Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch und deliktische Haftung

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Mit Urteil vom 15.07.2011 zum Aktenzeichen V ZR 277/10 hat der BGH entschieden, dass eine an landesrechtliche Nachbarvorschriften anknüpfende deliktsrechtliche Haftung keine Sonderregelung darstellt, die etwa den sog. „nachbarrechlichen Ausgleichsanspruch“ analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ausschließt. Insbesondere bei einem Schaden von fast 4.000,00 EUR war auch die Grenze dessen überschritten, was der Eigentümer noch ausgleichslos dulden müsse. Hierbei war auch unerheblich, dass es sich um sog. Grobimmissionen in Gestalt übertretenden Niederschlags- oder Leistungswassers handelte.


Im vorliegenden Fall kam es an dem Haus der Klägerin zu einem Feuchtigkeitsschaden, den diese auf ein defektes, unmittelbar an die Regenrinne anschließendes Wandabschlussblech des niedriger gelegeneren giebelseitig angrenzenden Hauses des Beklagten zurückführte, von wo aus das Traufwasser in das Haus der Klägerin eindrang. Die Klägerin verlangte Schadensersatz nebst Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden. Der BGH verneinte zunächst ein gesetzliches Schuldverhältnis aus § 280 BGB. Im Verhältnis der Grundstücksnachbarn gälten vielmehr die eigentumsrechtlichen Regelungen der §§ 905 ff. BGB, welche ebenso wie die nachbarrechtlichen Vorschriften der Länder den Grundsatz, dass jeder Eigentümer mit seiner Sache nach belieben verfahren kann, im wesentlichen konkretisieren und im Sinne gegenseitiger Rücksichtnahme einschränken. Eine Verletzung der landesrechtlichen Regelung, wonach bauliche Anlagen so einzurichten sind, dass von ihnen kein Niederschlagswasser auf das Nachbargrundstück gelangt, stellt hierbei zugleich eine rechtswidrige Einwirkung auf das Eigentum des Grundstücksnachbarn dar, welche Beseitigungs- bzw. Schadensersatzansprüche nach §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. dem jeweiligen Nachbarrechtsgesetz des Landes begründet. In diesem Fall folgt das Verschulden grundsätzlich aus der objektiv feststehenden Pflichtverletzung. Daneben kommt nach Auffassung des BGH jedoch auch ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog in Betracht. Dieser erfasst zunächst auch sog. „Grobimmissionen“. Entscheidend hierbei ist, ob der Eigentümer, der diese nicht dulden muss, diese aus besonderen Gründen nicht unterbinden konnte und hierbei unzumutbare Beeinträchtigungen erleidet. Diese Grenze sah der BGH vorliegend bei einem Schaden von nahezu 4.000,00 EUR überschritten. Gleichfalls lag in dem Vertrauen auf die nachbarliche Zusage, das Blech demnächst reparieren zu lassen, auch ein tatsächlicher Hinderungsgrund, die Einwirkung rechtzeitig zu unterbinden. Auch stand nicht etwa der Anwendung des nachbarrrechtlichen Ausgleichsanspruches, welcher grundsätzlich subsidiär ist und nur dann in Betracht kommt, wenn nicht andere gesetzliche Regelungen zur Anwendung gelangen, nicht entgegen, dass das Landesrecht entsprechende Verhaltensnormen aufstellte. Denn diese sahen gerade keine Rechtsfolge bei einem Verstoß gegen die hierin normierten Pflichten vor, so dass der Ausgleichsanspruch durch die an sich gegebene deliktsrechtliche Haftung in Verbindung mit den landesrechtlichen Nachbarvorschriften als Schutzgesetz gerade nicht ausgeschlossen war.


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