OLG Düsseldorf zur Wirksamkeit von Sicherungsabreden im VOB-Bauvertrag

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Im Zentrum des Urteils des OLG Düsseldorf vom 25. März 2025 (Az. 23 U 138/23) stand die Frage der Wirksamkeit von Sicherungsabreden in einem Bauvertrag auf Grundlage der VOB/B. Die Klägerin, eine Bauherrin, verlangte im Rahmen eines Einkaufszentrums-Projekts in Essen die Auszahlung einer Vertragserfüllungsbürgschaft über 153.900 EUR von der beklagten Bürgin. Die Bürgschaft war zugunsten der Klägerin zur Absicherung der Leistungen einer Metallbaufirma gestellt worden, die jedoch vor Fertigstellung Insolvenz anmelden musste. Kern des Streits war, ob die Klauseln zur Sicherheitsleistung – insbesondere zur Vertragserfüllungsbürgschaft und zum Einbehalt von Abschlagszahlungen – wirksam vereinbart worden waren.

Klausel unwirksam – keine Zahlungspflicht der Bürgin


Das OLG Düsseldorf bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Kleve: Die Bürgin musste nicht leisten, da die zugrundeliegenden Sicherungsvereinbarungen gemäß § 307 BGB unwirksam waren. Die Unwirksamkeit beruhte auf mehreren Faktoren:


  1. Fehlender Sicherungszweck: Die Klausel zum Sicherheitseinbehalt ließ offen, ob die Sicherheit der Vertragserfüllung oder der Mängelgewährleistung diente. Ein bloßer Verweis auf § 17 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B reicht nicht aus. Eine solche Unklarheit verstößt gegen das Transparenzgebot in AGB; Unklarheiten gehen zu Lasten des Gläubigers (dazu schon BGH, Urteil vom 1. Juli 2003 – XI ZR 363/02).
  2. Verstoß gegen § 17 Abs. 6 VOB/B: Die Klausel, nach der der Sicherheitseinbehalt erst nach der Schlusszahlung auf ein Sperrkonto eingezahlt werden sollte, falls nicht eine Ablösung der Sicherheit durch Bürgschaft erfolge, widerspricht der VOB/B und benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen, da er das Insolvenzrisiko des Auftraggebers trägt (dazu auch schon BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 – VII ZR 7/10). Nur bei kleineren oder kurzfristigen Aufträgen ist es zulässig, dass der Auftraggeber den einbehaltenen Sicherheitsbetrag erst bei der Schlusszahlung auf ein Sperrkonto einzahlt.
  3. Unzulässige Bürgschaft auf erstes Anfordern: Die in Ziff. 21 geforderte Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern ist in AGB regelmäßig unwirksam, da sie dem Auftraggeber einseitig Liquiditätsvorteile verschafft und der Auftragnehmer bei einer unberechtigten Inanspruchnahme das Liquiditätsrisiko trägt (BGH, Urteile vom 9. Dezember 2004 – VII ZR 265/03, vom  13. November 2003 - VII ZR 371/01, vom 4. Juli 2002 – VII ZR 502/99 und vom 18. April 2002 - VII ZR 192/01).
  4. Summierungseffekt ("Kumulationsverbot"): Die Kombination aus verschiedenen Sicherungsmitteln (Sicherheitseinbehalt, Vertragserfüllungsbürgschaft, Gewährleistungsbürgschaft) führte zu einer Übersicherung zugunsten des Auftraggebers. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich die unangemessene Benachteiligung dabei auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben (vgl. beispielsweise BGH, Urteil vom 1. Dezember 2014 - VII ZR 164/14). Im vorliegenden Fall drohte eine Übersicherung der Auftraggeberin, da sie neben einem Sicherheitseinbehalt in Höhe von 10% der jeweiligen Abschlagszahlung einen weiteren Einbehalt für Gewährleistungsrechte in Höhe von 5% der Netto-Abrechnungssumme (Ziffer 20) zurückhalten konnte. Beides hätte die Auftragnehmerin durch Bürgschaften ablösen müssen. Hinzu kam Folgendes: Für den Fall, dass die Auftragnehmerin eine Sicherheit nach §§ 650e, 650f BGB verlangt hätte, hätte sie nach dem Vertrag eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe der zu diesem Zeitpunkt noch offenen Nettoauftragssumme zu stellen müssen, die zu Beginn der Vertragsdurchführung noch bei 100% hätte liegen können. Laut OLG Düsseldorf überschritt dies das Maß des nach Treu und Glauben Zulässigen und war daher insgesamt unwirksam.


Bauvertragsparteien müssen Sicherheitsabreden genau prüfen


Dieses Urteil bestätigt die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vereinbarung von Sicherheiten in Allgemeinen Geschäftsbedingungen:

  • AGB-Klauseln zu Sicherheiten im Bauvertrag müssen klar und transparent ausgestaltet sein. Schon kleine Formulierungsfehler in einzelnen Regelungen können zur Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsvereinbarung führen, auch wenn die übrigen Bestimmungen für sich genommen wirksam sein können (Summierungseffekt).
  • Die Bezeichnung des Sicherungszwecks ist unerlässlich – pauschale Verweise auf VOB/B-Regelungen reichen nicht aus.
  • Die Unzulässigkeit von Bürgschaften auf erstes Anfordern in AGB ist gefestigte Rechtsprechung. Wer dennoch solche Klauseln verwendet, riskiert die vollständige Unwirksamkeit seiner Sicherungsstruktur.


Ankreuzen reicht nicht für ein Aushandeln


Schließlich bestätigt das OLG, dass der Verwender dieser Regelungen sich nicht darauf berufen kann, dass die Regelungen im Einzelnen ausverhandelt wurden – also keine AGB, sondern Individualabreden vorlägen -, sofern er den gesetzesfremden Kerngehalt seiner vorgeschlagenen Regelungen nicht inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumen. Werden der anderen Vertragspartei durch die vorformulierten Vertragsbedingungen Wahlmöglichkeiten eröffnet, zwischen denen sie sich (durch Ankreuzen oder Streichen) zu entscheiden hat, so genügt dies allein nicht für die Annahme, dass die gewählte Möglichkeit "im Einzelnen ausgehandelt" ist und daher den Gegenstand einer Individualabrede bildet (dazu auch BGH, Urteil vom 13. März 2018 - XI ZR 291/16).


Was sollten Auftraggeber und Auftragnehmer beachten?


Für Auftraggeber bedeutet das Urteil: Sicherheiten im Bauvertrag sollten individuell ausgehandelt und jedenfalls klar und maßvoll gestaltet werden. Wer auf AGB zurückgreift, sollte unbedingt eine rechtliche Prüfung, auch des gesamten Vertragswerks (Stichwort Summierungseffekt) vornehmen lassen. Bereits vorformulierte Musterverträge sind kritisch zu hinterfragen – insbesondere, wenn mehrere Sicherheiten kombiniert werden. Auch Auftragnehmer sollten übersandte Vertragsentwürfe sorgfältig prüfen, um sich gegen unangemessene Sicherheiten-Abreden mit Erfolg wehren zu können.


Kommt es zu einem Streit über die Inanspruchnahme einer Bürgschaft oder sonstigen Sicherheit, lohnt ein genauer Blick auf die vertraglichen Grundlagen – Wir unterstützen Sie dabei in jeder Lage Ihres Projekts gerne.





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