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Mobbing am Arbeitsplatz – wann gibt es Schadenersatz?

  • 5 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Viele Beschäftigte fühlen sich bereits gemobbt, wenn ihr Chef die erledigte Arbeit kritisiert oder Kollegen ein Gespräch beenden, wenn das „Opfer“ den Raum betritt. Diese Situationen sind natürlich alles andere als angenehm und unter Umständen sogar verletzend – Mobbing ist das in der Regel aber noch nicht. Doch wann genau wird Mobbing – oder auch Bossing – angenommen und welche Ansprüche hat das Opfer?

Was ist Mobbing?

Unter Mobbing ist das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren eines Beschäftigten durch seine Kollegen oder durch den Arbeitgeber selbst – letzteres wird auch als sog. Bossing bezeichnet – zu verstehen. Voraussetzung sind also insbesondere länger andauernde Schikanen am Arbeitsplatz, die die Rechte des Opfers – vor allem sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und seine Gesundheit – verletzen. Es muss den Tätern also bewusst darum gehen, ihr Opfer zu zermürben, zu demütigen und „niederzumachen“.

Konflikte am Arbeitsplatz sind üblich

Zu beachten ist jedoch, dass nicht jeder Konflikt am Arbeitsplatz bereits Mobbing darstellt – schließlich müssen viele Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten in einem Unternehmen zusammenarbeiten. Konflikte und Auseinandersetzungen sind da vorprogrammiert. Auf Überempfindlichkeiten einzelner Angestellter ist hier grundsätzlich keine Rücksicht zu nehmen. Das gilt vor allem, wenn im Betrieb ohnehin schon ein „rauer Ton“ herrscht. Auch kann in dem einen Betrieb eine „flapsige“ Begrüßung üblich sein, in einem anderen Unternehmen wird vielleicht gar nicht gegrüßt. Ob Mobbing vorliegt oder nicht, muss daher stets im Einzelfall beurteilt werden. Ein „Mobbinggesetz“, das bestimmte Vorfälle als Mobbing oder Bossing definiert, gibt es nämlich nicht.

Vereinzelte Belästigungen sind noch kein Mobbing

Letztlich ist auch eine Gesamtschau sämtlicher Attacken gegen das „Opfer“ für die Beurteilung maßgeblich, ob Mobbing vorliegt. Denn die einzelnen Verhaltensweisen sind zwar häufig unschön, für sich genommen aber noch kein Mobbing. Es muss daher einen inneren Zusammenhang zwischen den einzelnen Taten geben, die sich auf eine einzelne Person konzentrieren müssen. Wenn also z. B. über einen längeren Zeitraum hinweg Arbeitnehmer stets aufstehen, sobald ein bestimmter Kollege sich zu ihnen setzt, Witze über ihn reißen und ihn ignorieren, könnte Mobbing vorliegen. Gleiches kann in Bezug auf Bossing gelten, wenn der Arbeitgeber einem Betroffenen ständig Aufgaben zuweist, für die er eigentlich überqualifiziert ist, ihn vor Kollegen „runterputzt“ und jeden seiner Fehler besonders hart sanktioniert.

Eine Abmahnung wegen tatsächlicher Vertragsverstöße des Angestellten, z. B. wegen verbotener Privatnutzung des Internets, häufigen Zuspätkommens oder nicht genehmigter Pausen, berechtigte Kritik wegen schlechter Arbeit oder eine etwas ruppigere Art des Chefs stellt aber noch kein Mobbing dar – Beschäftigte dürfen hier nicht überempfindlich reagieren, sondern müssen lernen, damit umzugehen.

Mitverschulden des Betroffenen?

Es ist immer zu prüfen, ob der Betroffene das Verhalten eventuell mitverursacht bzw. provoziert hat. Hat er z. B. seine Kollegen selbst immer wieder angepöbelt und wehren sie sich nur, kann es passieren, dass der Schadenersatzanspruch des Mobbingopfers reduziert wird. Auch ist es einem Mobbingopfer grundsätzlich zumutbar, sich über den Täter zu beschweren und Hilfe vom Arbeitgeber zu fordern, um weitere Schikanen zu verhindern und den Betriebsfrieden wiederherzustellen.

Ansprüche des Opfers gegen den Arbeitgeber?

Den Arbeitgeber trifft eine sog. Fürsorgepflicht nach § 241 II Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – er muss seine Beschäftigten unter anderem vor Mobbing schützen. Erfährt bzw. weiß er vom Mobbing durch andere Angestellte, muss er dagegen vorgehen und dies notfalls sanktionieren. So kann er z. B. den Täter abmahnen, eventuell in eine andere Abteilung versetzen oder im schlimmsten Fall sogar entlassen.

