Rückforderung von Zahlungen aus überteuerten Coaching-Verträgen jetzt möglich

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Das OLG Celle hat in einem aufsehenerregenden Urteil entschieden, dass das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) nicht nur für Verbraucher anwendbar ist, sondern auch für Unternehmer. Das eröffnet neue Möglichkeiten, um sich aus teuren Coaching-Verträgen zu lösen und jedenfalls noch Zahlungen zurückzufordern, die im Jahr 2020 erfolgten.

Was ist Coaching?

Als Coaching bezeichnet man Beratungsmethoden zur persönlichen und beruflichen Entwicklung, die dem Beratenen helfen sollen, eigene Ziele zu definieren und Strategien zu entwickeln, diese Ziele zu erreichen. Das ist grundsätzlich eine sinnvolle Tätigkeit, allerdings tummeln sich unter den Coaching-Anbietern schwarze Schafe, die wenig Leistung zu vollkommen überhöhten Preisen anbieten. Besonders seit den Corona-Lockdowns hat sich ein teilweise unanständiges Geschäftsmodell entwickelt. Über einen solchen Fall entschied nun das OLG Celle.

Was war geschehen?

Eine Frau hatte mit einem Coaching-Anbieter eine Vereinbarung über Online-Coaching für ein Jahr getroffen. Der Inhalt des Coachings war nur sehr schwammig formuliert, sollte aber die Position der Frau in der Wirtschaft stärken. Für das Coaching sollte sie 26.400,00 EUR netto in monatlichen Raten zu je 2.200,00 EUR netto zahlen. Die nachmalige Beklagte wollte an dieser Vereinbarung nicht festhalten, weil die Leistungen des Online-Coachings nicht ihren Erwartungen entsprachen. Nachdem sie die Zahlung der Monatsbeträge verweigerte, wurde sie verklagt. Der Coaching-Anbieter verlangte zunächst zwei, später dann insgesamt sechs Monatszahlungen brutto, also 15.708,00 EUR. Die Beklagte wehrte sich hiergegen und wollte selbst festgestellt wissen, dass keine weiteren Zahlungsansprüche des Coaching-Anbieters bestehen (Widerklage).

Die Entscheidung des Landgerichts

Das LG Stade hatte die Klage mit Urteil vom 18.08.2022 (Az. 3 O 5/22) abgewiesen und der Widerklage stattgegeben, soweit diese sich auf die zweite Hälfte des Vertragszeitraums bezog. Für das erste halbe Jahr war Zahlung eingeklagt worden, deshalb war eine Feststellungsklage hier unzulässig.

Zu Begründung führte das LG Stade aus, dass  die Vereinbarung sittenwidrig ist. Daraus folgt, dass sie nach § 138 BGB nichtig ist. Das Gericht setzt sich intensiv mit den Kosten für Studiengänge auseinander, in denen vergleichbare oder sogar vertieftere Kenntnisse im Marketing und der Unternehmensführung vermittelt werden. Diese bewegen sich zwischen etwa 500,00 EUR und 3.000,00 EUR jährlich. Das Landgericht hält diese Angebote für höherwertiger als die des Coaching-Anbieters, obwohl dessen Kurs das zehnfache kostet wie das teuerste Vergleichsangebot. Es leitet daraus ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung her und stellt gleichzeitig fest, dass gegen den Coaching-Anbieter die Vermutung verwerflicher Gesinnung spricht.

Soweit kann das als bedauerlicher Einzelfall gesehen werden, bei dem es immerhin gelungen ist, wucherähnliche Geschäftsmethoden in die Schranken zu verweisen. Wesentlich bemerkenswerter ist aber die Berufungsentscheidung des OLG Celle vom 01.03.2023 (Az. 3 U 85/22).

Das Berufungsurteil

Das OLG Celle beschäftigt sich überhaupt nicht mit der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung, sondern stellt fest, dass die Vereinbarung nichtig ist, weil der Online-Anbieter keine Zulassung nach § 12 FernUSG besitzt. Und das ist ein Paukenschlag. 

