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Polkörperdiagnostik (PKD) bei Gendefekt zum Ausschluss seiner Vererbung ist Versicherungsfall (LG Köln)

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Die grundsätzliche Rechtsfrage: Ist medizinisch indizierte PKD ein Versicherungsfall in der privaten Krankenversicherung (PKV)?

Ist bei Vorliegen eines weiblichen, vererblichen Gendefekts die Polkörperdiagnostik (PKD) in Verbindung mit einer künstlichen Befruchtung und der Zielsetzung, die Vererbung dieses Genfehlers auf das Kind auszuschließen, ein Versicherungsfall in der Privaten Krankenversicherung (PKV), also eine Heilbehandlung, für deren Kosten die PKV einzutreten hat?

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin verlangte von ihrer privaten Krankenversicherung (PKV) die Erstattung von Kosten einer künstlichen Befruchtung (IVF/ICSI – Behandlung) in Verbindung mit einer Polkörperdiagnostik (PKD). Die Beklagte wollte die Kosten der Behandlung nicht übernehmen. Die Klägerin ist Trägerin einer Gen-Mutation, die bei ihr selbst auch manifest wurde in Form des Gorlin-Goltz-Syndroms. Es bestand das Risiko, dass dieser Gendefekt der Klägerin an ihre Nachkommen weiter vererbt wird. Mittels PKD lässt sich das Erbmaterial von Eizellen schon im Stadium der anfänglichen Zellteilung, aber noch vor Beendigung der Befruchtung, untersuchen und der Gendefekt aufspüren. So können gesunde von erbkranken Eizellen unterschieden werden. Erbkranke Eizellen können dann vom weiteren Fortpflanzungsprozess ausgeschlossen werden.

Die Behandlung ist wissenschaftlich etabliert und international anerkannt.

Mit PKD lassen sich allerdings nur Gendefekte an der Eizelle, also auf weiblicher Seite, identifizieren, nicht aber männliche. Für Letztere stünde übrigens das sogenannte PID – Verfahren (Präimplantationsdiagnostik) zur Verfügung.

Eine - schlechte - Handlungsalternative für das Kinderwunschpaar wäre eine „Schwangerschaft auf Probe” und bei Eintritt einer solchen die Durchführung von Pränataldiagnostik (also Untersuchungen des Embryos im Mutterleib). Solche vorgeburtlichen Untersuchungen (z. B. Fruchtwasseruntersuchung u.a.) sind aber frühestens ab der 12. Schwangerschaftswoche möglich oder aussagekräftig. Sie sind auch mit Risiken für das Kind und die Mutter verbunden. Außerdem wird das Kinderwunschpaar in eine schmerzliche Zwangslage gebracht und unausweichlich vor die Entscheidung einer in höchstem Maße schwierigen und belastenden Frage gestellt: was ist zu tun, wenn sich im Verlauf der Schwangerschaft herausstellt, dass der Embryo von der Erbkrankheit befallen ist - die Schwangerschaft fortführen oder durch (legale) Spätabtreibung beenden, wenn der Genfehler weiter vererbt ist?

Landgericht Köln (Urteil vom 3.9.2014):

Die Antwort des Landgerichts Köln zur Polkörperdiagnostik lautete: Ja, PKD in Verbindung mit künstlicher Befruchtung ist in dieser Situation ein Versicherungsfall in der PKV!

Das LG Köln verurteilte die Krankenversicherung der Frau zur Zahlung der Kosten für die PKD und die künstliche Befruchtung.

Der Gendefekt sei eindeutig als Krankheit der Klägerin zu bewerten. PKD sei ferner eine Heilbehandlung dieser Erkrankung, da mit ihrer Hilfe eine Übertragung des (mütterlichen) Gendefektes auf das Kind unterbunden werde, so das LG Köln. Die diagnostische Untersuchung finde auch allein am Körper der Mutter, also der Versicherungsnehmerin, statt. Dass diese Behandlung auch im Interesse des (noch nicht existenten) Kindes erfolgt, ändert am Charakter der Behandlung als Heilbehandlung der fortpflanzungswilligen Mutter nichts!

Da die PKD-Behandlung nur in Verbindung mit einer künstlichen Befruchtung (IVF/ICSI-Behandlung) technisch durchführbar ist, musste die Beklagte die Kosten für die PKD und die IVF/ICSI tragen.

Anmerkung:

Dem Urteil ist uneingeschränkt beizustimmen.

Der Gendefekt stellt sich als Regelwidrigkeit, also als Krankheit dar. PKD kann ihn diagnostizieren. Damit wird erreicht, dass sich der Fehler nicht auf das Kind vererbt und fortpflanzt.

Für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat übrigens jüngst das BSG (Bundessozialgericht) entschieden, dass PKD derzeit keine Kassenleistung der gesetzlichen Krankenkassen ist (Urteil vom 12.9.2015). Gesetzlich Krankenversicherte müssen laut diesem enttäuschenden Urteil die Behandlung derzeit also leider auf eigene Kosten durchführen oder den Weg der „Schwangerschaft auf Probe" mit den angesprochenen Folgen einschlagen.

Rechtsanwälte Modl & Coll., Rechtsanwalt Hans Modl

Wir, Rechtsanwälte Modl & Coll., sind umfassend auf dem Gebiet Kinderwunschrecht bundesweit anwaltlich tätig.

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