Nachbelehrung vom Versicherer? Was Sie bei alten Lebensversicherungen jetzt wissen müssen!

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Haben Sie eine Lebens- oder Rentenversicherung zwischen 1995 und 2007 abgeschlossen? Dann könnten Sie Post von Ihrem Versicherer erhalten haben oder noch bekommen – eine sogenannte Nachbelehrung. Diese hat es in sich, denn sie könnte Ihr möglicherweise bestehendes "ewiges Widerspruchsrecht" beenden. Erfahren Sie hier, was dahintersteckt und wie Sie reagieren sollten.

Das "ewige Widerspruchsrecht": Eine Chance für viele Versicherungsnehmer

Viele Lebens- und Rentenversicherungsverträge, die zwischen dem 1. Januar 1995 und dem 31. Dezember 2007 abgeschlossen wurden, enthielten fehlerhafte Widerrufsbelehrungen. Nach damaligem Recht (insbesondere § 5a des Versicherungsvertragsgesetzes alter Fassung, kurz VVG a.F., im sogenannten Policenmodell) begann die Widerspruchsfrist oft nicht zu laufen, wenn die Belehrung nicht korrekt war. Das sogenannte Policenmodell bedeutet, dass Versicherungsnehmer die Vertragsunterlagen inklusive der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen erst mit dem Versicherungsschein (Police) erhielten, nachdem sie ihren Antrag gestellt hatten.

Die Folge einer fehlerhaften Belehrung: Versicherungsnehmer konnten ihren Verträgen oft noch Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte später widersprechen – selbst wenn diese bereits gekündigt oder ausgelaufen waren. Ein erfolgreicher Widerspruch führt zur Rückabwicklung des Vertrages. Das bedeutet, der Versicherer muss die eingezahlten Prämien erstatten und zusätzlich die von ihm mit dem Sparkapital erwirtschafteten Nutzungen herausgeben. Lediglich die Kosten für den genossenen Versicherungsschutz (z.B. für einen Todesfallschutz) und bereits erfolgte Auszahlungen darf der Versicherer abziehen.

Fehlerquellen in den alten Belehrungen waren vielfältig:

  • Falsche Angaben zum Beginn oder zur Dauer der Widerspruchsfrist (oft 14 Tage, später 30 Tage).
  • Unklare Formulierung zur Form des Widerspruchs (z.B. Schriftform statt der später ausreichenden Textform).
  • Fehlender Hinweis, dass zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genügt.
  • Die Belehrung war nicht ausreichend drucktechnisch hervorgehoben.

Die Nachbelehrung: Versuch der Versicherer, das Widerspruchsrecht zu beenden

Um dieses für sie kostspielige "ewige Widerspruchsrecht" zu beenden, haben einige Versicherer begonnen, sogenannte Nachbelehrungen zu versenden. Mit einer solchen nachträglichen, korrekten Belehrung soll die ursprünglich versäumte oder fehlerhafte Belehrung "geheilt" und die Widerspruchsfrist doch noch in Gang gesetzt werden. Läuft diese Frist dann ungenutzt ab, wäre das Widerspruchsrecht endgültig verloren.

Was sagt der Bundesgerichtshof (BGH) zur Nachbelehrung?

Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage der Nachbelehrung beschäftigt. In einem wichtigen Urteil vom 15. März 2023 (Az. IV ZR 40/21) stellte der IV. Zivilsenat klar, dass eine Nachbelehrung unter bestimmten Umständen tatsächlich dazu führen kann, dass sich Versicherungsnehmer nicht mehr auf ihr Widerspruchsrecht berufen können. Dies geschieht nicht automatisch durch eine "Heilung" des alten Fehlers, sondern kann im Einzelfall dazu führen, dass die spätere Ausübung des Widerspruchsrechts als rechtsmissbräuchlich angesehen wird (Verwirkung gemäß § 242 BGB), wenn die Nachbelehrung bestimmten Anforderungen genügt und der Versicherungsnehmer nicht fristgerecht widerspricht.

Die Richter stellten dabei klar, dass dies insbesondere für Verträge gilt, die im Policenmodell (§ 5a VVG a.F.) geschlossen wurden. Für Verträge im sogenannten Antragsmodell (bei dem alle Unterlagen und die Belehrung vor Antragstellung übergeben und die Belehrung per Unterschrift bestätigt werden mussten, § 8 Abs. 5 VVG a.F.), ist eine Nachbelehrung in der Regel nicht möglich, da die Bestätigung der Belehrung durch Unterschrift des Versicherungsnehmers nicht nachträglich herbeigeführt werden kann.

Achtung: Nur eine korrekte Nachbelehrung kann Folgen haben!

