„Nicht geringe Menge“ = 7,5 Gramm THC? Nicht mit dem Amtsgericht Aschersleben!

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Das Amtsgericht Aschersleben hat mit Urteil vom 24.09.2024 (Az: 2 Ds 275 Js 34057/22) eine spektakuläre Entscheidung, entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs getroffen.

In seiner Urteilsbegründung formuliert es:  


„Der Angeklagte hat sich daher wegen unerlaubten Besitzes von insgesamt mehr als 60 Gramm Cannabis strafbar gemacht, §§ 1 Nr. 5, 2 Abs. 1 Nr. 1, 34 Abs. 1 Nr. 1b KCanG. Ein besonders schwerer Fall nach § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG liegt demgegenüber nicht vor. Voraussetzung dafür ist, dass sich eine Straftat nach § 34 Abs. 1 KCanG auf eine nicht geringe Menge bezieht. In Abweichung von der Rechtsprechung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 18 April 2024, kann die nicht geringe Menge nicht auf 7,5 g reinen THC festgesetzt werden. Sie ist abweichend - aber unter Zugrundelegung der bereits entwickelten Maßstäbe - auf 37,5 g reines THC zu bemessen.“

Das Amtsgericht bestimmt den THC-Grenzwert der „nicht geringen Menge“ demnach bei 37,5 Gramm. Das ist so spektakulär, weil der Bundesgerichtshof diesen Grenzwert im Jahr 1984 auf 7,5 Gramm THC festgelegt hat (BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 - 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8 ff.) und seither – trotz Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes – nicht davon abweicht.

Warum spielt die „nicht geringe Menge“ eine so große Rolle?


Mit dem Konsumcannabisgesetz wurden unter anderem cannabisbezogene Straftaten neu geregelt. Der Konsum wurde teilweise legalisiert. Von besonderer Wichtigkeit in Bezug auf die Straferwartung, ist der Begriff „nicht geringe Menge“. Hiervon hängt unter anderem ab, ob eine besonders schwere Straftat nach § 34 Abs.  Nr. 4 KCanG vorliegt und man deswegen mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren rechnen muss, oder - bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 Abs. 4, Nr. 3,4 KCanG - sogar eine Mindeststrafe von zwei Jahren in Kauf nehmen muss.

Im Konsumcannabisgesetz ist das tatsächliche Gewicht der geringen Menge nicht festgelegt, vielmehr wurde diese Regelung der Rechtsprechung überlassen. Soweit eigentlich kein ungewöhnliches Vorgehen, auch im BtMG war eine konkrete Mengenangabe der geringen Menge nicht enthalten.

„Nicht geringe Menge“ bei 7,5 Gramm THC – trotz Konsumcannabisgesetz?


Die Gesetzesbegründung zum Konsumcannabisgesetz lautet:  

„Der konkrete Wert einer nicht geringen Menge wird abhängig vom jeweiligen THC-Gehalt des Cannabis von der Rechtsprechung aufgrund der geänderten Risikobewertung zu entwickeln sein.“


„Im Lichte der legalisierten Mengen wird man an der bisherigen Definition, der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten können und wird der Grenzwert deutlich höher liegen müssen als in der Vergangenheit.“

Vor dem Hintergrund dieser Begründung folgten nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes eine Reihe verschiedener Entscheidungen, mit unterschiedlichen Auffassungen, wann eine „nicht geringe Menge“ nun vorläge:

  • AG Mannheim (2 Ls 801 Js 37886/23): 75g THC
  • AG Karlsruhe: 500g Cannabis (10faches der erlaubten Menge)
  • LG Heilbronn (8 KLs 651 Js 24707/23): Die nicht gering Menge i.S.v. § 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 KCanG ist dabei auf das Zehnfache der legalen Menge festzusetzen. Für Deliktsformen, die sich auf getrocknetes Pflanzenmaterial beziehen, ergibt sich somit ein Wert von 500 Gramm Cannabis bzw. 75 Gramm THC. Für den Anbau ist der Grenzwert bei 30 Pflanzen

Der BGH bleibt bei Grenzwert aus dem Jahr 1984 


Ungewöhnlich positionierte sich der BGH: Er vertrat entgegen der Gesetzesbegründung des Konsumcannabisgesetzes, welche eindeutig angibt, dass der Wert der „nicht geringen Menge“ deutlich höher liegen müsse als bisher, eine gänzlich andere Position. Er entschied sich mehrfach und bewusst immer wieder dazu, den alten Grenzwert von 1984 beizubehalten (BGH, Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24 ; Beschluss vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24, Beschluss vom 29. April 2024 – 6 StR 124/24, Beschluss vom 6. Mai 2024 – 2 StR 480/23, Beschluss vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24 , Beschluss vom 4. Juni 2024 - 4 StR 111/24 ) und meint hierbei, die Gesetzesbegründung sei „nicht bindend“.

Mit Beschluss vom 18.04.2024 (1 StR 106/24) setzte der Bundesgerichtshof also den Grenzwert der „nicht geringen Menge“ erneut auf 7,5 Gramm THC fest, sorgte damit für Aufsehen und wurde stark kritisiert, da er sich für die strengstmögliche Auslegung des Begriffs der „geringen Menge“ entschieden hat, die nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes möglich war.

AG Aschersleben: Alkohol ist weitaus gefährlicher als Cannabis 


Das AG Aschersleben stellt sich in seiner Urteilsbegründung nun mutig gegen die Rechtsprechung des BGH und bezieht sich– wie auch schon kritische Stimmen vorher – auf die Gesetzesbegründung des KCanG. Es erinnert zudem an Art.20 Abs. 3 GG, wonach auch die Gerichte verpflichtet seien, den gesetzgeberischen Willen bei der Auslegung von Gesetzen zu berücksichtigen und weist darauf hin, dass angesichts gestiegener Konsumentenzahlen, tendenziell gesunkener Strafen und neuer Studienlagen, auch tatsächliche Gründe gegen die Annahme, die Risikobewertung habe sich nicht geändert, sprächen. Die Risikobewertung sei aus Sicht des AG Aschersleben zwangsläufig auch eine gesellschaftliche Wertentscheidung. Würde man der Argumentation des BGH folgen und eine rein naturwissenschaftliche Risikobewertung vornehmen, wäre im Umkehrschluss eine legale Verzehrmöglichkeit von Alkohol wohl kaum zu vertreten, da die damit verbundenen auftretenden Gewalt- und Verkehrsdelikte weitaus verheerender seien als solche im Zusammenhang mit Cannabis.

Eine mutige und richtige Entscheidung, wie sie nun durch das AG Aschersleben getroffen wurde, war aus Verteidigersicht hinfällig. Es bleibt allerdings spannend: denn rechtskräftig ist das Urteil des Amtsgerichts noch nicht, die Staatsanwaltschaft Magdeburg hat Revision eingelegt.  


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