Rosige Aussichten im Bußgeldverfahren?

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Eine Flut von Medienberichten über vermeintliche Verfahrens- und Messfehler bei Messungen im Straßenverkehr lassen die Vermutung aufkommen, derzeit sei es risikoloser, sich nicht an die Verkehrsregeln zu halten. 

Deutschlandweite Entscheidungen und Diskussionen:

  • Im Juli überraschte eine Entscheidung des saarländischen Verfassungsgerichtshofes mit dem Inhalt, die Praxis in Bußgeldstellen mit bestimmten Messgeräten benachteilige denjenigen, der die Richtigkeit der Messung überprüfen wollte. Dieser Verstoß gegen den Grundsatz auf ein faires Verfahren führe zur Unverwertbarkeit von Ergebnissen bestimmter Messgeräte. Das saarländische Innenministerium wies daraufhin Bußgeldstellen und Polizeidienststellen an, drei Messgeräte verschiedener Hersteller nicht mehr zu verwenden. 
  • Ganz aktuell ging eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Frankfurt a. M. durch die bunten Blätter, wonach es unzulässig sei, Privatunternehmen für die Messungen im Straßenverkehr einzuspannen. 
  • Das Verwaltungsgericht Hannover untersagte vor einiger Zeit den Einsatz eines neuen Systems zur Geschwindigkeitsmessung namens Section Control. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hob dieses Verbot jetzt quasi wieder auf. Das Gerät ist nun im Einsatz. 
  • Im letzten Jahr waren es Rotlichtüberwachungsgeräte, deren Induktionsschleifen zu nahe beieinander lagen. In manchen Städten (u. a. auch in Leipzig) wurden eine Vielzahl von Anlagen stillgelegt. 
  • Noch gut in Erinnerung von Bußgeldrichtern und Verkehrsanwälten ist der Fall eines in allen Lasergeräten Leivtec XV3 verbauten zu langen Spiralkabels. Das ausgezogene Kabel war überraschenderweise etwa 10 cm zu lang und widersprach damit der Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt. Die elektromagnetische Verträglichkeit schien nicht mehr gesichert zu sein. 
  • Wohin derzeit die Diskussion unter Sachverständigen führt, in der es um die Beeinflussung von lichtempfindlichen Sensoren in sogenannten Einseitensensoren (eine Art Lichtschranke, die vor allem auf Autobahnen zur Geschwindigkeitsmessung eingesetzt wird) durch moderne LED-Scheinwerfer geht, lässt sich noch nicht absehen. Werden jetzt wegen der Impulsfrequenz der LEDs aus solchen Gründen Bußgeldverfahren eingestellt?

Die Praxis

Die Realität im Gerichtssaal sieht leider anders aus. Natürlich gibt es auch in Sachsen oder Brandenburg Richter, die die Argumentation des saarländischen Verfassungsgerichts für plausibel erachten und Verfahren aus den gleichen Gründen einstellen. Das sind aber Ausnahmen. Die Mehrheit der Richter begründet ihre Entscheidung gegen eine Einstellung damit, dass wir schließlich nicht im Saarland sind und das eine dortige Entscheidung keine Bindungswirkung für hiesige Gerichte habe.

Ob sich ein anderes Verfassungsgericht bald mit derselben Frage befassen muss, ist vielleicht nicht absehbar. Eine solche Entscheidung bräuchte wohl einen zeitlichen Vorlauf von zwei Jahren und vor allem einen geeigneten Fall mit einer sehr professionellen Aufbereitung. Das dürfte wohl nur besonders spezialisierten Verteidigern gelingen. Bis dahin werden wohl die meisten Betroffenen wegen ihrer Tat verurteilt und es hilft nichts, wenn später in einem anderen Fall festgestellt wird, dass das der Entscheidung zugrunde liegende Verfahren unfair war.

In Einzelfällen aber wird es zu Einstellungen kommen. Genauso wie in den Fällen der Rotlichtüberwachungsanlage oder des zu langen Spiralkabels. Auch dann, wenn der Einsatz von Privatunternehmen zur Unterstützung von gemeindlichen Überwachungsaufgaben nachgewiesen wird, wird es für Betroffene zu günstigen Ergebnissen kommen, nicht immer, aber wegen der Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. immer öfter. Dieses Thema ist aber in vielen Regionen ein „alter Hut“. In Dresden und Umgebung ist das Problem schon vor Jahren in Gerichten diskutiert worden und heute Standard, dass keine hiesige Bußgeldstelle sich solcher Hilfe bedient. – Meint man, bis man wieder eines Besseren belehrt wird!

Fazit: Unterm Strich lässt sich wohl das Resümee ziehen, dass das Risiko wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit mit Punkten in Flensburg belohnt zu werden, nicht geringer geworden ist. Die Chance, aus einem Verfahren mit einer Einstellung nach Hause zu gehen, ist so groß oder so klein wie schon früher. Um aber zu erkennen, wo im Verfahren oder bei der Messung etwas im Argen liegt, bedarf es besonderer Erfahrung in diesem speziellen Rechtsgebiet mit viel technischem Verständnis.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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