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Rutschige Straßen und rauer Wind – Haftung der Gemeinde

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Rutschige Straßen und rauer Wind – Haftung der Gemeinde

Der Herbst ist nicht nur die goldene Zeit des Jahres, sondern auch die Jahreszeit des Laubfalls und der Nebelschwaden. Der Herbst fordert daher von den Verkehrsteilnehmern besondere Aufmerksamkeit, welche leider nicht immer im Straßenverkehr an den Tag gelegt wird. Passieren Unfälle ohne die Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer, wird oftmals die Gemeinde aufgrund der Nichteinhaltung verschiedener Verkehrssicherungspflichten zur Verantwortung gezogen. Die Redaktion von anwalt.de informiert darüber, welche Ansprüche auf Schadensersatz gegen eine Gemeinde geltend gemacht werden können und bei welchen sich ein Rechtsstreit aufgrund zu befürchtender Klageabweisung nicht lohnt. 

Straßenreinigungs-, Räum- und Streupflicht 

Im Herbst verursacht insbesondere herabfallendes Laub, aber auch der erste Frost rutschige Straßen. Dabei tragen Städte und Gemeinden für die Sicherheit auf ihren Straßen und Wegen eine Sorgfaltspflicht. In ihren Satzungen übertragen sie diese Pflicht oft auf Anlieger sowie andere Dritte. So können beispielsweise Anwohner verpflichtet sein, auch einen kleinen Seitenstreifen der Fahrbahn zu räumen, sofern kein von der Fahrbahn baulich abgegrenzter Gehweg existiert (Oberlandesgericht Dresden, Urteil v. 19.02.2003, Az.: 6 U 955/02)

Eine Stadt oder Gemeinde muss auch nach der Pflichtübertragung ihre weiterhin bestehende Überwachungs- und Kontrollpflicht erfüllen. Eine stichprobenartige Kontrolle soll genügen, wenn die Gemeinde ein Fachunternehmen beauftragt hat (Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil v. 12.02.2009, Az.: 2 U 10/07). Aber selbst dann kann sich eine Stadt oder Gemeinde durch eine Pflichtenübertragung nicht immer von ihrer Haftung befreien, wenn die Beseitigung unzumutbar ist. Das wurde für eine Straße mit einem umfangreichen Baumbestand angenommen. Diese wurde durch das viele Laub so stark verschmutzt, dass der Aufwand zum Beseitigen für die Anlieger unzumutbar war. Die Pflichtenübertragung kann deshalb rechtswidrig sein (Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, Urteil v. 14.02.2007, Az.: 12 KN 399/05)

Städte und Gemeinden sind für Unfälle auf wenig befahrenen Straßen ohne besondere Gefahrpotenzial schwerer haftbar zu machen. Insofern gilt, dass verkehrswichtige und gefährliche Straßen der Räum-, Streu- und Straßenreinigungspflicht unterliegen. Verkehrsunbedeutende und innerhalb geschlossener Ortschaften gelegene Straßen sind von dieser Verpflichtung nicht erfasst (Oberlandesgericht Thüringen, Urteil v. 21.01.2009, Az.: 4 U 341/08; Landgericht Rottweil, Urteil v. 28.01.2008, Az.: 2 O 312/07)

In vielen Satzungen gilt die Räumpflicht werktags zwischen 7 und 20 Uhr, an Sonntagen und Feiertagen dagegen zwischen 9 und 20 Uhr.  

Umstürzende Bäume und herabfallende Äste

Gerade im Herbst machen Autofahrer aufgrund stürmischeren Wetters und schlechterer Sicht häufiger Erfahrungen mit herabfallenden Zweigen und umknickenden Bäumen. 

Bäume, die direkt an oder recht nahe bei Straßen stehen, unterliegen ebenfalls der Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde. Denn solche Bepflanzungen sind regelmäßig der sogenannten Baumkontrolle zu unterziehen und auf Krankheiten zu untersuchen, die ein Abbrechen oder Umfallen des Baums verursachen könnten. Auch die Äste der Bäume sind regelmäßig zu kontrollieren, um Gefahren für die Verkehrsteilnehmer frühzeitig erkennen zu können und Schäden durch herabfallende Äste weitestgehend auszuschließen. Werden Personen oder Sachen beschädigt, kann die Gemeinde wegen unzureichender Kontrolle und Übersehens der „Gefahrzeichen” auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. (Oberlandesgericht Thüringen, Urteil v. 14.01.2009, Az.: 4 U 818/07) 

Beschädigung von Pkws durch Straßenschäden

Die herbstliche Witterung und der erste Frost sind auch oft Ursache für Schäden im Straßenbelag. Hier ist ebenfalls die Gemeinde verpflichtet, ihrer Verkehrssicherungspflicht nachzukommen und Schlaglöcher zu beseitigen. So rechnete das Oberlandesgericht (OLG) Celle einer Gemeinde hälftiges Mitverschulden hinsichtlich Schäden zu, die am Auto des Klägers beim Befahren einer Straße durch ein 20 cm tiefes Schlagloch entstanden waren. Zwar hat sich jeder Straßenbenutzer grundsätzlich den gegebenen Straßenverhältnissen anzupassen und die Fahrbahn so hinzunehmen, wie sie für ihn erkennbar ist. Doch im vorliegenden Fall entschied das Gericht zugunsten des Autofahrers. Denn obwohl der offenkundig schlechte Zustand einer Straße in der Regel „vor sich selbst warnt” und der Autofahrer bei Unebenheiten in der Fahrbahn grundsätzlich langsamer fahren und aufmerksamer sein muss, ist die Gemeinde insbesondere dann nicht von ihrer Verkehrssicherungspflicht befreit, wenn es sich um Schlaglöcher handelt, die mindestens 20 cm tief sind. Ein Verkehrsteilnehmer muss nach Aussage des Gerichts darauf vertrauen dürfen, dass keine erheblichen Vertiefungen von bis zu 20 cm vorhanden sind. 

