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Niederlage für Waldorf Frommer in Frankfurt - Familienvater haftet nicht trotz Tauschbörse III

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Das AG Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 17.12.2015 eine Klage der Tele München Fernseh GmbH + Co Produktionsgesellschaft, vertreten durch die Kanzlei Waldorf Frommer abgewiesen – und zwar unter Berücksichtigung der jüngsten BGH-Rechtsprechung (Tauschbörse III).

1. Sachverhalt

Der von unserer Kanzlei vertretene Beklagte wurde im Jahre 2012 von der Kanzlei Waldorf Frommer wegen des Vorwurfs einer Urheberrechtsverletzung abgemahnt. Konkret wurde ihm die widerrechtliche Verbreitung des Filmwerkes „Killer Elite“ über eine Internettauschbörse vorgeworfen. Unser Mandant war der Inhaber des Internetanschlusses, über welchen die vorgeworfene Rechtsverletzung begangen worden sein soll. Er nutzte diesen Anschluss zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden Söhnen, wobei ein Sohn zum angeblichen Tatzeitpunkt volljährig war. Der andere Sohn war noch minderjährig.

Unser Mandant hatte die vorgeworfene Rechtsverletzung nicht begangen und befragte daher seine Familienmitglieder zu dem Vorwurf des Filesharings der Kanzlei Waldorf Frommer. Weder die Ehefrau des Beklagten noch die beiden Söhne hatten die Rechtsverletzung begangen.

Waldorf Frommer forderte von unserem Mandanten die Zahlung eines Betrages von insgesamt EUR 1.106,00. Unser Mandant widersprach der Forderung schriftlich und zahlte nicht.

Im Dezember 2014 erhob die Kanzlei Waldorf Frommer schließlich Klage gegen unseren Mandanten. Es wurde beantragt, unseren Mandanten zur Zahlung von EUR 1.106,00 zu verurteilen, wobei mindestens EUR 600,00 als Schadensersatz beziffert wurden und EUR 506,00 als Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten gefordert wurden. Nach Erhalt der Klageschrift wendete sich der Beklagte an unsere Kanzlei und beauftragte uns mit der Vertretung im Prozess.

2. Verfahren

Im Klageverfahren wurde eingewendet, dass der Beklagte weder Täter noch Störer der behaupteten Rechtsverletzung ist. Der Beklagte war weder vor noch nach Erhalt der Abmahnung von Waldorf Frommer in sog. Internettauschbörsen aktiv. Zudem hielt er sich zum Zeitpunkt der Tat nicht zuhause sondern an seiner Arbeitsstelle auf. Bereits vor Erhalt der Abmahnung hatte der Beklagte seine Familienmitglieder über die „Gefahren des Internets“, insbesondere kostenverursachendes illegales Filesharing belehrt und dieses strikt verboten.

Es wurde Beweis erhoben zu den Fragen, wer zum Tatzeitpunkt Zugriff auf den Internetanschluss hatte und ob der Beklagte seine Familienmitglieder vor Erhalt der Abmahnung darüber belehrt hatte, die Nutzung von Internettauschbörsen zu unterlassen. Hierzu wurde die Ehefrau des Beklagten sowie die beiden Söhne als Zeugen vernommen. Die Beweisaufnahme bestätigte den Vortrag des Beklagten vollumfänglich woraufhin das Gericht die Klage abwies.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

3. Entscheidungsgründe

In den Entscheidungsgründen setzte sich das Gericht dankenswerterweise bereits mit den frisch veröffentlichten Entscheidungsgründen der BGH-Entscheidung „Tauschbörse III“ (BGH, Urteil v. 11. Juni 2015, I ZR 75/14) auseinander.

So hielt das Gericht – entgegen der Auffassung von Waldorf Frommer – sehr wohl die tatsächliche Vermutung für die Täterschaft unseres Mandanten für erschüttert und wendete hier richtigerweise den vom BGH entwickelten Grundsatz an:

„Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen den Anschluss nutzen konnten.“ BGH, Urteil vom 08.01.2014, I ZR 169/12 - BearShare

In diesen Fällen trifft den Anschlussinhaber die sog. sekundäre Darlegungslast. Dieser kommt der Anschlussinhaber nach, indem er sich entsprechend den Anforderungen des § 138 Abs. 2 ZPO dahingehend äußert und schlüssig vorträgt, andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht kommen.

Unser Mandant wurde durch seinen Vortrag sowie die Beweisaufnahme seiner sekundären Darlegungslast gerecht. Das Gericht führt in diesem Zusammenhang wie folgt aus:

„Hierbei verkennt das Gericht nicht, dass es nicht auf die bloße Nutzungsmöglichkeit von Familienangehörigen, sondern konkret auf die Situation zum Verletzungszeitpunkt ankommt (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015, I ZR 75/14, Rn. 39 - Tauschbörse III) und eine pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Beklagten lebenden Dritten den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast nicht genügt (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015, I ZR 75/14, Rn. 42 - Tauschbörse III). Im Gegensatz zu dem vom BGH entschiedenen Fall Tauschbörse III, in dem der Beklagte insbesondere vorgetragen hat, seine gesamte Familie habe sich im Urlaub befunden und die Stromzufuhr des Routers sei vor Reisebeginn getrennt worden, liegen die hier grundsätzlich bestehende Nutzungsmöglichkeit des Internetanschlusses der Familienmitglieder am xx.xx.2011 und der konkrete behauptete Verletzungszeitraum am xx.xx.2011 zeitlich eng beieinander.“

Weiter sieht das Gericht auch keine über eine generelle Nachforschungspflicht hinausgehenden Pflichten zur Sachverhaltsaufklärung. Insbesondere muss der Beklagte nicht den Täter der Rechtsverletzung ermitteln und namentlich benennen. Dies sei nach wie vor die Pflicht der Klägerseite.

Da die Klägerseite bis zum Ende des Verfahrens den Beklagten als Täter gesehen hat und insofern keine brauchbaren Beweisangebote gemacht hat, war die Klage abzuweisen. Der Beklagte war nach den Feststellungen des Gerichts auch nicht Störer – somit war die Abmahnung unberechtigt und auch ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten unberechtigt.

4. Fazit

Die Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt am Main dürfte eine der ersten Entscheidungen sein, die sich mit den Entscheidungsgründen von Tauschbörse I, II und III auseinandersetzt. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in den nächsten Monaten entwickelt.

Doch zeigt diese Entscheidung richtigerweise, dass die Tauschbörse-Entscheidungen des BGH keineswegs alles auf den Kopf stellen – wie von ausnahmslos allen Abmahnkanzleien behauptet. Nach wie vor muss der Rechteinhaber den Beweis der Täterschaft erbringen. Sicher sind die Anforderungen an die Erbringung der sekundären Darlegungslast gestiegen. Doch wird hier nichts Unmögliches von den jeweiligen Beklagten erwartet.

Unsere Empfehlung an alle, die sich Abmahnungen im Bereich Filesharing ausgesetzt sehen:

  • Lassen Sie sich unbedingt anwaltlich beraten, und zwar im Idealfall nach Erhalt einer Abmahnung und nicht erst nach Klageerhebung.
  • unterzeichnen Sie keine Unterlassungserklärung ohne vorherige Prüfung durch einen Spezialisten
  • nehmen Sie keinen Kontakt zu der Abmahnkanzlei auf.

Wir informieren Sie an dieser Stelle, wenn gegen das besprochene Urteil ein Rechtsmittel eingelegt wird.

Ihre Kanzlei Brehm


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