Recht für jedermann – ist unser Pflichtteilsrecht noch zeitgemäß?

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Artikel 14 des Grundgesetzes garantiert für jedermann das Eigentum und das Erbrecht. Aber mit den Regelungen über den Pflichtteil hat der Gesetzgeber eine „faktische Entmündigung“ des Erblassers vorgenommen. Das Pflichtteilsrecht bedeutet nichts anderes, als dass dem Erblasser zu 50 % das Recht, selbst frei zu bestimmen, wer Erbe werden soll, vom Gesetzgeber aus der Hand genommen wird. Nach § 2303 BGB sind der Ehegatte, die Abkömmlinge sowie die Eltern des Erblassers pflichtteilsberechtigt. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Dies bedeutet: Bis auf die wenigen Ausnahmen einer Pflichtteilsentziehung können die vorgenannten Personen nicht gänzlich von jeder Teilhabe am Nachlass ausgeschlossen werden, so sehr dies der Erblasser auch wünschen mag.

Ein typischer Auslöser für Pflichtteilsstreitigkeiten ist das Berliner Testament. Viele Ehegatten wollen damit den überlebenden Ehegatten für den ersten Erbfall absichern. Danach sollen die Kinder „alles bekommen“. Viele Ehegatten vergessen dabei, dass die Einsetzung des länger lebenden Ehegatten zum alleinigen Erben eine Enterbung der Abkömmlinge für den ersten Erbfall darstellt.

Ebenso kommt es in den sogenannten Patchwork-Familien häufig dazu, dass im ersten Erbfall die Stiefkinder ihr Pflichtteilsrecht von der Stiefmutter bzw. dem Stiefvater einfordern.

Lebzeitige Zuwendungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge können Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen. Bei der Pflichtteilsergänzung werden die Schenkungen der letzten 10 Jahre, bei Ehegatten die Schenkungen während der gesamten Ehezeit dem Nachlass hinzugerechnet. Das Konzept, den Pflichtteil ins Leere laufen zu lassen, indem man bereits zu Lebzeiten das wesentliche Vermögen wegschenkt, geht also nicht auf. Zum 01.01.2010 sind einige Neuerungen im Pflichtteilsrecht in Kraft getreten:

  • Vereinfachung des Ausschlagungsrechts bei Beschwerungen oder Beschränkungen
  • Einführung eines Abschmelzungsmodells beim Pflichtteilsergänzungsanspruch
  • Modernisierung der Pflichtteilsentziehungsgründe
  • Erleichterte Möglichkeit der Pflichtteilsstundung
  • Erleichterte Ausgleichung von Pflegeleistungen
  • Geänderter Verjährungsanspruch bei Pflichtteilsansprüchen

Der Pflichtteilsberechtigte hat einen Anspruch auf die Hälfte dessen, was ihm am Vermögen des Verstorbenen nach gesetzlicher Erbfolge zustehen würde. Ein Mitspracherecht hinsichtlich des Nachlasses hat er nicht. Seine Rechte beschränken sich auf einen Wertersatzanspruch.

Bei Ehegatten, die in Zugewinngemeinschaft leben, ist zu unterscheiden: Werden sie als Ehegatte entweder Erbe aufgrund letztwilliger Verfügung oder gesetzlicher Erbe und steht ihnen dennoch ein Pflichtteilsanspruch zu, etwa aufgrund Pflichtteilsergänzung oder werden sie zwar kein Erbe, nehmen aber ein Vermächtnis an, dann gilt der große Pflichtteil. Neben Abkömmlingen beträgt ihre Pflichtteilsquote dann ein Viertel. Werden sie als Ehegatte dagegen weder Erbe noch mit einem Vermächtnis bedacht, dann können sie nur den kleinen Pflichtteil geltend machen. Neben Abkömmlingen ist dann ihre Pflichtteilsquote ein Achtel.

Wer enterbt wurde, wer mit Vermächtnissen, Teilungsanordnungen oder Testamentsvollstreckung beschwert wurde, wer als überlebender Ehegatte einen hohen Zugewinnausgleichsanspruch hätte, der sollte sich nach dem Erbfall dringend über die ihm offenstehenden Möglichkeiten anwaltlich beraten lassen.

Dies gilt auch für denjenigen, der in seiner Nachfolgeregelung durch familienrechtliche, erbrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Gestaltungen Pflichtteilsansprüche ungeliebter Abkömmlinge vermeiden will. Hier bedarf es fachmännischer Hilfe, damit Ihr Vermögen im Todesfall auch dort ankommt, wo es ankommen soll. Hier gibt es zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch zahlreiche Risiken.

Ohne geschulte Beratung werden Sie ihre Ziele kaum erreichen. Von daher sollten Sie sich nicht scheuen, anwaltliche oder notarielle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Alles Gute!

Ihr Rechtsanwalt Andreas Krau

Fachanwalt für Erbrecht

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht


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