Pflichtteilsverzicht - Gründe, Vereinbarung, Abfindung und Anfechtung

  • 4 Minuten Lesezeit

6 Fragen und Antworten zum notariellen Verzicht auf den Pflichtteil

  1. Was ist ein Pflichtteilsverzicht und wie unterscheidet er sich vom Erbverzicht?
  2. Wann ist ein Pflichtteilsverzicht sinnvoll?
  3. Wie wird der Verzichtsvertrag vereinbart?
  4. Kann man einen Pflichtteilsverzicht anfechten?
  5. Wie wird der Verzicht steuerlich behandelt?
  6. Welche Alternativen zum Pflichtteilsverzicht gibt es?

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1. Was ist ein Pflichtteilsverzicht und wie unterscheidet er sich vom Erbverzicht?

Wird ein naher Angehöriger durch Testament enterbt, entstehen im Erbfall Pflichtteilsansprüche des Enterbten gegen den bzw. die Erben. Um das zu verhindern, kann der Erblasser mit dem Pflichtteilsberechtigten einen Verzicht auf diese Ansprüche vereinbaren. Hierdurch wird die Enterbung abgesichert und der Erbe geschützt. 

Der Erbverzicht führt dagegen automatisch dazu, dass das Erbrecht eines gesetzlichen Erben erlischt. Es bedarf dann keiner Enterbung mehr. Da sich beim Erbverzicht damit aber auch die Erbquoten automatisch verschieben, herrscht in der Praxis der Pflichtteilsverzicht vor, der dem Erblasser schlicht mehr Freiräume bei der Nachlassplanung verschafft.

2. Wann ist ein Pflichtteilsverzicht sinnvoll?

Ein Pflichtteilsverzicht kommt immer dann auf den Tisch, wenn die Geltendmachung von Pfichtteilsansprüchen den Erben in größere Schwierigkeiten bringen könnte - also vor allem dann, wenn der Nachlass überwiegen aus Immobilien oder Unternehmensanteilen besteht und nicht genug liquide Mittel zur Verfügung stehen, um Pflichtteile an den Enterbten auszuzahlen. Daher dient der Pflichtteilsverzicht häufig der Absicherung eines Berliner Ehegattentestaments, bei dem die Kinder im ersten Erbfall enterbt werden.

Auch wenn persönlich ein unversöhnlicher Bruch zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten besteht, kann ein Pflichtteilsverzicht dafür sorgen, dass Erblasser und Erben auf der einen Seite und Enterbte auf der anderen Seite für immer getrennte Wege gehen.

Für den Pflichtteilsberechtigten macht ein Verzicht vor allem dann Sinn, wenn er im Gegenzug eine attraktive Abfindung erhält. Und die kann man selbst aushandeln und bekommt sie regelmäßig schon zu Lebzeiten des Erblassers. Ohne den Verzicht läuft es häufig auf einen Pflichtteilsstreit hinaus, dessen (wirtschaftliches) Ergebnis ungewiss ist.

3. Wie wird der Verzichtsvertrag vereinbart?

Der Pflichtteilsverzicht ist ein Vertrag, bei dem der Pflichtteilsberechtigte den Verzicht erklärt und der Erblasser diesen Verzicht annimmt. Eine solche Vereinbarung ist nur wirksam, wenn sie notariell beurkundet wird. Der Vertrag muss zu Lebzeiten des Erblassers von diesem geschlossen werden.

Der Pflichtteilsverzicht kann zusätzlich zu einem Testament vereinbart werden. Häufig wird er aber auch im Rahmen eines Erbvertrags erklärt, in dem dann auch die Erbeinsetzung erfolgt. 

Im Vertrag kann geregelt werden, ob der Verzicht umfassend ist oder ob er sich zum Beispiel nur auf bestimmte Nachlasswerte bezieht bzw. Pflichtteilsansprüche nur der Höhe nach gedeckelt werden sollen.

