht

Bei einer Vernehmung als Beschuldigter durch die Polizei oder sonstige Amtspersonen besteht nur die Pflicht, Angaben zur Person zu machen (Vor-, Familien- und Geburtsname, Geburtstag, Geburtsort, Anschrift, Familienstand, Beruf und Staatsangehörigkeit). Zu weitergehenden Angaben ist man nicht verpflichtet. Wer weiterführende Angaben zur Sache tätigt, kann sich hierdurch (ungewollt) selbst belasten. Angaben zur Sache sind alle Äußerungen, die den Sachverhalt, den Tatvorwurf und die konkreten Fragen der Polizei, die über die Personalien hinausgehen, betreffen. Diese freiwilligen Angaben können später über einen Verteidiger nach Akteneinsicht ohne Nachteil nachgeholt werden. In manchen Fällen empfiehlt sich sogar ein völliges Schweigen im Verfahren. Das Schweigen darf nicht zu Lasten des Beschuldigten verwertet werden.

2. Recht auf Hinzuziehung eines Verteidigers

Der Beschuldigte darf sich in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers bedienen. Es empfiehlt sich in jedem Fall vor jeglicher Äußerung zur Sache einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Dieser Wunsch kann immer, auch bereits im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung, geäußert werden.

3. Recht auf freie Wahl des Verteidigers

Die Verteidigung wird in der Regel durch einen Rechtsanwalt geführt. Vorzugswürdig ist im Interesse des Beschuldigten ein Anwalt, der schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des Strafrechts tätig und deshalb mit den Besonderheiten des Strafverfahrens vertraut ist, idealerweise ein Fachanwalt für Strafrecht (ein toller Scheidungsanwalt muss nicht automatisch ein versierter Strafverteidiger sein).

Der Beschuldigte muss sich auch nicht gegen seinen Willen von einem beliebigen Rechtsanwalt verteidigen lassen. Er hat das Recht auf eine Verteidigung durch den Rechtsanwalt seines Vertrauens.

4. Recht auf Information

Die polizeilichen Ermittlungen sind durch Einsatz geschulter Beamte und geschickte Vernehmungsmethoden geprägt. Nicht selten kennt der Beschuldigte das bisherige Ergebnis der Ermittlungen nicht oder nur unvollständig. Bei jeder Äußerung läuft er Gefahr, sich ungewollt in Widersprüche zu verstricken. Würde er den gesamten Inhalt der Ermittlungsakte kennen, würde er vielleicht schweigen oder andere Angaben machen. Für eine sachgerechte Verteidigung ist daher die vollständige Kenntnis des Akteninhalts unerlässlich.

Jedenfalls über einen Verteidiger erlangt der Beschuldigte umfassende Information über sämtliche Beweismittel, Zeugenaussagen und Ermittlungsergebnisse.

5. Recht, einer polizeilichen Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung nicht Folge zu leisten

Wer als Beschuldigter zu einer polizeilichen Vernehmung geladen ist und etwa bei der Dienststelle erscheinen soll, muss dort nach derzeit geltendem Recht in der Regel nicht vorstellig werden (soweit die Polizei im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht selbst Bußgeldbehörde ist). Es muss lediglich sichergestellt sein, dass die Ermittlungsbehörde die Pflichtangaben zur Person (siehe oben Ziff. 1) kennt. Diese Information kann man aber z. B. auch schriftlich übermitteln. Häufig sind die Pflichtangaben ohnehin bereits vorher der Polizei bekannt, so dass man gar nichts mehr tun muss.

Im Falle einer Vorladung bei der Polizei empfiehlt es sich jedoch dringend, umgehend einen Rechtsanwalt hinzuziehen, damit dieser mit der Ermittlungsbehörde Kontakt aufnehmen und im Interesse des Beschuldigten Einfluss auf die weitere Verfahrensgestaltung nehmen kann. Generell empfiehlt es sich, ohne vorherige Beratung mit einem Rechtsanwalt keine Angaben zu den erhobenen Vorwürfen zu machen, um unnötige Selbstbelastungen, Missverständnisse und Widersprüche zu vermeiden.

Zusammenfassung

Welche Verteidigungsstrategie im Einzelfall den größten Erfolg verspricht, lässt sich vorab selten beurteilen. Der verteidigte Beschuldigte hat den Vorteil, sich unter Umständen mehrere Möglichkeiten einer günstigen Verfahrensgestaltung offen zu halten. Auf der Grundlage umfassender Kenntnis aller Beweismittel besteht eine deutlich größere Chance, ein möglichst optimales Ergebnis zu erzielen.

Nach Möglichkeit sollte sich jeder Beschuldigte unverzüglich nach Kenntniserlangung von den Vorwürfen an einen im Strafrecht erfahrenen Rechtsanwalt wenden, vorzugweise einen Fachanwalt für Strafrecht bzw. eine Fachanwältin für Strafrecht.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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