Schmerzensgeld bei Veröffentlichung von Nacktfotos

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1. Sachverhalt 

Die Klägerin stand im Rahmen der Veranstaltung „B.” der Beklagten am Freitag, den 28. November 2008 im „C.” der Künstlergruppe „D.” in E. vollständig unbekleidet Modell, wofür sie der Beklagten vereinbarungsgemäß einen Betrag in Höhe von 250,00 EUR in Rechnung stellte. Am 01.12.2008 erschien ein Artikel über die lange Kunstnacht in der F. Dort war ein Foto von der Malaktion abgebildet, auf dem die Klägerin nackt zu erkennen ist. Einige Monate nach der Aktion stellte die Klägerin fest, dass die Beklagte in ihrem neuen Programmheft „FEBRUAR-JUNI 2009“ ein sich über die Seiten 30-31 erstreckendes Farbfoto von der Malaktion der Künstlergruppe „D.” anlässlich der Ausstellung „G” mit einer Ganzkörper-Nacktabbildung der Klägerin verbreitete. Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.03.2009 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen dieser Veröffentlichung und Verbreitung des Nacktfotos ab und forderte diese erfolglos zur Unterlassung und zur Zahlung von Schadensersatz auf.

2. Ansicht der Klägerin

Die Klägerin behauptet, sie habe keine Einwilligung zur Veröffentlichung bzw. Verbreitung des streitgegenständlichen Nacktbildes in der Werbebroschüre der Beklagten erteilt. Abgesprochen sei eine dreistündige Malaktion gewesen, an der vorbeilaufendes Publikum und geladene Gäste teilnehmen konnten. Von privaten Fotos der Gäste, Presseaufnahmen oder sonstigen Bilddokumentationen sei keine Rede gewesen. Erst am eigentlichen Veranstaltungsabend, als sie bereits Modell stand, erfuhr sie, dass ein Fotograf, der im Auftrag des Museums handelte, Fotos für eine interne Dokumentation anfertigen würde. Sie sei davon überrumpelt worden. Sie habe dann aber allein dahingehend ihre Zustimmung erteilt, dass der Pressefotograf Fotos für einen einmaligen Artikel in der F. anfertigt und der Künstlerfotograf Fotos zu Archivierungszwecken für das C. anfertigt.

3. Ansicht der Beklagten

Die Beklagte ist der Ansicht, es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin auch im Internet auf I. nackt zu sehen sei. Es liege zumindest ein konkludentes Einverständnis der Klägerin vor, indem sie öffentlich nackt posierte und Kenntnis davon hatte, dass sie fotografiert wird. Schließlich meint die Beklagte, dass jedenfalls nicht schwerwiegend in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingegriffen worden sei, da die Klägerin sich absichtlich nackt präsentiert habe.

4. Entscheidung des Gerichts

Nach Auffassung der Kammer besteht im vorliegenden Fall ein so schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin, dass die Zubilligung eines Schmerzensgeldes unabweisbar ist. Die Klägerin ist in unbekleidetem Zustand in dem Programmheft der Beklagten abgebildet worden. Die Klägerin ist erkennbar. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass die Klägerin ihre Einwilligung zu der Veröffentlichung der Bilder in dem Programmheft erteilt hat. Die Klägerin ist in unbekleidetem Zustand in dem Programmheft für „FEBRUAR-JUNI 2009“ der Beklagten abgebildet. Das Farbfoto erstreckt sich über zwei Seiten und lässt die Klägerin deutlich erkennen. Ein begründeter Anlass für die Annahme, innerhalb des Bekanntenkreises erkannt werden zu können, reicht dabei aus (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Anmerkung 7.15). Das Gericht hat keine Zweifel, dass Menschen, die mit der Klägerin in Berührung gekommen sind, diese auf der Abbildung wiedererkennen.

a) keine Einwilligung 

Den Beweis, dass die Klägerin ihre Einwilligung in die Veröffentlichungen von Aufnahmen zu Werbezwecken erteilt hat, ist die insoweit beweisbelastete Beklagte schuldig geblieben. Der von der Beklagten benannte Zeuge H., an dessen Glaubwürdigkeit nach Auffassung der Kammer keine Zweifel bestehen, hat ausgesagt, ausschließlich mit dem Manager der Klägerin über die Anfertigung von Lichtbildern der Klägerin und deren Veröffentlichung gesprochen zu haben. Der Zeuge H. hat glaubhaft dargelegt, dass die Veröffentlichung der von der Klägerin abgebildeten Lichtbilder im Programmheft der Beklagten zu Werbezwecken nicht thematisiert worden sei.

b) keine konkludente Einigung

Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt auch keine konkludente Einwilligung der Klägerin in die Veröffentlichung der Lichtbilder zu Werbezwecken vor. Eine solche stillschweigende Einwilligung kann nur angenommen werden, wenn der Betroffene ein Verhalten an den Tag legt, das für den objektiven Erklärungsempfänger als Einwilligung verstanden werden kann. Dabei kann die Erteilung einer stillschweigenden Einwilligung regelmäßig nur dann angenommen werden, wenn der Betroffene über die Art und den Zweck der Veröffentlichung der Bilder aufgeklärt worden ist (Wandtke/Bullinger – Fricke, 3. Aufl. 2009, § 22 KUG Rn. 15 mwN). Von einer solchen Aufklärung ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Der von der Beklagten benannte Zeuge hat vielmehr bekundet, nicht über die Veröffentlichung der Lichtbilder zu Werbezwecken gesprochen zu haben.

c) Vorverhalten der Klägerin irrelevant

Auch ist der Umstand ohne Bedeutung, dass sich die Klägerin vor Jahren zu einer Fotoreportage bei „J.” bereit erklärte und in diesem Zusammenhang Aufnahmen von der Klägerin öffentlich zur Schau gestellt wurden, auf denen die Klägerin unbekleidet zu sehen war. Maßgeblich ist allein, ob die Beklagte in die Veröffentlichung der Lichtbilder in der Werbebroschüre der Beklagten eingewilligt hat, was die insoweit beweisbelastete Beklagte – wie dargelegt – nicht bewiesen hat.

d) Vermutungsregel nicht anwendbar 

Schließlich rechtfertigt auch der Gedanke des § 22 Satz 2 KUG nicht die Annahme, die Klägerin habe ihre Einwilligung in die Veröffentlichung der Bilder erteilt. Nach dieser Vorschrift gilt die Einwilligung im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, dass er sich ablichten ließ, eine Entlohnung erhielt. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zwar unstreitig eine Vergütung in Höhe von 250,- EUR erhalten. Dieser Lohn wurde der Klägerin jedoch – was zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig ist – nicht für die Anfertigung der Lichtbilder, sondern als Gegenleistung für ihre Modellarbeit gewährt. In einem solchem Fall findet die Vermutungsregel des § 22 Satz 2 KUG keine Anwendung (Wandtke/Bullinger – Fricke, 3. Aufl. 2009, § 22 KUG Rn. 18 mwN).

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ferner ein Anspruch auf Unterlassen aus §§ 823 Abs. 1,1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 22 KUG in Höhe von 5.000 € zu.

RA M. Richter

Rechtsanwalt mit speziellen Kenntnissen im Persönlichkeitsrecht



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