Post vom Insolvenzverwalter eines Kunden - die Insolvenzanfechtung

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Zum Jahresende gibt es Post vom Insolvenzverwalter

Jedes Jahr um diese Zeit erhalten Selbständige unerfreuliche Post von Kollegen. Diese schreiben in ihrer Funktion als Insolvenzverwalter ehemaliger Kunden. Sie machen Zahlungsansprüche geltend und wollen von den insolventen Kunden erhaltene Gelder zurück, da deren Erhalt anfechtungsbehaftet sei. Dass sie das jetzt zum Jahresende machen, hängt mi9t der drohenden Verjährung zusammen. Alle Anfechtungsansprüche, die vor drei Jahren entstanden, können nur noch bis zum 31. Dezember geltend gemacht werden. Jetzt werden also Ansprüche aus 2018 geltend gemacht.

Grundlage für die Ansprüche ist eine sogenannte Anfechtungslage. Leistungen, die der Gläubiger von einem Insolvenzschuldner kurz vor der Insolvenz erhielt, sind zurück zur Masse zu gewähren sind und der Gläubiger kann diese dann im Verfahren anmelden muss. Gesetzeszweck ist die möglichst gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger, da es sich bei der Insolvenz um eine Gesamtvollstreckung handelt. Wir unterscheiden die Anfechtungsgründe nach dem Zeitpunkt der Leistung des Schuldners, der Art und Weise der Anspruchserfüllung und im problematischsten Fall sowie nach der Frage des bewussten und willentlichen Agierens gegen die Interessen anderer, nicht berücksichtigter Gläubiger. Die Anfechtungstatbestände finden  sich in den §§ 130 – 146 InsO.

Der zeitlich problematischste war bisher der der Nachteilsanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO:

1Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

 2Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

Die Insolvenzverwalter stützten ihre Anfechtungen immer gerne auf diesen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Dies hatte im Wesentlichen zwei Gründe, die Verwalter konnten zum einen Zahlungen aus den zehn vor der Insolvenzeröffnung liegenden Jahren zurückholen und zum anderen war es nach der Rechtsprechung des BGH nicht schwer, diesen Benachteiligungsvorsatz beim Schuldner und die Kenntnis davon beim Anfechtungsgegner nachzuweisen.

Nach der bisherigen Rechtsprechung handelte der Schuldner immer dann mit einem solchen Benachteiligungsvorsatz, wenn er zahlungsunfähig war. Dafür reichte es aus, dass er binnen 30 Tagen nicht 90 % seiner Verbindlichkeiten bedienen konnte. Die Anforderung an Beweisanzeichen, die für diese Illiquidität ausreichten, waren nach der bisherigen Rechtsprechung gering. Bereits die stockende Ratenzahlung auf fällige Forderungen reichte aus, auch die Beitreibung einer Forderung in der Zwangsvollstreckung genügte einzelnen Gerichten, um den Gläubiger zu verpflichten, das so vom Schuldner erlangte Geld der Insolvenzmasse zurückzahlen zu müssen. Die im Gegenzug mögliche Anmeldung der deshalb wieder auflebenden Forderung gegen den Schuldner zur Insolvenztabelle, ist in der überwiegenden Zahl der Fälle nur ein schwacher Trost, werden doch in der Regel der Insolvenzverfahren Quoten von unter 10 % an die Gläubiger ausgeschüttet.

Seit dem 6. Mai 2021 hat sich dies jedoch durch eine grundlegende Änderung der Rechtsprechung des zuständigen 9. Senat des BGH geändert (IX ZR 72/20). In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsstreit ging es um Rückforderungen eines Insolvenzverwalters von Bußgeldern  des Bundesamtes für Justiz, die diese gegenüber einer Insolvenzschuldnerin vor Beginn des Verfahrens erfolgreich beigetrieben hat. Auch in diesem Verfahren argumentierte der Insolvenzverwalter  genauso, wie es die bisherige Rechtsprechung vorgegeben hatte, nämlich

„Zu den Beweisanzeichen, die für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung sprechen, zählt die erkannte Zahlungsunfähigkeit. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH in der Regel mit Benachteiligungsvorsatz (vgl. BGH NZI 2018, 114 Rn. 8; NZI 2020, 520 Rn. 10). Dementsprechend hat der Senat bisher entschieden, dass der Anfechtungsgegner regelmäßig den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners erkennt, wenn er um dessen Zahlungsunfähigkeit weiß (BGH NZI 2016, 837 Rn. 14; NZI 2020, 520).“

Nunmehr erklärt der Senat jedoch, dass seine bisherige Rechtsprechung einer Korrektur bedürfe.

