Scheinselbstständigkeit: strafrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und fiskalrechtliche Aspekte

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In diesem Beitrag werden die für die Problematik relevanten Bereiche des Strafrechts und des Sozialversicherungsrechts angesprochen.

Eine Scheinselbstständigkeit liegt bei Mitarbeitern vor, die zwar als Selbstständige (meist als Subunternehmer) geführt werden, bei denen aber nach Auffassung der Prüfstelle (z. B. Deutsche Rentenversicherung oder Zoll) ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Anders als bei der „echten“ Schwarzarbeit, bei der dem Arbeitnehmer der Lohn bar und ohne Abzüge ausgezahlt wird (sogenannte Nettolohnzahlung), versuchen die Parteien bei den Fällen der Scheinselbstständigkeit häufig alles „richtig“ zu machen, beurteilen den Sachverhalt aber rechtlich falsch.

Es ist wichtig zu wissen, dass es irrelevant ist, wie die Erwerbstätigkeit betitelt wird, allein entscheidend ist die tatsächliche Umsetzung. Ein Subunternehmer (oder Selbstständiger) ohne eigene Angestellte, der nur einen Auftraggeber hat, nicht weiter am Markt auftritt (z. B. keine Homepage, keine Werbung) und auch noch einen Urlaubsantrag stellen muss, wenn er in Urlaub gehen möchte, wird kaum eine Chance haben, als Selbstständiger anerkannt zu werden, es wird also eine Scheinselbstständigkeit angenommen. Es gibt durchaus Branchen, in denen man kaum eine Chance hat, als Selbstständiger anerkannt zu werden, sofern man nicht eigene Arbeitnehmer (abhängig Beschäftigte über der Geringfügigkeitsgrenze) beschäftigt. Grundsätzlich verlangt die sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung, dass ein Unternehmer ein Unternehmerrisiko hat, eine Betriebstätte besitzt und nicht in den Betrieb seines Auftraggebers eingegliedert ist.

Sofern die Deutsche Rentenversicherung (DRV) eine Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV durchgeführt hat und dabei auch die Selbstständigen geprüft hat, kann sie zu dem Ergebnis kommen, dass diese eben nicht selbstständig, sondern abhängig beschäftigt waren.

Für den Auftraggeber hat das fatale Folgen, er wird im Nachhinein zum Arbeitgeber eines illegalen Beschäftigungsverhältnisses. Der Arbeitgeber wird dann durch einen Bescheid verpflichtet, Arbeitnehmerbeiträge und Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung aus dem ursprünglich als Unternehmerlohn vereinbaren Betrag für die letzten (meist 4) Jahre nachzuzahlen. Da kommen schnell mehrere 100.000 € zusammen, weil die sogenannte Nettolohnfiktion, die Strafcharakter hat, eine äußerst ungünstige Berechnung nach sich zieht.

Wir haben schon etliche Unternehmer vertreten, die durch die Deutsche Rentenversicherung einen Beitragsbescheid wegen angeblicher Scheinselbstständigkeit der Subunternehmer von mehreren 100.000 € erhalten haben, weil diese in den letzten Jahren 3 oder 4 selbstständige Subunternehmer für einige Monate beschäftigt hatten. Die Nachforderungen sind deshalb so hoch, weil die Behörden (zulässigerweise) davon ausgehen, dass das Entgelt, welches der Selbstständige erhalten hat, der Nettolohn war. Dann wird auf den Bruttolohn zurückgerechnet (mit Lohnsteuerklasse VI) und daraus werden die Beiträge zur Rentenversicherung errechnet. Ein kleines Beispiel:

Der „Selbstständige“ arbeitet auf dem Bau, hat einige eigene Werkzeuge, ein eigenes Fahrzeug, welches er auch privat nutzt. Er übernimmt kleine Aufträge von anderen Unternehmern, die nicht genügend Personal zur Verfügung haben. In unserem Beispiel erhält er monatlich ca. 1600 € zuzüglich Umsatzsteuer (also 1904 €) für seine Tätigkeit vom Auftraggeber überwiesen. Er zahlt brav seine Steuern daraus und versichert sich selbst. Die Deutsche Rentenversicherung überprüft den Auftraggeber und stellt fest, dass der Selbstständige als Arbeitnehmer, also abhängig Beschäftigter, anzusehen ist, weil er kein Unternehmerrisiko und keine eigene Betriebstätte hat. Es wird nun davon ausgegangen, dass die bezahlten 1904 € den Nettolohn darstellen. Der daraus resultierende Bruttolohn beträgt sage und schreibe ca. 4060 €. Daraus errechnen sich die allein vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge von monatlich ca. 1686 €. Das ergibt in 4 Jahren 80.928 €. Dafür fallen dann noch Säumniszuschläge in Höhe von ca. 40.000 € an, sodass eine Gesamtsumme von ca. 120.000 € für den einen falsch eingeschätzten Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nachzuzahlen sind.