Auch die Tatsache, dass auf der Strecke die Geschwindigkeit auf 30 km/h reduziert war und die Hinweisschilder „schlechte Wegstrecke” und „Straßenschäden” aufgestellt waren, spricht die Gemeinde nicht von ihrer Verkehrssicherungspflicht frei. Denn eine ordnungsgemäße Befahrbarkeit der Straße muss in jedem Fall gewährleistet sein und die Gefahrenstelle entweder beseitigt oder zumindest abgesperrt werden. Auch bei entsprechenden Warnschildern muss der Verkehrsteilnehmer nicht mit Vertiefungen in einer Größenordnung von 20 cm rechnen. (Oberlandesgericht Celle, Urteil v. 08.02.2007, Az.: 8 U 199/06) 

Anders dagegen sieht es aus, wenn es um Schlaglöcher in Nebenstraßen bzw. verkehrsunwichtigen Straßen geht. Denn hier werden die Anforderungen an den Straßenzustand deutlich gegenüber verkehrswichtigen Straßen reduziert. 

Schadensersatzansprüche für Fußgänger

Fußgänger haben in den meisten Fällen bei einem Rechtsstreit gegenüber der Gemeinde äußerst schlechte Karten, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen. 

Stürzt man zum Beispiel auf einer unbeleuchteten Treppe im Park, kann die Gemeinde dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden. Gehwege müssen nämlich nur dann beleuchtet werden, wenn ihnen eine besondere Verkehrsbedeutung zukommt, was bei einer Treppe im Park nicht gegeben ist. Außerdem signalisiert die Gemeinde bereits durch das Nichtbeleuchten, dass sie während der Dunkelheit keine Gewähr für die Sicherheit des Weges übernimmt. (Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil v. 15.01.2008, Az.: 2 U 1/07) 

Fußgänger sollten auch bei Benutzung einer Straße vorsichtig sein, denn die der Gemeinde obliegende Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich Straßen gilt nicht für Fußgänger. Knickt man also beispielsweise beim Überqueren einer Straße durch einen Tritt in ein Schlagloch um, bleibt man ggf. auf den Arztkosten sitzen, denn die Gemeinde ist nicht verpflichtet, die Straße in einem für den Fußgängerverkehr geeigneten Zustand zu halten. (Oberlandesgericht Hamm, Urteil v. 25.05.2004, Az.: 9 U 208/03) 

Stürzt man im Winter aufgrund einer zugefrorenen Pfütze auf dem Gehweg, ist ebenfalls nicht die Gemeinde zur Verantwortung zu ziehen, denn es besteht für die Gemeinde diesbezüglich keine Kontrollpflicht. Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld kann aber ggf. vom Streupflichtigen (in der Regel der Anwohner) verlangt werden. 

Auch bei Baugruben ist für Fußgänger Vorsicht geboten: Wird eine Baugrube durch ein Holzbrett bedeckt, um den Übergang bzw. die Überfahrt zu ermöglichen, muss man insbesondere bei Regen vorsichtig sein. Denn die Gemeinde ist hier nicht schadensersatzpflichtig, selbst wenn weder warnende Hinweisschilder noch ein Geländer angebracht waren. Es wird vorausgesetzt, dass der Fußgänger in einer solchen Situation eine mögliche Gefahr erkennt und sich dementsprechend aufmerksam und vorsichtig bewegt. 

Einen positiven Ausgang für Fußgänger hatten allerdings die Gerichtsstreitigkeiten hinsichtlich eines Sturzes auf ungeräumter und ungestreuter Fahrbahn im Gehwegbereich sowie Stolperns über einen aus dem Gehweg ragenden Gullydeckel: Die ungestreute Fahrbahn wurde in diesem Fall als Verlängerung des Gehweges angesehen, weshalb die Nichträumung und Nichtstreuung eine mindestens fahrlässige Verletzung der Räum- und Streupflicht darstellt (Landgericht München, Urteil v. 12.06.2008, Az.: 26 O 2677/08). Der Gullydeckel ragte im vorliegenden Fall zwar nur 1,5 cm aus dem Gehweg heraus. Nach Ansicht des Gerichtes kann einem Fußgänger jedoch auch unter Berücksichtigung dessen, dass Unebenheiten bis zu 2,5 cm auf Gehwegen grundsätzlich hinzunehmen sind, in einer Fußgängerzone nicht zugemutet werden, dass er bei jedem Schritt nach unten schaut, um auf Erhöhungen oder Vertiefungen zu achten. (Oberlandesgericht Celle, Urteil v. 25.01.2007, Az.: 8 U 161/06) 

(HEI) 

Foto(s): ©Adobe Stock/helivideo

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