Rechtschutz gegen Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichterscheinens zum Anhörungstermin

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In letzter Zeit sind zahlreiche Fälle bekannt geworden, in denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Asylverfahren wegen Nichterscheinens zu einem Anhörungstermin einstellt und die Betroffenen mit sofortiger Wirkung zur Ausreise aus der Bundesrepublik binnen einer Woche auffordert.

I. Einstweiliger Rechtschutz gegen eine Abschiebungsanordnung; Rechtsschutzbedürfnis bei einem Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO; Vorrang des Wideraufnahmeverfahrens nach § 33 Abs. 5 S. 2 AsylG?

Gegen die Anordnung der Ausreise ist Eile geboten. Deshalb suchten betroffene Mandanten/innen Rechtsschutz im Wege des einstweiligen Rechtschutzes.

Durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kann der/die Betroffene eine aufschiebende Wirkung eines von ihr/ihm bereits eingelegten Rechtsbehelfes herbeiführen. Das bedeutet für den Asylsuchenden konkret, dass die Wirkung der Anordnung zur Ausreise bis zum Ende des gerichtlichen Verfahrens gegen ihn/sie keine Wirkung entfaltet und er/sie aufgrund der Anordnung vorübergehend nicht ausreisen muss. Antragsteller/innen müssen jedoch für die Zulässigkeit eines solchen Antrags gem. § 80 Abs. 5 VwGO ein Rechtsschutzbedürfnis aufweisen.

Das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, wenn der Antragsteller/in mit dem von ihm/ihr angestrebten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ein schutzwürdiges Interesse verfolgt und er/sie den angestrebten Erfolg nicht auf einfachere, schnellere oder billigere Art und Weise erreichen kann.

In der Rechtsprechung wurde daraufhin kontrovers diskutiert, ob die Betroffenen in solchen Fällen vorrangig auf die Möglichkeit des Wideraufnahmeverfahrens nach § 33 Abs. 5 S. 2 AsylG zu verweisen sind. Wäre diese Rechtsansicht korrekt, hätte zur Folge, dass für den eingereichten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung das Rechtsschutzbedürfnis entfiele und der Antrag somit unzulässig wäre.

In einem durch unsere Kanzlei vertreten Klageverfahren gegen die Anordnung zur Ausreise hat das Verwaltungsgericht Köln überzeugend klargestellt, dass das Rechtsschutzbedürfnis des eingereichten Antrags nicht deshalb entfällt, weil dem Kläger die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens zustünde. Ein solcher Antrag stellt keine leichtere bzw. effektivere Möglichkeit dar. Dieser wäre für das Ziel, die Abschiebungsandrohung zu beseitigen, im Vergleich zu einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO sogar verfahrensmäßig nachteilig.

II. Rechtschutz gegen Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichterscheinens beim Anhörungstermin

Die Einstellung des Verfahrens bei Nichterscheinen zum Termin darf nicht allein deshalb erfolgen, weil der/die Asylbewerber/in zu einer Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht erscheint. Die Einstellung des Verfahrens ist nur dann rechtmäßig, wenn dem Betroffenen am Nichterscheinen ein Verschulden trifft.

III. Rechtschutz gegen rücknahmebedingte Einstellung des Asylverfahrens wegen fehlerhafter Rechtsfolgenbelehrung

§ 33 Abs. 2 Nr. 1 AsylG bestimmt, dass vermutet wird, dass ein Ausländer/in das Asylverfahren nicht betreibt, wenn er einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachgekommen ist.

Das schuldhafte Fernbleiben bei einer Anhörung gem. § 25 AsylG kann also zur Folge haben, dass der Asylantrag des Klägers gem. § 33 Abs. 1 AsylG als zurückgenommen gilt und das Verfahren gemäß § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG eingestellt wird.

Das zuständige Bundesamt die Betroffenen jedoch gemäß § 33 Abs. 4 Asylgesetz auf die Folgen der Verletzung von Mitwirkungspflichten ausdrücklich hinweisen.

Die Mitteilung alleine, dass das Nichterscheinen zum Anhörungstermin „nachteilige Folgen“ haben kann, reicht dafür nicht aus, denn dadurch ist der Betroffene nicht dahingehend belehrt worden, dass der Asylantrag im Falle Nichtbefolgung der Aufforderung nach § 33 Abs. 1 AsylG als zurückgenommen gilt. In solchen Fällen fehlt es an einer ordnungsgemäßen Belehrung und die Einstellung des Verfahrens ist rechtwidrig (Urt. des VG-s Köln vom 29.06.2017, Az.: 13 K 6354/17.A; Beschl. v. 29.05.2017, Az.: 13 L 1979/17.A).

Bei dem in unserer Kanzlei betreuten Rechtsstreit hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unseren Mandanten lediglich auf Deutsch über diese rechtliche Folge belehrt. Unser Mandant war jedoch der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig. 

Die europarechtskonforme Auslegung des § 33 Abs. 4 AsylG verlangt, dass das Bundesamt in einer dem Antragsteller verständlichen Sprache über den Inhalt der Vermutungstatbestände des Abs. 2 belehrt, denn Art. 12 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie 2013/32/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 bestimmt, dass der Antragsteller in einer Sprache, die sie verstehen oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass sie sie verstehen, über den Verlauf des Verfahrens und über ihre/seine Rechte und Pflichten während des Verfahrens sowie darüber informiert werden, welche Folgen es haben kann, sollten sie ihren Pflichten nicht nachkommen und nicht mit den Behörden zusammenarbeiten sowie über die Folgen einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Rücknahme des Antrags.

Demensprechend galt der Asylantrag nicht als zurückgenommen und das Asylverfahren lief weiter. Auch aus diesem Grund wurde ein Bescheid aufgehoben, der unserem Mandanten die Ausreise befahl.

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Der ständige Wandel der Gesetze und der Rechtsprechung in Bezug auf das Asylrecht machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.

Wenn Sie rechtliche Beratung benötigen, rufen Sie uns an oder schicken Sie uns eine E-Mail.


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