Neues vom Widerrufsjoker: die Entscheidung des BGH vom 04.06.2019 (XI ZR 331/17)

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Eine jüngst veröffentlichte Entscheidung des BGH vom 04.06.2019 (Az.: XI ZR 331/17) hat für viele Darlehensnehmer eine neue höchst erfolgsträchtige Möglichkeit eröffnet, ab dem 11.06.2010 abgeschlossene Immobilienkreditverträge zu widerrufen.

Dies betrifft Fälle, in denen die Bank im Rahmen der Widerrufsinformation den Beginn der Widerrufsfrist davon abhängig gemacht hat, dass der Darlehensgeber „seine Pflichten aus § 312g Absatz 1 Satz 1 BGB (…) erfüllt hat.“

㤠312g BGB a. F.

Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr 

(1) Bedient sich ein Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien (Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr), hat er dem Kunden

  1. angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe der Kunde Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung erkennen und berichtigen kann,
  2. die in Artikel 246 § 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche bestimmten Informationen rechtzeitig vor Abgabe von dessen Bestellung klar und verständlich mitzuteilen,
  3. den Zugang von dessen Bestellung unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen und
  4. die Möglichkeit zu verschaffen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern.“

Dieser Passus gilt allerdings nur für Geschäfte, die im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossen werden.  Ein Vertragsabschluss auf dem Wege des „elektronischen Geschäftsverkehrs“ liegt nur dann vor, wenn das Geschäft ausschließlich online abgeschlossen wird. Dies allerdings kommt bei Immobilienkreditverträgen so gut wie niemals vor. Obwohl seit Juni 2010 die rechtliche Möglichkeit besteht, auch Darlehensverträge im elektronischen Geschäftsverkehr zu schließen, werden in aller Regel Immobiliardarlehensverträge nach wie vor im Wege der eigenhändigen Unterzeichnung der Vertragsurkunde durch die Vertragsparteien insbesondere den Darlehensnehmer abgeschlossen. Die eigenhändige Unterzeichnung auch nur eines Vertragspartners jedoch hat zur Folge, dass der Vertrag nicht unter die Vorschriften des elektronischen Geschäftsverkehrs fällt.

Dementsprechend hat der BGH in der erwähnten Entscheidung die Verwendung einer derartigen Klausel im Rahmen der Widerrufsinformation eines nicht im elektronischen Geschäftsverkehr abgeschlossenen Immobiliendarlehensvertrags als Widerspruch zur maßgeblichen Rechtslage erklärt. Der Umstand, dass der Beginn der Widerrufsfrist an die Erfüllung einer Bedingung gebunden wurde, die mangels des Vorliegens eines im elektronischen Geschäftsverkehrs abgeschlossenen Vertrages objektiv gar nicht erfüllbar ist, hat zur Konsequenz, dass die 14-tägige Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wurde und somit derartige Darlehensverträge auch zum jetzigen Zeitpunkt noch widerrufbar sind. Entweder, weil der fragliche Passus die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsinformation begründet oder aber die Nichterfüllung dieser vom Darlehensgeber selbstauferlegten nichterfüllbaren Verpflichtung dazu führt, dass die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt wird.

Nach den uns vorliegenden Informationen betrifft dies insbesondere Kreditverträge der Genossenschaftsbanken (Sparda-Banken, Volks- und Raiffeisenbanken, PSD-Banken).

Vor dem Hintergrund des auf ein historisches Rekordtief gesunkenen Immobilienzinsniveaus beinhaltet die jüngste Entscheidung des BGH ein enormes Sparpotenzial für Immobilienkreditnehmer. Denn sie können mit einem erfolgreichen Widerruf aus einer laufenden teuren Immobilienfinanzierung aussteigen und einen neuen Immobilienkredit zu Zinsen von teilweise unter einem Prozent abschließen oder aber bei vorzeitiger Ablösung des Kredites (im Falle eines Verkaufs der Immobilie) die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung vermeiden.



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