Pflichtteilsrecht

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Wer per Testament einen Erben einsetzt, enterbt womöglich einen anderen, der in der gesetzlichen Erbfolge aber geerbt hätte. Dann entstehen Pflichtteilsansprüche. Die Pflichtteilsansprüche sind berühmt. Die gesetzlichen Erben können vom Erben die Zahlung des Pflichtteils verlangen, wenn sie übergangen wurden.

Das Erben übergangen werden, kann ganz schnell passieren. Errichten die Ehegatten ein Berliner Testament, in dem sie sich zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben einsetzen, sind die Kinder im ersten Erbfall enterbt. Das Berliner Testament regelt 2 Erbfälle in einem Testament.

Der erste Erbfall ist der Tod eines Ehegatten. Dann erbt nur der andere Ehegatte. In der gesetzlichen Erbfolge hätte der überlebende Ehegatte nur die Hälfte des Nachlasses geerbt und die Kinder die andere Hälfte zu je gleichen Teilen. Die Kinder sind also im ersten Erbfall enterbt. Deshalb entstehen die gesetzlichen Pflichtteilsansprüche. Das sind neben dem Pflichtteilsanspruch selbst auch noch die Pflichtteilsergänzungs- und die Pflichtteilsrestansprüche.

Pflichtteilsberechtigt sind aber nicht alle Verwandten. Nur Kinder, Enkel und weitere Abkömmlinge sowie Eltern haben Anspruch auf den Pflichtteil. Geschwister haben keinen Anspruch auf den Pflichtteil, genauso wie nicht verheiratete Partner. Letztere haben auch nur einen geringen Freibetrag von 20.000 Euro – falls Sie per Testament zum Erben gemacht wurden.

Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Es ist ein reiner Geldanspruch gegen den oder die Erben. Mit den einzelnen Nachlassgegenständen haben die Pflichtteilsberechtigten also nichts zu tun. Die Pflichtteilsberechtigten und die Erben sind nicht in einer Erbengemeinschaft. 

Diese Trennung führt dazu, dass die Erben nicht auch noch mit benachteiligten Pflichtteilsberechtigten in einer Erbengemeinschaft zu tun haben. Denn eine Erbengemeinschaft muss häufig einstimmig entscheiden. Das dürfte mit Miterben schon schwierig genug sein. Man kann sich bestimmt vorstellen, dass eine einstimmige Entscheidung mit benachteiligten Pflichtteilsberechtigten unmöglich wäre.

Der Pflichtteil als Geldanspruch wird sofort mit dem Tod des Erblassers fällig. Er ist auch zu verzinsen. Das alles ist für die Erben mit Schwierigkeit verbunden, denn der Nachlass besteht in ganz vielen Fällen nicht nur aus Bargeld und Bankguthaben. Meist sind Immobilien und Sachwerte vorhanden. Reicht das Bar- und Bankvermögen nicht aus, um die Pflichtteilsberechtigten auszuzahlen, muss das Erbe „versilbert“ werden. Aus Sicht der Pflichtteilsberechtigten ist das „ausgleichende Gerechtigkeit“. Schließlich wurden sie enterbt.

Die Pflichtteilsberechtigten haben zur Durchsetzung ihrer Ansprüche einen Auskunftsanspruch auf ein Nachlassverzeichnis. Dieses muss so vollständig und korrekt sein, dass der Pflichtteil daraus errechnet werden kann. 

Möglicherweise muss ein Sachverständigengutachten eingeholt werden zur Bewertung von Immobilien oder anderen Sachwerten, denn der Erbe muss Werte angeben im Nachlassverzeichnis. Kommt der Pflichtteilsberechtigte zu dem Ergebnis, dass ihm irgendetwas „faul“ vorkommt mit dem Nachlassverzeichnis, kann er auch ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen und natürlich auch die eidesstattliche Versicherung, dass alle Angaben im Nachlassverzeichnis nach bestem Wissen und Gewissen gemacht wurden.

Viele Angaben in Nachlassverzeichnissen sind falsch, weil sich die Erben nicht anwaltlich haben beraten lassen. Das führt möglicherweise zu einer Freiheitsstrafe, denn die falsche eidesstattliche Versicherung ist bedroht mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr. Es gibt keine Möglichkeit des Strafrichters, eine Geldstrafe zu verhängen. Das ist harte Kost für die Erben.

So wollte es der Gesetzgeber, denn der Pflichtteilsberechtigte weiß nichts Genaues über den Nachlass und muss sich auf die Angaben der Erben verlassen.

Deshalb müssen die Erben auch Auskunft erteilen über etwaige Schenkungen. Hierzu zählen alle Schenkungen. Schenkungen zwischen den Ehegatten seit der Verlobung, Schenkungen an Erben, Schenkungen an Dritte. Schenkungen zwischen den Ehegatten sind meist besonders problematisch, denn die berühmte 10-Jahresfrist bei Schenkungen gilt nicht ohne weiteres bei Schenkungen zwischen Ehegatten. 

Sie beginnt erst zu laufen bei Scheidung oder Tod. Man sollte also Schenkungen zwischen Ehegatten vorher überdenken und mit einem Fachanwalt für Erbrecht besprechen. Auch Schenkungen an die Erben können dasselbe Schicksal teilen. Wenn versucht wird, den Pflichtteilsberechtigten einen sehr geringen Erbteil zu hinterlassen, wie bspw. 1/50, dann geht auch das schief, denn dann entstehen Pflichtteilsrestansprüche. Der geringe Erbteil wird dann wieder aufgestockt bis zum gesetzlichen Pflichteilanspruch.

Wenn die Erblasser den Pflichtteil reduzieren oder vermeiden wollen, muss dies auf zulässige Art und Weise geschehen. Es gibt einige Möglichkeiten, jedoch sollte man sich frühzeitig von einem Erbrechtsanwalt beraten lassen.

Bei Fragen zum Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsansprüchen, Pflichtteilsergänzung, Abwehr von Pflichtteilsansprüchen und Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen:

Rechtsanwalt Dirk Wittstock



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