Wechselmodell trotz Alleinsorge möglich – worauf Eltern achten sollten

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Nach einer Trennung wünschen sich viele Eltern eine möglichst gerechte Aufteilung der Betreuungszeiten für ihr Kind. Das sogenannte Wechselmodell – also eine hälftige Betreuung durch beide Elternteile – wird dabei immer beliebter. Oft wird angenommen, dass eine solche Regelung automatisch die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge voraussetzt. Doch das ist ein Irrtum. Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 01.06.2023 – 17 UF 21/23) hat klargestellt: Auch bei einem bestehenden Wechselmodell kann einem Elternteil die Alleinsorge übertragen werden, wenn das dem Kindeswohl besser entspricht.

Worum ging es im Fall?
Im entschiedenen Fall betreuten getrenntlebende Eltern ihr Kind im Wechselmodell. Allerdings war die Kommunikation zwischen ihnen massiv gestört. Streitigkeiten über Arztbesuche, Schule, Finanzen und organisatorische Fragen bestimmten den Alltag. Wichtige Informationen wurden nicht geteilt, Entscheidungen wurden einseitig getroffen.
Das Kind, das aufgrund einer geistigen Behinderung besonders auf Stabilität angewiesen war, litt unter dieser Belastung. Das Gericht entschied daher: Die Alleinsorge wird einem Elternteil übertragen – das Wechselmodell als Betreuungsform bleibt aber bestehen.

Was bedeutet das?Alleinsorge und Wechselmodell können nebeneinander bestehen: Betreuung und Entscheidungsbefugnis sind rechtlich getrennte Bereiche.
➡️ Kommunikationsunfähigkeit kann zur Aufhebung der gemeinsamen Sorge führen: Maßgeblich ist die Frage, wer das Kindeswohl besser sichern kann.
➡️ Das Kindeswohl steht immer im Mittelpunkt: Nicht die Vorstellungen der Eltern, sondern die Bedürfnisse des Kindes entscheiden.
➡️ Einzelfallprüfung ist zwingend erforderlich: Es gibt keine festen Regeln – jeder Fall wird individuell beurteilt.

Checkliste für betroffene Eltern:
✅ Können wir gemeinsam wichtige Entscheidungen für unser Kind treffen?
✅ Informieren wir uns gegenseitig über gesundheitliche, schulische oder finanzielle Belange?
✅ Respektieren wir die Bindung des Kindes zum jeweils anderen Elternteil?
✅ Können wir trotz Meinungsverschiedenheiten sachlich kommunizieren?
✅ Stehen das Wohl und die Stabilität des Kindes für uns an erster Stelle?

Wenn mehrere dieser Fragen mit "Nein" beantwortet werden müssen, kann eine gerichtliche Überprüfung der Sorgerechtsverteilung sinnvoll sein – selbst bei gelebtem Wechselmodell.

Fazit:
Das Wechselmodell allein garantiert keine gemeinsame Sorge. Entscheidend ist, ob die Eltern auch in wichtigen Bereichen zusammenarbeiten können. Kann dies nicht sichergestellt werden, kann die Alleinsorge trotz hälftiger Betreuung auf einen Elternteil übertragen werden – im Sinne des Kindeswohls.

Quellen:


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