Eine etwaige Abfindung als Gegenleistung für den Verzicht muss ausdrücklich im Vertrag vereinbart werden. Der Verzicht wird dann erst mit Zahlung der Abfindung wirksam (aufschiebende Bedingung). Die Gegenleistung kann sowohl eine Geldzahlung als auch die Übertragung anderer Vermögenswerte sein.

4. Kann man einen Pflichtteilsverzicht anfechten?

Wie andere Verträge können auch Pflichtteilsverzichtsverträge angefochten werden, wenn bei Vertragsschluss ein Inhalts- oder Erklärungsirrtum vorlag, oder eine Täuschung oder Drohung gegeben ist. Eine solche Anfechtung muss aber vom Pflichtteilsberechtigten erklärt werden, solange der Erblasser noch lebt.

Nach dem Tod des Erblassers kann der Verzicht durch ein Gericht überprüft werden, wenn der Verzichtende darlegt, dass der Vertrag aufgrund von Sittenwidrigkeit unwirksam ist. Eine solche Nichtigkeit ist ausnahmsweise gegeben, wenn alle Umstände des Vertrages dafür sprechen, wenn also etwa der Erblasser großen Druck auf den unerfahrenen Pflichtteilsberechtigten ausgeübt und ihn dabei noch über den Nachlass erheblich getäuscht hat.

5. Wie wird der Verzicht steuerlich behandelt?     

Der Verzicht auf den Pflichtteil unterliegt selbst nicht der Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer. Anders ist das jedoch im Hinblick auf eine gezahlte Abfindung. Diese gilt steuerlich als Schenkung unter Lebenden, für die Schenkungsteuer anfällt. 

Für den Pflichtteilsberechtigten gelten dabei die gleichen Steuerklassen, Freibeträge und Tarife, wie für den Fall, dass er als Erbe oder Vermächtnisnehmer eine Zuwendung erhält. Der Freibetrag beträgt somit 400.000 Euro für die Abfindung der Kinder bzw. 500.000 Euro für einen verzichtenden Ehegatten.

6. Welche Alternativen zum Pflichtteilsverzicht gibt es?

Der Pflichtteilsverzicht dürfte in vielerlei Hinsicht das beste - weil wirksamste - Instrument, um Pflichtteilsansprüche einzufangen. Dennoch wird er in vielen Fällen nicht zustande kommen, zum Beispiel, weil die Beteiligten überhaupt nicht für eine gemeinsame Vereinbarung an einen Tisch zu bekommen sind oder weil man sich nicht über die Höhe der Abfindung einigt.

Daher haben sich in der anwaltlichen Praxis eine ganze Reihe anderer Strategien etabliert, die Pflichtteilsansprüche von enterbten Angehörigen ausschalten oder reduzieren. Einige davon sind:

  • Pflichtteilsentziehung: Bei bestimmten besonders schwerwiegenden Verfehlungen des Pflichtteilsberechtigten, kann der Pflichtteil unter Umständen durch eine Anordnung im Testament entzogen werden.
  • Schenkungen zu Lebzeiten: Das Verschenken von Vermögenswerten ist langfristig geeignet, den Nachlass und damit Pflichtteilsansprüche zu mindern. Für einen Zeitraum von 10 Jahren sind jedoch Pflichtteilsergänzungsansprüche zu beachten, die sich schrittweise reduzieren.
  • Verkauf gegen Leibrente: Wird ein Vermögenswert (zum Beispiel eine Immobilie) nicht verschenkt, sondern gegen die Zahlung einer lebenslangen Rente verkauft, entstehen dafür beim Erbfall regelmäßig keine Pflichtteilsansprüche.
  • Eingriffe in die Familienstruktur: Der Erblasser kann Einfluss auf Pflichtteilsquoten nehmen, indem er Kinder adoptiert, heiratet oder auch den Güterstand mit dem Ehegatten verändert.

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