Prozessunfähigem ohne Betreuer wurde kein rechtliches Gehör geschenkt!

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Verstoß gegen rechtliches Gehör, wenn prozessunfähigem nicht die Chance der Bestellung eines Betreuers gewährt wird.

Der BGH hat am 09.11.2010 (Az.: VI ZR 249/09) auf die Nichtzulassungsbeschwerde eine prozessunfähigen Person folgende Leitsätze betreffend deren Behandlung im Rahmen eines Gerichtsprozesses aufgestellt:

1. Die mögliche mangelnde Prozessfähigkeit des Klägers führt nicht zur Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde. Für den Streit über die Prozessfähigkeit ist die davon betroffene Partei als prozessfähig anzusehen.

2. Das Gericht muss dafür Sorge tragen, dass einem prozessunfähigen Kläger ermöglicht wird, für eine ordnungsgemäße Vertretung zu sorgen (im Anschluss an BAG, Beschluss vom 28. Mai 2009, 6 AZN 17/09, NJW 2009, 3051).

Der prozessunfähige Kläger nahm den Beklagten, einen niedergelassenen Arzt für Radiologie, wegen vermeintlicher Behandlungs- und Aufklärungsfehler im Zusammenhang mit einer Angiographie in Anspruch.

Die mögliche mangelnde Prozessfähigkeit des Klägers führt nach Ansicht des BGH nicht zur Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde. Für den Streit über die Prozessfähigkeit ist die davon betroffene Partei als prozessfähig anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1990 - V ZR 188/88, BGHZ 110, 294, 295; BAG, Urteil vom 20. Januar 2000 - 2 AZR 733/98, BAGE 93, 248, 251).

Das Berufungsgericht hätte dem Kläger einen Hinweis geben müssen, dass er für eine ordnungsgemäße Vertretung zu sorgen habe und sich deshalb selbst um die Bestellung eines Betreuers nach § 1896 BGB bemühen müsse, der nur vom Vormundschaftsgericht, nicht aber vom Prozessgericht bestellt werden könne. Es hätte ihm dafür vor Erlass des Prozessurteils die nötige Zeit einräumen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1990 - V ZR 188/88, NJW 1990, 1734, 1736, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 110, 294 und BAG, Beschluss vom 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09, aaO Rn. 6).

Die weitere Verfahrensführung des Berufungsgerichts die gerade nicht entsprechende Hinweise enthielt verletzte nach Ansicht des BGH   den Kläger in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG:

Ist eine Partei prozessunfähig, kann sie sich nicht eigenverantwortlich äußern. Ihr kann rechtliches Gehör wirksam deshalb nur durch die Anhörung eines gesetzlichen Vertreters gewährt werden. Die Beteiligung allein des Prozessunfähigen reicht zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nicht aus. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt von den Gerichten, die unterlassene Gewährung rechtlichen Gehörs nachzuholen, sofern die Auslegung des Verfahrensrechts dies ermöglicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1997 - 2 BvR 1390/95, NJW 1998, 745; BGH, Urteil vom 5. Mai 1982 - IVb ZR 707/80, BGHZ 84, 24, 29 f. und BAG, Beschluss vom 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09, aaO Rn. 5).


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