OLG München: Leistungsfreiheit des Versicherers wegen Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers

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Einbruchdiebstahl im Uhrengeschäft - Kläger liefert keinen Nachweis für Diebstahl

Der Kläger betreibt ein Uhrengeschäft, welches seit Oktober 2017 bei dem Versicherungsunternehmen versichert ist und in welches unbekannte Täter am 30.10.2017 eingebrochen sind. Nach Angaben des Klägers wurden Uhren, Furnituren und Uhrmacherwerkzeug aus den Regalen und Schränken entwendet.

Keine Angaben zur Schadenshöhe & unvollständige Stehlgutliste

Bei Ortsterminen am 02.11.2017 und 08.11.2017 war ein von dem Versicherer beauftragter Schadensregulierer im Geschäft. Allerdings konnte der Kläger keine Angaben zur Schadenshöhe machen.

Erst nach mehreren Aufforderungen legte der Kläger eine Stehlgutliste vor, die nach seinen Angaben jedoch unvollständig war. Auch nach weiteren Erinnerungen wurde die Liste nicht vervollständigt. Im Mai und September 2018 folgten sodann Forderungsaufstellungen auf Grundlage der unvollständigen Liste.

Feststellungs- statt Leistungsklage durch den Versicherten

Auch in seiner Klage hatte der Ladenbesitzer seinen Schaden infolge des Diebstahls nicht beziffert, sondern beantragt, die Haftung des Versicherers aus dem Versicherungsvertrag für die Schäden dem Grunde nach festzustellen. Die Klage vor dem LG München I hatte Erfolg. Gegen dieses Urteil wehrte sich die Beklagte jedoch mit dem Rechtsmittel der Berufung und strebte damit die Abweisung der Klage an.

OLG München: Sachverhalt nicht für Feststellungsklage geeignet

Grundsätzlich kann ein Feststellungsinteresse neben einer möglichen Leistungsklage Bestand haben. Dies aber nur dann, wenn bereits das Feststellungsurteil zur endgültigen Streitbeilegung führen würde – die Beklagte also nach Feststellungsurteil Zahlung leisten würde. Das war hier nicht der Fall!

Der Versicherer hat zu keinem Zeitpunkt Zahlungsbereitschaft gezeigt. Vielmehr bestritt er die Ansprüche der Höhe nach und erhob Einwände gegen den Anspruchsgrund und die Feststellbarkeit des Schadensumfangs.

Auszug aus dem Urteil des OLG München vom 15.02.2024, 25 U 8641/21:

"Streitig ist aber bereits, ob überhaupt solche Sachen entwendet wurden, die der Kläger als gestohlen meldete [...]. Erst recht ist die Schadenshöhe streitig. Durch das angefochtene Feststellungsurteil wird – folgerichtig – keiner dieser streitigen Punkte geklärt. Es klärt auch keine etwaigen zwischen den Parteien umstrittenen Rechtsfragen, welche den Anspruch selbst betreffen, sondern geht insoweit nur auf die Zulässigkeit der Feststellungsklage ein. Das Feststellungsurteil leistet im Streitfall keinen maßgeblichen Beitrag zur Beilegung der Streitigkeit."

Weiter heißt es:

"Der Kläger hat sinngemäß gemeint, eine Leistungsklage sei ihm nicht möglich oder zumutbar gewesen, weil der Aufwand für die Feststellung der entwendeten Sachen unverhältnismäßig hoch sei. Diese Behauptung kann jedoch unter den vorstehend dargestellten Umständen des Streitfalls nicht zur Zulässigkeit der Feststellungsklage führen. Die Darlegungs- und Beweislast für Schadensumfang und Schadenshöhe liegt grundsätzlich beim Kläger, der eine Versicherungsleistung begehrt. Soweit diesem die Darlegung unmöglich ist, welche Sachen entwendet wurden, steht dies – vorbehaltlich bestimmter von der Rechtsprechung anerkannter Darlegungserleichterungen – dem Erfolg einer entsprechenden Leistungsklage im Umfang der fehlenden Darlegung entgegen. Daran ändert sich durch einen vorausgegangenen Feststellungsausspruch nichts, weshalb unter diesem Gesichtspunkt eine Feststellungsklage nicht zur Streitbeilegung beitragen kann."

Die Berufung hat Erfolg, die Feststellungsklage ist unzulässig.

OLG München: Klageerweiterung (Zahlungsanspruch) unbegründet – Keine Beweise

Mit seiner Anschlussberufung hat der Kläger die Klage erweitert und beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 240.164,28 EUR zu verurteilen. Jedoch konnte der Kläger weder den Diebstahl noch den behaupteten Schadensumfang beweisen.

Auszug aus dem Urteil des OLG München:

"Es fehlt schon am erforderlichen Nachweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen.

Der Versicherungsnehmer genügt seiner Beweislast für einen bedingungsgemäßen Diebstahl versicherter Sachen bereits dann, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen. Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen, gehört nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter anderem die Unauffindbarkeit der zuvor am Tatort vorhandenen, als gestohlen gemeldeten Sachen [...]

Der Kläger hat nicht bewiesen, dass die als gestohlen gemeldeten Sachen vorher vorhanden und nachher unauffindbar waren."

Zudem waren die Aussagen des Klägers vage, zum Teil sogar widersprüchlich und er verhielt sich ausweichend.

Keine Vereinbarung zum Sachverständigenverfahren

Eben wegen dieser fehlenden Nachweise machte die Beklagte bereits vorgerichtlich deutlich, dass es nicht zu einer Vereinbarung für ein Sachverständigenverfahren kommen wird. Anders als das LG München I sah das OLG München darin keine Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch, da die Beklagte nachvollziehbar argumentierte, dass auch ein Sachverständiger mangels Nachweisen nicht in der Lage gewesen wäre, Schadenumfang & Schadenhöhe zu ermitteln.

Leitsatz OLG München:

"Der Nachweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen erfordert, dass der Versicherungsnehmer beweist, dass die als gestohlen gemeldeten Sachen vorher vorhanden und nachher unauffindbar waren. Dem genügen vom Versicherungsnehmer vorgelegte (unvollständige) Listen nicht, zumal wenn Angaben dazu fehlen, auf welcher Grundlage und auf welche Weise er diese Listen erstellt haben will."

SFW Baumeister & Partner


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