Schmerzensgeld für Angehörige – was hat sich geändert?

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Bislang wurden Angehörige von Unfallopfern und von Opfern eines Behandlungsfehlers unterschiedlich behandelt, wie die beiden Beispiele zeigen:

Der Fall Verkehrsunfall

Anita fährt mit ihrem Mann mit dem Fahrrad eine Allee entlang, als dieser von einem PKW mit überhöhter Geschwindigkeit angefahren wird. Er ist bewusstlos und lebensgefährlich verletzt. Zum Glück wird er in der Klinik so gut versorgt, dass er überlebt. Anita erholt sich allerdings nicht so schnell von ihrem Schrecken. Sie hat einen Schock erlitten und muss sich in Psychologische Betreuung geben. Sie ist über Wochen nicht in der Lage zu arbeiten.

Nach langjähriger Rechtsprechung steht ihr ein Schmerzensgeld zu, da sie einen sog. Schockschaden hat.

Der Fall Behandlungsfehler

Britta überredet ihren Mann Gerd, der seit Tagen an Bauchschmerzen leidet, sich im Krankenhaus untersuchen zu lassen. Dort wird eine Koloskopie durchgeführt, es wird also in den Darm geschaut. Hierbei verletzt der Arzt die Darmwand. Das ist noch kein Behandlungsfehler, sondern passiert regelmäßig bei dieser Untersuchung und kann jedem Arzt passieren. Die weitere Behandlung läuft dann jedoch völlig schief, es kommt zu mehreren Behandlungsfehlern des völlig übernächtigten Arztes. Gerds Leben hängt am seidenen Faden, wird zum Glück jedoch gerettet. Britta erleidet einen Schock und muss sich in psychologische Betreuung geben. Sie macht sich schwere Vorwürfe, dass sie ihren Mann zu der Behandlung überredet hat.

Bis zum 21.05.2019 hätte Britta kein Schmerzensgeld erhalten. In der Rechtsprechung herrschte die Meinung, dass Opfer von Behandlungsfehlern und deren Angehörigen nicht so zu behandeln sind, wie Opfer von Verkehrsunfällen. Das Oberlandesgericht hat es in einem ähnlichen Fall, wie Brittas, als allgemeines Lebensrisiko eingestuft, dass sich die Gesundheit eines Angehörigen bei einer Operation aufgrund eines Behandlungsfehlers verschlechtert. Eine völlig unverständliche Entscheidung, da ja eine fehlerhafte Behandlung nachgewiesen wurde. Mit Urteil vom 21.05.2019 – Az. VI ZR 299/17 hat der BGH das Urteil des OLG aufgehoben und einen Richtungswechsel eingeleitet:

Angehörige von fehlerhaft behandelten Patienten können nun genau wie Angehörige von Unfallopfern Schmerzensgeld erhalten, wenn sie einen Schockschaden nachweisen können.

Was bedeutet dieser Kurswechsel?

Nahe Angehörige leiden oft mit. Besonders stark ist das Leid, wenn der Patient selbst im Koma liegt oder in völlig hilflose Lage gerät. Während der Gesetzgeber Angehörigen von verstorbenen Patienten mit Wirkung zum 22.07.2017 über § 844 Abs. 3 BGB mittlerweile einen Schmerzensgeldanspruch ins Gesetz geschrieben hat, wurden die Familien von schwerstgeschädigten Patienten bislang vernachlässigt. Bei Behandlungsfehlern gab es schlicht keine Möglichkeit eigene Rechte geltend zu machen. Es ist nur gerecht, dass nicht mehr zwischen Opfern von Unfällen oder Behandlungsfehlern unterschieden wird.

Das Urteil macht außerdem Hoffnung auf mehr: Die Schmerzensgeldbeträge im Unfallrecht übersteigen die Schmerzensgeldbeträge im Arzthaftungsrecht meist beträchtlich. Auch hier wäre eine Gleichstellung geboten, da es keinen Unterschied machen darf, ob man durch einen Unfall oder einen Behandlungsfehler verletzt wurde. Die Auswirkungen und Schmerzen und nicht die Person des Schädigers sollten die Messlatte für das Schmerzensgeld sein.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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