Kassenwechsel bei laufender Psychotherapie

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In jüngster Zeit häufen sich die Fälle, in denen Krankenkassen gegen Psychotherapeut*innen sachlich-rechnerische Richtigstellungen nach § 106d Abs. 3 SGB V geltend machen, weil deren Patient*innen nach Genehmigung der Psychotherapie die Krankenkasse gewechselt haben.

Den betroffenen Psychotherapeuten ist zum Widerspruch und bei ablehnendem Bescheid zur Klage zu raten. Es bestehen nämlich gute Aussichten auf Erfolg im Klageverfahren zu gewinnen und die Rückforderung des geleisteten Honorars abzuwehren.

Zum besseren Verständnis ein kleiner Standardfall:

Der Patient Edgar Wolf ist bei der AOK BW versichert. Diese bewilligt ihm eine Psychotherapie mit 12 Sitzungen bei der Psychotherapeutin Carina Jung. Wolf ist famillienversichert über seine Ehefrau. Nach der zweiten Sitzung wechselt die Ehefrau die Krankenkasse und die Familie ist jetzt bei der Barmer versichert. Seiner Psychotherapeutin vergisst Wolf die neue Krankenkasse mitzuteilen. Weder Wolf noch Jung teilen der Barmer mit, dass die Psychotherapie erfolgreich weitergeführt wird. Mehr als ein Jahr später erhält Jung überraschende Post von der kassenärztlichen Vereinigung. Die Barmer hat einen Antrag auf sachlich-rechnerischen Richtigstellungen nach § 106d Abs. 3 SGB V gestellt.

Zu Recht?

Meiner Einschätzung nach nicht. Es gibt keinen Grund, warum die einmal erteilte Genehmigung nur wegen eines Wechsels der Krankenkasse durch den Patienten erlöschen sollte. Auch das SG München hat einen solchen Fall zugunsten der Psychotherapeutin entschieden.

Das Sozialgericht hat zwei schwergewichtige Argumente gegen eine Anzeige- oder gar Neuantragspflicht der Psychotherapeut*innen bzw. ihrer Patient*innen angeführt:

Es findet sich keine gesetzliche Vorschrift, die diesen Fall regelt. Eine Anzeigepflicht oder erneute Bewilligung von Therapieleistungen bei der "Neu"-Kasse müssten im SGB V, in der Psychotherapie-Richtlinie oder in der Psychotherapie-Vereinbarung zur Anlage 1 BMV-Ä enthalten sein. Dies ist jedoch
nicht der Fall. Es ist lediglich in § 34 Psychotherapie-Richtlinie die Rede von dem Antragserfordernis, ebenfalls in § 11 zur Anlage 1 BMV-Ä. Eine Regelung darüber, ob ein erneuter Antrag bei einem Kassenwechsel erforderlich ist, findet sich jedoch nicht.

Noch schwerer wiegt das zweite Argument, wonach durch eine solche Anzeige- oder Neuantragspflicht das Recht des Patienten auf freie Wahl der Krankenkasse nach den  §§ 173 ff SGB V beschränkt werden würde. (vgl. SG München Entscheidung vom 22.06.2023, Az.: S 38 KA 125/22).

Die betroffenen Psychotherapeut*innen sollten sich deshalb nicht durch die ablehnenden Bescheide der kassenärztlichen Vereinigungen abschrecken lassen und gegen diese vor dem Sozialgericht klagen.

Den kassenärztlichen Vereinigungen steht im Übrigen kein Recht zu einer eigenständigen Prüfung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs der neuen Krankenkasse zu (BSG, Urteil vom 23.03.2016, Az B 6 KA 8/15 R). Die KV'en müssen in dieser Hinsicht also schlicht die Argumentation der Krankenkasse übernehmen, die die sachlich-rechnerische Richtigstellungen beantragt hat. 




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