Damit eine Nachbelehrung überhaupt Wirkung entfalten kann, muss sie selbst höchsten Anforderungen genügen. Der BGH stellt klar, dass die Nachbelehrung – abgesehen vom Zeitpunkt – die gleichen strengen gesetzlichen Anforderungen erfüllen muss wie die ursprüngliche Belehrung. Achten Sie besonders auf folgende Punkte:

  1. Klarheit und Verständlichkeit: Die Nachbelehrung muss umfassend, inhaltlich richtig, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Es muss klar hervorgehen, dass Sie die Möglichkeit haben, Ihrem ursprünglichen Vertrag (dessen Abschluss möglicherweise Jahre zurückliegt) jetzt noch zu widersprechen. Zweifelhafte Formulierungen oder der Eindruck, der Versicherer erkenne ein Widerspruchsrecht eigentlich nicht an, gehen zulasten des Versicherers.
  2. Korrekter Inhalt nach altem Recht: Die Belehrung muss alle Informationen enthalten, die nach der zum Zeitpunkt des ursprünglichen Vertragsschlusses geltenden Fassung des VVG a.F. erforderlich waren. Das betrifft insbesondere die Fristdauer, die Form des Widerspruchs und den Hinweis auf die fristwahrende Absendung.
  3. Deutlicher Bezug zum alten Vertrag: Die Nachbelehrung muss sich eindeutig auf den konkreten, damals geschlossenen Versicherungsvertrag beziehen, dessen Widerspruchsmöglichkeit nun neu eröffnet werden soll. Die Versicherungsnummer sollte klar genannt sein.
  4. Keine ablenkenden oder irreführenden Zusätze: Zusätzliche Erklärungen, die nichts mit der eigentlichen Belehrung zu tun haben, von ihr ablenken oder Sie verwirren könnten, können die Nachbelehrung unwirksam machen. Ein Beispiel aus der Praxis, das von Juristen kritisch gesehen wird, sind einseitige Darstellungen vermeintlicher Nachteile eines Widerspruchs, wie etwa ungenaue oder falsche Angaben zu den Kosten des Versicherungsschutzes, die bei einer Rückabwicklung anfallen würden.
  5. Zugang aktueller Vertragsinformationen (bei laufenden Verträgen): Damit Sie eine fundierte Entscheidung über den Widerspruch treffen können, ist es nach Ansicht von Rechtsexperten erforderlich, dass der Versicherer Ihnen mit der Nachbelehrung auch aktuelle und vollständige Informationen zum Stand Ihres Vertrages zukommen lässt (z.B. aktueller Versicherungsschein, aktuelle Verbraucherinformationen, Informationen über Prämien, Leistungen, Rückkaufswerte). Nur so können Sie beurteilen, ob ein Festhalten am Vertrag oder ein Widerspruch für Sie sinnvoller ist. Dies gilt insbesondere, wenn sich seit Vertragsbeginn wesentliche Aspekte geändert haben (z.B. durch Beitragsanpassungen, Fondsänderungen bei fondsgebundenen Policen).
  6. Nachweis des Zugangs: Der Versicherer muss beweisen, dass Sie die Nachbelehrung auch tatsächlich erhalten haben. Allerdings können Sie als Versicherungsnehmer den Zugang nicht einfach pauschal mit Nichtwissen bestreiten, wenn Sie Post von Ihrem Versicherer erhalten haben. Sie müssen nachvollziehbar darlegen, warum Sie die Unterlagen nicht erhalten haben sollen.

Was tun, wenn Sie eine Nachbelehrung erhalten?

  • Nicht ignorieren: Die in der Nachbelehrung genannte Frist (meist 14 oder 30 Tage) beginnt mit dem Zugang des Schreibens bei Ihnen zu laufen!
  • Zugangsdatum dokumentieren: Notieren Sie sich genau, wann Sie das Schreiben erhalten haben (z.B. durch Aufbewahrung des Briefumschlags mit Poststempel).
  • Inhalt sorgfältig prüfen (lassen): Vergleichen Sie die Nachbelehrung mit den oben genannten Anforderungen. Ist sie wirklich korrekt und vollständig?
  • Widerspruchsoption abwägen: Überlegen Sie, ob ein Widerspruch für Sie wirtschaftlich vorteilhaft sein könnte. Dies ist oft der Fall, kann aber nur im Einzelfall beurteilt werden.
  • Schnell handeln: Aufgrund der kurzen Fristen ist Eile geboten.

Fazit und Empfehlung

Eine Nachbelehrung durch Ihren Lebens- oder Rentenversicherer ist ein ernstzunehmendes Schreiben mit potenziell weitreichenden Folgen für Ihr Widerspruchsrecht. Ob die Ihnen zugegangene Nachbelehrung wirksam ist und welche Schritte für Sie nun die richtigen sind, lässt sich pauschal nicht beantworten.

Daher gilt: Wenn Sie eine Nachbelehrung erhalten haben oder vermuten, dass Ihr zwischen 1995 und 2007 geschlossener Versicherungsvertrag eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung enthält, sollten Sie umgehend anwaltlichen Rat einholen. Ein spezialisierter Rechtsanwalt kann prüfen, ob die ursprüngliche Belehrung fehlerhaft war, ob die Nachbelehrung den gesetzlichen Anforderungen entspricht und ob ein Widerspruch in Ihrer Situation wirtschaftlich sinnvoll ist. Nur so können Sie Ihre Rechte wahren und eine fundierte Entscheidung treffen. Ich helfe als Fachanwalt für Versicherungsrecht gerne.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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