Recht am eigenen Bild: Einschränkungen nach § 23 KunstUrhG aufgrund eines Ereignisses der Zeitgeschichte

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Nach dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes vom 08.04.2014 (Urteil des BGH vom 08.04.2014 – VI ZR 197/13):

Das Recht am eigenen Bild findet in der täglichen Rechtspraxis, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der immer weiter fortschreitenden Digitalisierung, mehr und mehr Bedeutung. Aufruhr unter Urheberrechtlern hat ein im letzten Jahr verkündetes Urteil des Bundesgerichtshofs verbreitet, welches faktisch den Schutz des Rechts am eigenen Bild in vielen Alltagssituationen mehr und mehr einschränken dürfte.

Nach § 22 KunstUrhG gilt grundsätzlich: „Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.“

Der Grundsatz besagt also, dass grundsätzlich bei einer Einwilligung des Abgebildeten ein entsprechendes Foto oder Lichtbild öffentlich zur Schau gestellt werden darf. Liegt eine entsprechende Einwilligung vor, darf also selbstredend eine Veröffentlichung stattfinden. Auch im Fall einer sogenannten juristischen stillschweigenden (konkludenten) Einwilligung darf vom Grunde her eine Veröffentlichung erfolgen. Ob im Einzelfall eine konkludente Einwilligung vorliegt, dürfte für den juristischen Laien häufig schwer zu entscheiden sein. Sollten Sie möglicherweise als Fotograf, Journalist oder in einer ähnlichen Stellung die Veröffentlichung eines Fotos beabsichtigen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass Sie sich diesbezüglich möglicherweise anwaltlichen Rat einholen.

Das Gesetz sieht jedoch Ausnahmen vom Einwilligungsvorbehalt vor. So heißt es in § 23 KunstUrhG unter anderem wie folgt: „Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte;“

Das Gesetz ordnet also an, dass bei Fotos, welche die Zeitgeschichte betreffen, Bildnisse auch ohne ausdrückliche oder konkludente Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht werden dürfen. Nun klingt für den juristischen Laien der Begriff der Zeitgeschichte recht eng. Das oben bereits zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs hat hierbei jedoch erkennbare Rechtsprechungstendenzen bestätigt, wonach dieses Tatbestandsmerkmal zwischenzeitlich sehr weit auszulegen ist. So galt früher die strenge Linie, dass man zwischen sogenannten absoluten Personen der Zeitgeschichte und relativen Personen der Zeitgeschichte unterschieden hatte. Unter absoluten Personen der Zeitgeschichte verstand man große und bekannte Persönlichkeiten, die sich vom Grunde her gegen eine entsprechende Veröffentlichung nicht zur Wehr setzen konnten. Bei sogenannten relativen Personen der Zeitgeschichte handelte es sich um solche Personen, die im Zusammenhang mit einem bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignis zu einem bestimmten Zeitraum in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten sind. Auch in diesen Fällen war und ist grundsätzlich eine Veröffentlichung des Fotos erlaubt.

Der Bundesgerichtshof ist nunmehr in der oben zitierten Entscheidung noch einen Schritt weitergegangen, indem er das Tatbestandsmerkmal der „Zeitgeschichte“ erheblich weit ausgelegt hat.

In dem zu entscheidenden Fall hatte eine Wohnungsbaugenossenschaft ein Mieterfest ausgerichtet und in diesem Zusammenhang im Nachgang eine Broschüre mit einer Auflage von 2800 Stück an die Mieter versendet. Auf dem Fest wurden unter anderem auch verschiedene Fotos gemacht. Die Klägerinnen in diesem Verfahren, eine Mutter und ihre Tochter, waren daher zu Werbezwecken in der Broschüre abgebildet worden und auch erkennbar. Die Klägerinnen beriefen sich in dem Verfahren auf ihr Recht am eigenen Bild da sie eine Einwilligung unstreitig nicht erteilt hatten.

Die Klage wurde mit Urteil des Bundesgerichtshofs zurückgewiesen. Eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild wurde nicht bejaht. Der Bundesgerichtshof ging so weit, dass er das Mieterfest als sogenanntes Ereignis der Zeitgeschichte deklarierte, sodass für die Beklagte eine Privilegierung im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG eintrat. Der Bundesgerichtshof entschied konkret, dass das schützenswerte Interesse der Wohnungsgenossenschaft die persönlichkeitsrechtlichen Interessen der Klägerin überwiegt.

Eigene Einschätzung des Urteils:

Dem Urteil ist zu entnehmen, dass der Bundesgerichtshof das Tatbestandsmerkmal „der Zeitgeschichte“ nunmehr anscheinend besonders weit auslegt. Dies wird in der Praxis zur Folge haben, dass die Berufung auf das Recht am eigenen Bild in vielen Konstellationen schwieriger werden wird. Zu betonen ist jedoch, dass auch im Fall der Bejahung des Tatbestandsmerkmals der Zeitgeschichte nicht automatisch die Privilegierung des § 23 KunstUrhG einsetzt. Vielmehr muss für jeden Einzelfall eine Güterabwägung zwischen den schützenswerten Interessen des Abgebildeten sowie des Fotografen bzw. der veröffentlichenden Person erfolgen. Dennoch ist abschließend zu konstatieren, dass dieses Urteil als Grundsatzurteil weitgehende Folgen für den Bereich der Fotografie sowie insbesondere für die Veröffentlichung von digitalen Fotos im Internet haben wird.

Wir beraten Sie spezialisiert zu allen Fragen des Urheberrechts. Gerade das Recht am eigenen Bild, mithin die §§ 22 ff. KunstUrhG, sind schwierige Vorschriften, bei deren rechtssicherer Anwendung unbedingt die Rechtsprechung der Obergerichte und des Bundesgerichtshofs genau gekannt werden sollte. Gerade der Interessenabwägung, die regelmäßig bei der Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit juristisch einzuschätzen ist, kommt eine erhebliche Bedeutung zu und erfordert unbedingtes Spezialwissen.

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