Zuvor muss er aber alles versuchen, um das Mobbing anderweitig zu verhindern. Möglich sind hier z. B. eine Mediation, Schlichtungs- bzw. Gruppengespräche oder eine Ermahnung. Bleibt der Arbeitgeber jedoch untätig, macht er sich eventuell schadenersatzpflichtig. Weiß er dagegen nichts von den Attacken, ist ihm das Verhalten der Angestellten grundsätzlich auch nicht zurechenbar. Er muss dann keinen Schadenersatz leisten. Ist der Chef selbst der Täter, kann das Opfer Unterlassung und eventuell Schadenersatz bzw. Schmerzensgeld verlangen.

Werden die Mobbingattacken unerträglich, darf der Beschäftigte auch außerordentlich kündigen. Hiervon wird er in der Regel aber keinen Gebrauch machen wollen – er ist dann zwar die Schikanen los, seinen Job aber auch.

Betroffener muss Mobbing beweisen

Verlangt der Angestellte wegen Mobbing Schadenersatz, muss er regelmäßig nachweisen, dass er schikaniert wurde. Das ist im Einzelfall gar nicht so leicht. Selbst ein Mobbingtagebuch kann im Zweifel nicht weiterhelfen, wenn es nicht durchgängig geführt wird und den Eindruck erweckt, dass es nachträglich erstellt wurde. Vielmehr muss der jeweilige Vorfall nach Inhalt, Zeitpunkt, Ort und den beteiligten Personen – vor allem unter Nennung der Täter – aufgeschlüsselt werden. Nur so kann schließlich beurteilt werden, ob tatsächlich Mobbing vorliegt oder ob der Betroffene nur überempfindlich reagiert hat. Auch kann der Arbeitgeber den Sachverhalt erst nach Erhalt der Informationen prüfen und weitere Mobbingattacken verhindern.

Wurden minderwertige Arbeiten zugewiesen?

Ein Beschäftigter wurde als Gruppenleiter einer Behindertenwerkstatt eingestellt, durfte aber nach eigenen Aussagen nur geringwertige Arbeiten erledigen, z. B. Kabelbinder kontrollieren oder Material einschweißen. Auch sei ihm stets das Gefühl gegeben worden, unerwünscht zu sein. Das habe er auch so in seinem Mobbingtagebuch niedergeschrieben. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses verlangte er daher von seinem früheren Arbeitgeber Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen Mobbings.

Kein Schadenersatz mangels Beweisen

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz wies sämtliche Ansprüche des Angestellten gemäß den §§ 823 ff. BGB i.V.m. Art. 1 I, 2 I Grundgesetz (GG) zurück.

Es fehlte nämlich der Nachweis, dass der Gruppenleiter tatsächlich gemobbt wurde. Stattdessen hat er nur pauschal behauptet, unter anderem gegängelt und beschimpft worden zu sein. Erforderlich wäre jedoch ein ausführlicher Vortrag dazu gewesen, wann er wo, von wem und wie gemobbt wurde. Ein dementsprechend geführtes Mobbingtagebuch kann bei der Prüfung grundsätzlich helfen.

Vorliegend erweckte das vorgelegte Tagebuch jedoch den Eindruck, dass es nachträglich und lückenhaft erstellt worden war. Auch enthielt es Fehler – so soll er angeblich an Tagen schikaniert worden sein, an denen er tatsächlich freihatte. Letztlich gab das Tagebuch nur subjektive Empfindungen wieder, nicht jedoch Ausführungen zu den jeweiligen Vorfällen. Die hätte er – als persönlich Betroffener – jedoch problemlos schildern können. Weil es somit keinen Beweis für Mobbing am Arbeitsplatz gab, ging der ehemalige Gruppenleiter vor Gericht leer aus (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 30.11.2015, Az.: 3 Sa 371/15).

Fazit: Ob Mobbing vorliegt, ist stets im Einzelfall zu prüfen. Auch muss der Betroffene die Schikanen durch Kollegen oder Vorgesetzte beweisen. Allerdings werten Gerichte deren Verhalten selten als Mobbing – zumeist halten sie den Betroffenen vielmehr für überempfindlich und lehnen daher Schadenersatz wegen Mobbings ab.

(VOI)

Foto(s): ©Fotolia.com

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