Scheidung in Kolumbien

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Unter einer Scheidung versteht man die Auflösung der rechtlichen Komponente einer zivilen Ehe, das Erlöschen der zivilen Wirkungen einer religiösen Ehe oder die Aufhebung einer ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft. Für Scheidungsverfahren ist zu unterscheiden, ob Einvernehmen über die Scheidungsfolgen besteht oder ob die Scheidung streitig ist. Die jeweiligen Verfahren divergieren stark voneinander, so auch die Verfahrensdauer. Die gesetzlichen Hauptgründe für Scheidungen sind: Außereheliche sexuelle Beziehungen eines Ehepartners, schwere und ungerechtfertigte Nichterfüllung der ehelichen Pflichten, Beleidigungen und Demütigungen (einschließlich psychologische Gewaltanwendung), Trunkenheit im Eigenheim, Konsum von Halluzinogenen ohne medizinische Verschreibung, Krankheit, schwere oder unheilbare Beeinträchtigung sei es psychische oder körperliche, Verhalten, das geeignet ist, den anderen Ehegatten oder seine Nachkommen oder die unter demselben Dach lebenden Personen zu schädigen; getrennte Lebensweise, die länger als 2 Jahre angedauert hat oder stillschweigende Vereinbarung. Die einvernehmliche Scheidung wird vor einem Notar oder auf Wunsch vor Gericht durchgeführt, wobei die schnellere Variante vor dem Notar ist; die streitige Scheidung hingegen muss vor dem zuständigen Familiengericht durchgeführt werden. Bei der einvernehmlichen Scheidung muss keiner der gesetzlich vorgesehenen Scheidungsgründe erfüllt werden, es reicht das Einvernehmen, sich scheiden lassen zu wollen. Eine streitige Scheidung vor Gericht ist hingegen nur möglich, wenn einer der gesetzlich vorgesehenen Scheidungsgründe erfüllt wurde. In beiden Fällen herrscht Anwaltszwang, d.h. es wird die Vertretung durch einen kolumbianischen Anwalt benötigt. Die Scheidung darf nicht mit der Auflösung der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft verwechselt werden. Beide Verfahren können gemeinsam oder getrennt durchgeführt werden. Beispielsweise ist es möglich, sich im Einvernehmen scheiden zu lassen, aber über die Folgen der Auflösung der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft einen gerichtlichen Prozess zu führen oder aber die eheliche Wirtschaftsgemeinschaft aufzulösen, ohne die zivilen Effekte der Ehe zu suspendieren. Je nachdem, ob minderjährige eheliche Kinder beteiligt sind bzw. ob eine einvernehmliche Scheidung erzielt werden kann, rangiert die Dauer bis zur offiziellen Scheidung zwischen 8 Tagen (ohne Kinder und mit gegenseitigem Einverständnis) und mehreren Jahren (mit Kindern und ohne gegenseitiges Einverständnis).


Scheidung im Einvernehmen

Rechtsquellen

Gesetz 962 (2005), Dekret 4436 (2005)

Besteht zwischen den Ehegatten Einvernehmen über den Scheidungswillen, kann nach Erlangung eines Konsenses über die gewünschten Scheidungsfolgen das Scheidungsverfahren vor dem Notar durchgeführt werden (auch eine richterliche Scheidung im Einvernehmen ist möglich, aufgrund der langen Verfahrensdauer aber unüblich). Die Ehegatten müssen dafür von einem gemeinsamen Anwalt vertreten werden. Da in Kolumbien die kirchliche Trauung ausreicht und keine separate Eheschließung vor dem Standesamt notwendig ist, kann bei kirchlich geschlossenen Ehen der zivile Teil der Ehe ebenfalls im Einvernehmen vor dem Notar aufgehoben werden. Für den kirchenrechtlichen Teil ist ein gesondertes Verfahren nötig, sprich das religiöse Band bleibt davon unberührt. Die Scheidungsfolgenvereinbarung muss eine umfassende Regelung der Scheidungsfolgen enthalten (u.a. nachehelicher Unterhalt, Gütervereinbarung, Obsorge, Besuchsrecht). Hat das Paar keine minderjährigen Kinder, dauert das Verfahren nur wenige Tage und die Ehegatten müssen nicht gemeinsam vor dem Notar erscheinen. Das gesamte Verfahren vor dem Notar kann durch den Anwalt abgewickelt werden. Haben die Ehegatten hingegen zumindest ein minderjähriges Kind, muss die in Kolumbien für das Kindeswohl bei Scheidungen zuständige Behörde (Defensoria de Familia) eine Stellungnahme zur Besuchs- und Obsorgeregelung abgeben und der Scheidung zustimmen.


Streitige Scheidung

Ist die Ehe so stark zerrüttet, dass an eine Scheidung im Einvernehmen nicht zu denken ist, muss ein streitiges Verfahren vor dem zuständigen Familiengericht eingeleitet werden. Hierbei muss jede Partei von einem eigenen Anwalt vertreten werden. Die Verfahrensdauer hängt stark vom Einzelfall ab und kann sich über mehrere Jahre erstrecken.


Anerkennung von Scheidungsurteilen

Grundsätzlich gilt (mit wenigen Ausnahmen, z. B. innerhalb der Europäischen Union oder wenn wegen besonderer Umstände ausnahmsweise auf ein Anerkennungsverfahren verzichtet werden kann), dass Gerichtsurteile und vergleichbare Hoheitsakte nur im Gebiet des Staates, indem sie erlassen worden sind, gelten. Auch Scheidungsurteile sind daher zunächst nur in dem Staat wirksam, in dem sie erlassen wurden. Bei internationalen Ehen, die oft in zumindest zwei Staaten eingetragen wurden, ist daher zumeist ein Anerkennungsverfahren im zweiten Land, in dem die Scheidung nicht erfolgt, die Ehe aber gemeldet ist, nötig. Bei der Frage, in welchem Land die Ehe am besten geschieden werden soll, muss neben den Regeln der internationalen Zuständigkeit (die im Einvernehmen oft eine Forumswahl zulassen und auch im Streitfall meist mehrere Optionen bieten) und dem materiellen nationalen Scheidungsrecht auch beachtet werden, wo die Ehe im Personenstandsregister gemeldet wurde und somit auch die Scheidung eingetragen werden soll, damit eine neue Ehe eingegangen werden kann.


Anerkennung in Kolumbien

In Kolumbien ist zur Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils ein in der Praxis recht aufwendiges gerichtliches Exequaturverfahren vor dem Obersten Gerichtshof notwendig. Das Verfahren kann sich über mehrere Jahre erstrecken (Dauer nicht unter zwei Jahren).


Anerkennung in Österreich

In Österreich ist seit Inkrafttreten des neuen Außerstreitgesetzes am 1.1.2005 für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Eheangelegenheiten gemäß § 97 Abs. 1 AußStrG generell kein obligatorisches gerichtliches Anerkennungsverfahren mehr vorgesehen. Dies gilt auch für Scheidungsurteile, die nicht aus dem EU-Raum stammen. Diese vereinfachte Anerkennung, ohne Durchführung eines eigenen gerichtlichen Verfahrens, erfolgt nunmehr durch den Standesbeamten. Wenn Zweifel über die Anerkennungswürdigkeit einer Entscheidung vorliegen, kann die Anerkennung wie nach bisheriger Rechtslage in einem selbstständigen Verfahren vor dem zuständigen Bezirksgericht gemäß § 98 AußStrG beantragt werden.

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