Bislang ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass das FernUSG lediglich zu Gunsten von Verbrauchern wirkt, nicht aber auch zu Gunsten von Unternehmern. Die Beklagte galt als Unternehmerin, weil die Coaching-Angebote der Vorbereitung ihrer wirtschaftlicher Tätigkeit dienen sollten.

Das OLG geht intensiv auf die Entstehungsgeschichte des FernUSG ein und stellt auch den Zusammenhang mit Art. 6 FARL dar, also der – inzwischen durch die Verbraucherrechte-Richtlinie ersetzten – europäischen Fernabsatzrichtlinie. Beides könne darauf hindeuten, dass das FernUSG ausschließlich verbraucherschützend sei und deshalb für Unternehmer keinen Schutz biete.

Das FernUSG gilt auch für Unternehmer

Das Gericht kommt aber zu dem Ergebnis, dass das nicht so ist. Das FernUSG sagt an keiner Stelle, dass es ausschließlich für Verträge mit Verbrauchern anwendbar sei. In anderen Gesetzen, die ausschließlich Verbraucher schützen sollen, gibt es jedoch entsprechende Vorschriften. Außerdem verwendet das FernUSG den Begriff des Verbrauchers mit einer einzigen Ausnahme auch nicht. Das Gericht erläutert dann, dass beispielsweise Fachanwaltslehrgänge, die sich regelmäßig an Rechtsanwälte und daher an Unternehmer wenden, über eine Zulassung der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht verfügen. Das wäre nicht erforderlich, wenn das FernUSG nur im Verhältnis zu Verbrauchern gelte.

Das Online-Coaching, um das es hier geht, ist auch als Fernunterricht anzusehen. Weil der Anbieter für diesen Lehrgang aber keine Zulassung nach § 12 Abs. 1 FernUSG hat, ist die Vereinbarung zwischen Coaching-Anbieter und Beklagter gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig, Zahlungsansprüche bestehen somit nicht. Das Urteil ist rechtskräftig, weil das OLG die Revision zum BGH nicht zugelassen hat.

Die Entscheidung des OLG ist zutreffend. Dass ein Gesetz auch Verbraucher schützt, bedeutet nicht automatisch, dass es nur Verbraucher schützt. Hätte der Gesetzgeber nur Verbraucher schützen wollen, hätte er das Gesetz entsprechend formulieren können. Das hat er jedoch nicht getan, sondern hielt die Schutzbedürftigkeit eines Online-Teilnehmers wie hier beim Coaching für stets erheblich höher als die des Teilnehmers am Präsenzunterricht. Das gilt für Verbraucher und Unternehmer gleichermaßen.

Das hat erhebliche Folgen. Wer in der Vergangenheit vergleichbare Online-Coachings gebucht hat, dürfte jetzt die Möglichkeit haben, sich ohne größere Probleme hiervon zu lösen, um so weitere Zahlungen vermeiden zu können.

Daneben besteht aber auch noch die Möglichkeit, geleistete Zahlungen zurückzufordern. Das wird besonders für diejenigen Nutzer freuen, die ein Coaching bereits vollständig bezahlt haben.

Rückzahlungsansprüche verjähren allerdings im Allgemeinen drei Jahre nach ihrer Entstehung, gerechnet am dem Ende des laufenden Jahres. Das heißt, dass Zahlungen aus dem Jahr 2020 noch bis Ende 2023 zurückgefordert werden kann. Ob auch frühere Zahlungen zurückgefordert werden können, ist denkbar, muss aber geprüft werden.

Im Einzelfall kann der Abschluss einer Vereinbarung zu völlig überhöhten Preisen sogar eine sittenwidrige Schädigung darstellen. Das hätte zur Folge, dass Rückzahlungsansprüche noch nach zehn Jahren geltend gemacht werden könnten.

Ob das FernUSG Anwendung findet, hängt aber auch von den Inhalten des Coachings ab und ist eine Frage des Einzelfalls. Sie muss sorgfältig geprüft werden.

Hierbei und bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche sind wir Ihnen gern behilflich. Wir hatten bereits in der Vergangenheit Mandanten bei der Abwehr unberechtigter Forderungen von Coaching-Anbietern erfolgreich unterstützt.

Foto(s): Adobe Stock

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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