OLG Frankfurt a. M.: Vorvertrag nur bei hinreichender Bestimmtheit - Klarstellung zur Wirkung eines Commitment Letters

  • 2 Minuten Lesezeit
Das OLG Frankfurt am Main hat in seinem Urteil vom 30. Oktober 2024 (Az. 17 U 170/23) wichtige Kriterien für die rechtliche Bindungswirkung von Commitment Letters bei Unternehmensfinanzierungen festgelegt. Ein Commitment Letter stellt einen wirksamen Vorvertrag dar, wenn er genügend Bestimmtheit bezüglich der wesentlichen Vertragsinhalte (essentialia negotii) wie Darlehenshöhe, Parteien und Verpflichtung zur Geldüberlassung aufweist. Die Bindungswirkung eines solchen Vorvertrags entfällt jedoch, wenn aufschiebende Bedingungen nicht erfüllt werden. In dem verhandelten Fall wurde der Anspruch auf Abschluss eines Darlehensvertrags verneint, da die geforderten Bedingungen, insbesondere die Eigenkapitalbereitstellung durch den Sponsor, nicht erfüllt waren. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung von präzisen Vertragsbedingungen und der sorgfältigen Dokumentation bei der Verhandlung und Änderung von Finanzierungszusagen. Darlehensnehmer und Investoren sollten demnach die Vertragsstruktur und Bedingungen genau prüfen und Verhandlungen oder Änderungen des Finanzierungskonzepts schriftlich festhalten, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.

1. Hintergrund der Entscheidung

In komplexen Unternehmensakquisitionen ist die Finanzierung oft über sogenannte „Commitment Letters“ vorbereitet. Diese enthalten die Zusage eines Kreditinstituts, unter bestimmten Bedingungen Darlehen zu gewähren. Doch wann entfaltet ein solcher Commitment Letter rechtlich bindende Wirkung – und wann nicht?

Das OLG Frankfurt a. M. hat in seinem Urteil vom 30.10.2024 (Az. 17 U 170/23) die Anforderungen an einen wirksamen Vorvertrag und dessen Bindungswirkung klar umrissen – mit besonderem Blick auf Finanzierungsgeschäfte.


2. Kernaussagen des Gerichts (Leitsätze)

  1. Ein Vorvertrag ist nur dann rechtswirksam, wenn er ein solches Maß an Bestimmtheit und Vollständigkeit aufweist, dass im Streitfall der Inhalt des Hauptvertrags notfalls durch richterliche Ergänzung festgestellt werden kann.

  2. Für Darlehensverträge reicht es aus, dass der Vorvertrag die Parteien, den Darlehensbetrag und die Verpflichtung zur Überlassung eines Geldbetrags enthält – die sog. essentialia negotii.

  3. Vertragsverhandlungen über weitere Einzelheiten führen nicht automatisch zu einer Änderung des Vorvertrags. Die Einigung über zusätzliche Konditionen entfaltet erst mit dem Hauptvertrag Bindungswirkung.

Rechtsprechungsbezug: BGH NJW-RR 1993, 139; BGH NJW 1990, 1234; BGH BeckRS 1972, 31121486


3. Der Fall: Finanzierung geplatzt – Schadensersatz gefordert

Die Kläger, Tochtergesellschaften eines Familienunternehmens, wollten mit Bankfinanzierung zwei Brauereien erwerben. Die beklagte Bank gab mit einem Commitment Letter eine Finanzierungszusage über 150 Millionen Euro ab – allerdings unter mehreren aufschiebenden Bedingungen, u. a. dem Nachweis von 70 Mio. EUR Eigenmitteln durch den Sponsor.

Im Laufe der Verhandlungen kam es zu einer Änderung der Eigenkapitalstruktur. Die Kläger ersetzten geplantes Eigenkapital durch Verkäuferdarlehen, die jedoch nicht vom Sponsor stammten, sondern vom Verkäuferkonzern. Die Bank brach daraufhin die Verhandlungen ab.

Die Kläger klagten auf Schadensersatz in Höhe von über 290 Millionen Euro wegen Nichterfüllung des Darlehensvertrags.


4. Entscheidung des Gerichts

Das OLG Frankfurt bestätigte die Entscheidung des LG Frankfurt:
🟥 Kein Anspruch auf Abschluss eines Darlehensvertrags, weil die im Commitment Letter enthaltenen Bedingungen nicht erfüllt wurden.

Insbesondere:

  • Der Commitment Letter ist ein wirksamer Vorvertrag, aber:

  • Die Verpflichtung zum Abschluss des Hauptvertrags war an aufschiebende Bedingungen geknüpft, die nicht eingetreten sind.

  • Die verlangte Eigenkapitalbereitstellung durch den Sponsor (Herr B) lag nicht vor – Verkäuferdarlehen eines Dritten genügen dafür nicht.

  • Eine einvernehmliche Änderung oder Aufhebung der Bedingungen durch spätere Verhandlungen wurde nicht wirksam vereinbart.


5. Praxishinweis: Vorvertrag ≠ sichere Zusage

Die Entscheidung zeigt eindrucksvoll:

  • Auch wenn ein Commitment Letter als bindender Vorvertrag formuliert ist, kann seine Durchsetzbarkeit scheitern, wenn enthaltene aufschiebende Bedingungen nicht erfüllt werden.

  • Bei hochvolumigen Finanzierungsgeschäften sollte die Einhaltung aller Bedingungen sorgfältig dokumentiert und nachverfolgbar erfüllt werden.

  • Verhandlungen über Vertragsdetails oder Änderungen des Finanzierungskonzepts ersetzen keine formgerechte Vertragsänderung des Vorvertrags.


Fazit:

Ein Commitment Letter kann einen wirksamen Vorvertrag darstellen – aber nur, wenn er die wesentlichen Vertragselemente (Darlehenshöhe, Parteien, Geldüberlassung) enthält und keine unerfüllten Bedingungen entgegenstehen.

Für Darlehensnehmer und Investoren ist wichtig:

  • Prüfen Sie die Vertragsstruktur und Bedingungen sehr genau.

  • Achten Sie auf klare Dokumentation und schriftliche Bestätigung bei jeder Änderung.

  • Bloße Verhandlungsschritte oder "praktische Lösungen" genügen nicht – es braucht rechtssichere Regelungen.

Rechtsanwalt Johannes Goetz, Partner der Kanzlei Klamert & Partner PartGmbB, München, hat über 10 Jahre Erfahrung in der Beratung und Vertragserstellung im Rahmen von Unternehmensfinanzierungen. Er steht für eine erste Einschätzung kurzfristig zur Verfügung.  




Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt | Partner Johannes Goetz

Beiträge zum Thema