Muss ein Reiseveranstalter verbindliche Flugzeiten in den Reisevertrag aufnehmen?

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Mit Urteil vom 10. Dezember 2013 hat der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat beim Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die Luftbeförderung bei einer Flugreise zu den vom Reiseveranstalter zu erbringenden Hauptleistungen gehört und dass der Reisevertrag die Frage regeln muss, wann sie erbracht werden soll. Allerdings hat der BGH einschränkend ausgeführt, dass der Zeitpunkt der Abreise im Reisevertrag nicht nur als nach Tag und Uhrzeit bezeichneter Zeitpunkt vereinbart, sondern auch zum Gegenstand eines Leistungsbestimmungsrechts des Reiseveranstalters gemacht werden kann, das es diesem dann erlaubt, die genaue Leistungszeit nach Vertragsschluss festzulegen. Wenn allerdings im Reisevertrag eine voraussichtliche Abreisezeit zugrunde gelegt wird, ist diese annähernd einzuhalten.

Was war geschehen?

Ein großer deutscher Reiseveranstalter wurde von dem Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer wegen der Verwendung folgende Klausel abgemahnt:

„Die endgültige Festlegung der Flugzeiten obliegt dem Veranstalter mit den Reiseunterlagen.“

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hielt diese Klausel für unwirksam und mahnte den Reiseveranstalter ab. Das Landgericht hat angenommen, die Klausel sei unwirksam, denn sie verstoße gegen § 308 Nr. 4 BGB und auch gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das Oberlandesgericht hat das Urteil bestätigt.

Das Urteil des BGH

Der Senat hat zwar betont, dass der Reiseveranstalter nach § 651a Abs. 1 BGB durch den Reisevertrag verpflichtet wird, dem Reisenden eine Gesamtheit von Reiseleistungen, zum Beispiel den Flug zu dem gewünschten Urlaubsort und die Zurverfügungstellung eines Hotelzimmers zu erbringen. Die Flugleistung ist zeitgebunden, weil sie nur erbracht werden kann, wenn der Reisende an ihr mitwirkt, indem er sich rechtzeitig am Flughafen und am Ausgang einfindet. Daher muss der Reisevertrag regeln, wann sie erbracht werden soll.

Dies könne zum einen dadurch geschehen, dass Reiseveranstalter und Reisender bereits bei Vertragsschluss eine bestimmte Uhrzeit für den Hin- und Rückflug vereinbaren. Allerdings kann sich der Reiseveranstalter bei Reiseverträgen, die lange vor der vorgesehenen Reisezeit geschlossen werden, auch ein Leistungsbestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB ausbedingen, das es ihm erlaubt, bei Vertragsschluss bestehenden Unwägbarkeiten hinsichtlich der zum Reisezeitpunkt möglichen Flugzeiten dadurch Rechnung zu tragen, dass er den Zeitpunkt der Abreise und der Rückreise erst zu einem späteren Zeitpunkt festlegt.

In diesem Fall muss der Reisevertrag allerdings bestimmen, in welchem Rahmen das Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt werden darf, d. h., ob der Reiseveranstalter sogar befugt sein soll, den Tag festzulegen und ob ihm bei festgelegtem Tag der gesamte Zeitraum von 0:00 Uhr bis 23:59 Uhr zur Bestimmung der Abflugzeit zur Verfügung stehen soll oder ob er bei der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts jedenfalls auf eine bestimmte Tageszeit oder ein bestimmtes Zeitfenster festgelegt sein soll. Reiseveranstalter, die meinen, einen vergleichsweise großen Spielraum im Hinblick auf die Flugzeit zu benötigen, können sich dieses Zeitfenster durch entsprechende Vereinbarung mit dem Reisenden verschaffen. Wie der Rahmen dieses Zeitfensters vertraglich bestimmt werden kann, hat der BGH in seiner Entscheidung offen gelassen.

Unter Verweis auf § 6 Abs. 2 Nr. 2 BGB-InfoV hat der BGH erwähnt, dass im Reisevertrag weder eine voraussichtliche Abflugzeit noch eine Zeit der Abreise und die Zeit der Rückkehr festzulegen sind. Es bleibt daher der Vereinbarung zwischen den Parteien überlassen, ob sie Flugzeiten in den Reisevertrag aufnehmen, die dann verbindlichen Charakter haben oder eben Flugzeiten noch nicht aufnehmen und dem Reiseveranstalter nach Vertragsschluss das Recht eingeräumt wird, die Leistungszeit zu bestimmen.

Anmerkung zu dem Urteil

Das Urteil des BGH erweist sich als sachgerecht. Der Reiseveranstalter hat nun die Wahl, im Vertrag eine Konkretisierung vorzunehmen, damit hat er sich aber auch an die Flugzeiten gebunden. Reisende werden bei Festlegung auf eine bestimmte Flugzeit möglicherweise einen höheren Preis zahlen müssen, dafür haben sie aber auch Planungssicherheit. Andererseits kann es auch im Interesse des Reisenden liegen, ähnlich wie bei den sogenannten Fortuna-Reisen (der Reiseveranstalter behält sich die Auswahl des Hotels vor) gegen einen günstigeren Reisepreis dem Veranstalter die Bestimmung der Flugzeiten zu überlassen. Der Reisende hat die Wahlmöglichkeit und kann entscheiden, welche Art der Reiseleistungen er in Anspruch nehmen möchte. Auch wenn einige unbelehrbare Fluggäste annehmen, ein Reiseveranstalter sei in jedem Fall zur verbindlichen Benennung der Flugzeiten verpflichtet, sollte bedacht werden, dass eine solche Fixierung auf feste Flugzeiten in aller Regel erfolgt und dass die vereinbarte Freiheit des Reiseveranstalters, die Flugzeiten selbst bestimmen zu dürfen, die Ausnahme bildet.

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Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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