„Der Vollbeweis der gem. § 133 I 1 InsO aF erforderlichen Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz wäre nicht allein deshalb anzunehmen, weil man aufseiten des Bundesamts eine Zahlungseinstellung der Schuldnerin erkannt hatte und deshalb die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit zu vermuten wäre. Die Rechtsprechung, wonach allein aus der vom Anfechtungsgegner erkannten Zahlungsunfähigkeit gefolgert wird, dieser sei in der Regel auch über den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners im Bilde (BGH NZI 2016, 837 Rn. 14 mwN; stRspr), bedarf einer neuen Ausrichtung. Entsprechendes gilt für die Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes selbst. Soweit die Rechtsprechung bisher angenommen hat, dass ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz handelt (vgl. BGH NZI 2016, 355 Rn. 15; NZI 2017, 854 Rn. 23; NZI 2018, 114 Rn. 8; stRspr), kann ebenfalls nicht mehr allein darauf abgestellt werden, dass der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit kannte. Dies gilt auch für § 133 InsO in der derzeit geltenden Fassung.“

Der 9. Senat diese sehr weite Definition des Benachteiligungsvorsatzes beim Schuldner ein. Er  muß nämlich nicht nur davon ausgehen, zum Leistungszeitpunkt nicht alle Gläubiger gleichmäßig bedienen zu können sondern dazu auch in der Zukunft nicht in der Lage zu sein.

„Ist der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkanntermaßen zahlungsunfähig, kommt es zusätzlich darauf an, ob er wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine anderen Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die im Moment der angefochtenen Rechtshandlung bestehende Deckungslücke zwischen dem liquiden Vermögen des Schuldners und seinen Verbindlichkeiten. Hatte die Deckungslücke ein Ausmaß erreicht, das selbst bei optimistischer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung in absehbarer Zeit keine vollständige Befriedigung der bereits vorhandenen und der absehbar hinzutretenden Gläubiger (vgl. BGH NZI 2018, 34 = WM 2017, 2322 Rn. 19) erwarten ließ, musste dem Schuldner klar sein, dass er nicht einzelne Gläubiger befriedigen konnte, ohne andere zu benachteiligen. Befriedigt er in dieser Lage einzelne Gläubiger, handelt er deshalb mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Der Anfechtungsgegner weiß um diesen Vorsatz, wenn er die zu dessen Annahme führenden Umstände kennt.

 Besteht – abhängig vom Ausmaß der bestehenden Deckungslücke und der aus objektiver Sicht erwartbaren und vom Schuldner erkannten Entwicklung – Aussicht auf nachhaltige Beseitigung der gegenwärtigen Zahlungsunfähigkeit, rückt der hierfür erforderliche Zeitraum in den Mittelpunkt der Betrachtung. Der Schuldner muss davon ausgehen dürfen, dass ihm dieser Zeitraum verbleibt. Das hängt vom Verhalten der (übrigen) Gläubiger ab. Sieht sich der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erheblichem Mahn- und / oder Vollstreckungsdruck ausgesetzt, begrenzt dies den für eine Beseitigung der vorhandenen Deckungslücke zur Verfügung stehenden Zeitraum. Der Schuldner handelt mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er einen Zeitraum in seine Überlegungen einbezieht, der ihm unter Berücksichtigung des Verhaltens seiner übrigen Gläubiger ersichtlich nicht zur Verfügung steht.“

War er also aufgrund der zum Leistungszeitpunkt bestehenden Liquiditätslücke erkennbar mittel- bis langfristig  nicht mehr in der Lage, die Deckungslücke zu schließen, um alle Gläubiger zu befriedigen, so liegt erst der Benachteiligungsvorsatz vor.

Hierfür ist der Insolvenzverwalter beweispflichtig.

Darlegungs- und beweisbelastet für die tatsächlichen Umstände, die über die erkannte Zahlungsunfähigkeit hinaus für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis von diesem erforderlich sind, ist der Insolvenzverwalter. Dies gilt auch, soweit es sich – wie bei dem Umstand, dass keine begründete Aussicht auf Beseitigung der Illiquidität bestand – um negative Tatsachen handelt. Dass keine begründete Aussicht auf Beseitigung der Deckungslücke bestand, ist allerdings regelmäßig anzunehmen, wenn die Ursache für die Entstehung der Zahlungsunfähigkeit nicht beseitigt war oder absehbar beseitigt werden würde.

Aus alledem ergibt sich, dass der 9. Senat die Definition des Gläubigerbenachteiligungsvorsatz geändert hat. Die Anforderung an Insolvenzverwalter eine Anfechtung erfolgreich gerichtlich durchzusetzen, ist zumindest bei kongruenten Deckungen, für ihn schwieriger geworden. Die Frage lässt sich nicht mehr schematisch, wie bisher, sondern nur noch bei vollständiger Würdigung des Einzelfalls klären lassen. Dies bedeutet auch, dass die Chancen der Anfechtungsgegner steigen.   

Wie reagiert der Adressat also am besten auf ein solches Schreiben?

  • Zahlen Sie bitte nicht sofort.
  • Welche Art der Anfechtung wird geltend gemacht?
  • Fragen Sie einen Anwalt, ob und welche Möglichkeiten der Einwendung es gibt
  • Oft kann man hier auch im Vergleichsweg die Forderung reduzieren
Foto(s): Dieter Breymann

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