Müssen Schulen und Kitas in Düsseldorf ab dem 20. April wieder öffnen?

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Mit zwei Erlassen vom 13.03.2020 hat das Gesundheitsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen die aufsichtsrechtliche Weisung erteilt, alle Schulen zu schließen und nur noch Kindern, deren Eltern eine unentbehrliche Schlüsselposition bekleiden, den Zugang zu Kindertageseinrichtungen zu gestatten.

Als Begründung nennen beide Schreiben die Unterbrechung der Ausbreitungsdynamik, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die medizinische und pflegerische Versorgung aufrecht zu erhalten.

Beide Maßnahmen wurden zeitlich bis zum 19.04.2020 beschränkt, sodass spätestens zu diesem Zeitpunkt über eine Verlängerung der Maßnahmen neu zu entscheiden und somit auch neu abzuwägen ist.

Ins Verhältnis zu setzen sind dabei u. a. das Ziel der Aufrechterhaltung des Gesundheitswesens auf der einen und die schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen, die die gegen die Corona-Krise ergriffenen Maßnahmen nach sich ziehen auf der anderen Seite. Inzwischen mehren sich die Stimmen, die auch die wirtschaftliche Seite stärker in Abwägung mit einbeziehen wollen. So mahnt der Chef der Organisation für wirtschaftlichen Zusammenarbeit (OECD) José Ángel Gurria, neben der Gesundheitskrise auch die Beschäftigungskrise in den Blick zu nehmen.

Oberbürgermeister Thomas Geisel hat im Hinblick auf die gesundheitliche Versorgung in einem Gastbeitrag in der Rheinischen Post darauf hingewiesen, dass Düsseldorf im Hinblick auf die gesundheitliche Versorgung gut aufgestellt sei. Und tatsächlich: Stand Montag, 23.03.2020 gab es laut Rheinischer Post in Düsseldorf bei 7 intensivmedizinisch betreuten Covid-19-Fällen noch 50 freie Betten auf Intensivstationen. 42 weitere könnten innerhalb von 12 Stunden bereitgestellt werden.

Im Rahmen der Abwägung der zu treffenden Maßnahmen ist darüber hinaus auch immer danach zu fragen, ob es weniger einschneidenden Maßnahmen gibt. Hier mehren sich insbesondere in Berlin nun auch die Stimmen, die ein Umschwenken fordern. Statt die gesamte Bevölkerung und damit auch die Wirtschaft einzuschränken, wird inzwischen vorgeschlagen, den umgekehrten Weg zu gehen und die Risikogruppen durch Maßnahmen zu schützen. 

Da die weit überwiegende Anzahl der schweren Covid-19-Fälle bei älteren und gesundheitlich vorgeschädigten Personen auftritt, könnte so einerseits das Gesundheitssystem entlastet und andererseits das öffentliche Leben und insbesondere die Wirtschaft nicht mehr weiter belastet werden.

Dieser Argumentation wird man sich bei einer erneuten Entscheidung über die Schließung von Schulen und Kitas nicht verschließen können.

Art 3 GG, den einige Politiker in Berlin als Begründung für den umfassenden Shutdown heranziehen spielt für die Abwägung dagegen keine Rolle. Art. 3 GG gebietet zwar die Gleichbehandlung von im Wesentlichen Gleichen, lässt aber umgekehrt die Ungleichbehandlung von Ungleichen nach ganz herrschender Meinung zu. § 28 Infektionsschutzgesetzt (IfSG) wendet sich in seinem Kerngehalt im Übrigen auch an Einzelpersonen, namentlich an Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider.

Falsch liegt Oberbürgermeister Geisel allerdings, wenn er darauf hinweist, dass die Frage der weiteren Schul- und Kitaschließung einheitlich auf Landesebene beantworten werden muss. Es ist durchaus möglich, insbesondere Kitas in Städten mit einer guten medizinischen Versorgung und einer überschaubaren Zahl an Corona-Fällen (in Düsseldorf waren es Stand 23.03.2020 249 Fälle) wieder zu öffnen, um dort Stück für Stück zur Normalität zurückzukehren.

Soweit die erneute Schließung von Schulen und Kitas wiederum auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 IfSG ergeht, müsste allerdings jeder Betroffene gegen diese erneute Maßnahme einzeln klagen.

Nachtrag 15.04.2020:

Kanzlerin und Länderchefs beraten heute in einer Telefonkonferenz über das teilweise Ende des Shutdowns. Es geht insbesondere darum, ob Schulen und Kitas ab dem 20.04.2020 wieder öffnen dürfen. 

Das Gesundheitssystem der Stadt Düsseldorf hat den Druck des Ausbruchs soweit ersichtlich ausgehalten. Stand 14.04.2020 sind 806 der ca. 620.000 Einwohner der Stadt mit dem Coronavirus infiziert. 71 werden in Krankenhäusern behandelt, 45 davon auf Intensivstationen. Die Grenze der am 23.03.2020 noch freien Intensivbetten wurde somit nicht erreicht; die 42 als Reserve ausgewiesenen Betten mussten nicht in Anspruch genommen werden, von den 54 weiteren Betten etwas unter Intensivversorgungsniveau ganz zu schweigen. Die Zahl der auf Intensivstationen behandelten Menschen ist seit einer Woche (41) auf gleichbleibendem Niveau. Die Zahl der im Krankenhaus behandelten Menschen seit dem 05.04.2020 (82) rückläufig. 

Vor diesem Hintergrund erscheint eine Rückkehr zur Normalität möglich, zumal die die gesamte Bevölkerung treffenden wirtschaftlichen Folgen von Tag zu Tag härter und unumkehrbarer werden. Nur durch eine Öffnung ist zudem die von der Bundesregierung propagierte Herdenimmunität zu erreichen, durch die ein umfassender Schutz der Bevölkerung möglich wäre. In Düsseldorf werden derzeit je nach Anzahl der durchgeführten Tests pro Tag zwischen 10 und 18 Neuinfektionen ermittelt. Man muss kein Mathematiker sein, um zu erkennen, dass das Ziel "Herdenimmunität" damit auf lange Sicht nicht zu erreichen ist.

Der Staat sollte sich zudem auf etwas besinnen, das in § 1 Abs. 2 des Infektionsschutzgesetzes ausdrücklich genannt ist, nämlich die Eigenverantwortung des Einzelnen. Auch nach einer Lockerung der Shutdown-Maßnahmen bleibt es jedem, insbesondere den Risikogruppen, unbenommen, durch geeignete, selbst ergriffene Maßnahmen für den eigenen und den Schutz anderer zu sorgen. Das bedeutet nicht nur, dass nach einer Öffnung des Shutdowns die weitere Verbreitung der Krankheit auch in der Hand der Bürger liegt. Im Hinblick auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer erneuten Schließung wird immer zu prüfen sein, ob das angestrebte Ziel überhaupt des konkreten staatlichen Eingriffs bedarf oder ob es mildere Mittel, z. B. eine Maskenpflicht oder eben von den Bürgern eigenverantwortlich ergriffene Maßnahmen gibt, mit denen die Ausbreitung der Krankheit ebenso wirksam eindämmt werden kann.

Es sprechen also gute Gründe dafür, dass ein weiterer uneingeschränkter Shutdown den Anforderungen des Gesetzes nicht genügen würde. 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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