Dass dies den wirtschaftlichen Ruin des Auftraggebers bedeuten kann, insbesondere, wenn er mehrere dieser falsch eingeordneten Selbstständigen beschäftigt hat, dürfte nachvollziehbar sein.

Wenn das ursprüngliche Verfahren nicht von der Deutschen Rentenversicherung, sondern vom Zoll geführt wurde, wird es noch dramatischer, es wird auch noch ein Strafverfahren gegen den Arbeitgeber wegen Verstoßes gegen § 266 a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) eingeleitet.

Dann kommt zu der Beitragsforderung (diesmal dann für 5 Jahre rückwirkend) auch noch das Strafverfahren, welches häufig genug mit dem Verbot der Ausübung der Geschäftsführung für GmbH-Geschäftsführer einhergeht. Bei Beitragsnachforderungen ab 10.000 € werden Freiheitsstrafen verhängt (die bei Ersttätern aber häufig zur Bewährung ausgesprochen werden). Bei Freiheitsstrafen von 12 Monaten darf ein Geschäftsführer einer GmbH dieses Amt nicht weiter bekleiden, gleich, ob er Alleingesellschafter ist oder nicht. Bei Schäden von 500.000 € oder mehr kann es zu Haftstrafen von mehr als 2 Jahren kommen, diese können nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden und müssen verbüßt werden. Bei derartig großen Schadenssummen müssen sich auch versierte Verteidiger zusammen mit dem Angeklagten schon sehr anstrengen, um die Haft zu vermeiden.

Nicht einmal das private Insolvenzverfahren kann einem aus der finanziellen Misere helfen, da die aus Straftaten resultierenden Schulden nicht dem Restschuldbefreiungsverfahren unterliegen. Und genau das trifft leider für die Beitragsnachforderungen der Deutschen Rentenversicherung zu. Häufig muss an mehreren Fronten gleichzeitig „gekämpft“ werden.

Neben dem Strafverfahren wird häufig gleichzeitig auch ein Beitragsbescheid durch die Deutsche Rentenversicherung Bund erlassen. Selbst ein Widerspruch gegen den Bescheid hat keine aufschiebende Wirkung, sodass zunächst versucht werden muss, die sofortige Vollziehung des Bescheides auszusetzen. Gegebenenfalls kann dies erreicht werden, wenn die Vollstreckung der Beiträge eine Härte für das Unternehmen darstellt.

Auch das Finanzamt wird in vielen Fällen noch tätig. Wenn ein Selbstständiger als Arbeitnehmer angesehen wird, ist logischerweise zuvor auch keine Lohnsteuer abgeführt worden. Da der Arbeitgeber zusammen mit dem Arbeitnehmer für die Lohnsteuer gesamtschuldnerisch haftet, kann das Finanzamt den „Arbeitgeber“ für die Lohnsteuer in Haftung nehmen. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Arbeitnehmer die zuvor als Unternehmer getätigten Umsätze nicht in Deutschland versteuert haben. Ansonsten sieht das Finanzamt häufiger von Haftungsbescheiden ab, da die Selbstständigen ja schon Einkommensteuer gezahlt haben und eine Rückabwicklung sehr aufwändig ist.

Wie man an diesen Ausführungen sehen kann, ist die vorherige richtige Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses von großer Wichtigkeit und gehört heute bei den Firmen zum CM (Compliance Management).

Verbindliche rechtliche Sicherheit über den Status eines Selbstständigen kann der Auftraggeber letztendlich nur durch das Statusfeststellungsverfahren (§ 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV) erlangen. Hierzu wird ein Formular (V027) ausgefüllt und an die Deutsche Rentenversicherung geschickt. Dies teilt dann mit, ob der Selbstständige als solcher akzeptiert wird oder als Arbeitnehmer eingestuft wird. Nachdem solche Statusfeststellungsanfragen schnell bearbeitet werden, hat der Unternehmer im Regelfall innerhalb eines Monats eine verlässliche Auskunft.

Aber Vorsicht! Lassen Sie sich unbedingt auch vor Einleitung eines Anfrageverfahrens unbedingt von einem versierten Rechtsanwalt beraten, das Verfahren kann leicht zum Verhängnis werden und eignet sich nicht für Beschäftigungsverhältnisse, die schon mehrere Monate „laufen“.

Außerdem gilt der Bescheid nur und ausschließlich für das angefragte Unternehmen. Selbst wenn Ihr Auftragnehmer einen solchen Bescheid für einen anderen Betrieb, in dem er auch tätig ist, vorlegen kann, bedeutet das nicht, dass er auch in Ihrem Betrieb als Selbstständiger anerkannt wird, selbst dann, wenn er bei Ihnen ähnliche oder gleiche Aufträge bearbeitet.

Der Autor dieses Beitrages bearbeitet seit vielen Jahren sowohl die sozialrechtlichen Aspekte als auch die strafrechtliche Seite der Problematik Scheinselbstständigkeit. Er ist als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht in der Kanzlei Perathoner & Pfefferl in München seit 1998 tätig.


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